Ziel des Gesetzentwurfs
Ziel des geplanten Gesetzes ist die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2023/2225 (Verbraucherkredit-RL) in nationales Recht. Dadurch soll das Verbraucherschutzniveau bei der Vergabe von Darlehen (und Finanzierungshilfen) erhöht werden.Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2023/2225 über Verbraucherkreditverträge“, 23. Juni 2025, 1; 97. Hierfür sind Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vorgesehen, die unter anderem die Ausweitung des Anwendungsbereiches des Allgemein-Verbraucherdarlehensrechts im Blick haben sowie weitere Informationspflichten für den Vertragsschluss von Verbraucherdarlehensverträgen verlangen.Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2023/2225 über Verbraucherkreditverträge“, 1.
Zusammenfassung möglicher Auswirkungen
Das Kompetenzzentrum Jugend-Check hat folgende mögliche Auswirkungen identifiziert:
- Künftig sollen auch zins- und gebührenfreie Kredite als Verbraucherdarlehensverträge gelten und damit dem Regelungsbereich bzw. dem Kapitel über Verbraucherdarlehensverträge unterfallen (§ 491 Abs. 2 S. 1 BGB). Da junge Menschen viele Einkäufe online tätigen und hierfür sog. „Buy now, pay later“- Funktionen verstärkt nutzen, könnten die damit einhergehenden strengeren Regeln zu einem erhöhten Verbraucherschutz beitragen und sie vor der Aufnahme von Schulden schützen.
- Das Vorhaben sieht ferner mögliche Maßnahmen der Nachsicht vor, die vom Darlehensgeber im Fall von Zahlungsrückständen genutzt werden können, z. B. Vertragslaufzeitverlängerung oder die anteilige bzw. vollständige Umschuldungen des Darlehens (§ 497a Abs. 2 BGB). Durch das Angebot solcher Maßnahmen könnten junge Menschen in finanziellen Notlagen eine Entlastung erfahren und davor bewahrt werden, dass eine frühe Verschuldung für sie langfristige Folgen nach sich zieht und ihnen ggf. die Kapazitäten für die in dieser Lebensphase eigentlich relevanten Entwicklungsschritte raubt.
Betroffene Gruppen junger Menschen
Von den geplanten Änderungen sind in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe insbesondere junge Menschen ab einem Alter von 18 bis 27 Jahren betroffen, die Verbraucherdarlehensverträge abschließen. Im Jahr 2022 gaben 45 Prozent der ab 18-Jährigen Befragten der Generation „Gen Z“ (geboren 1995 – 2012) an, die Klarna „Buy now, pay later“- Funktion zu nutzen und somit beim Kauf im Internet auf die Möglichkeit des späteren Bezahlens zurückgreifen. Damit sind sie die Generation, die diese Art von Verbraucherdarlehen vergleichsweise am häufigsten nutzt.Vgl. René Bocksch, „#KlarnaSchulden - Gen Z lebt auf Pump“ (statista, 2023), https://de.statista.com/infografik/29303/anteil-der-befragten-verschiedener-generationen-die-klarna-bnpl-nutzen/ (zuletzt abgerufen am 07.07.2025).
Im Jahr 2024 gaben 69 Prozent der 16- bis 24-Jährigen an, innerhalb der letzten drei Monate Einkäufe über das Internet zu privaten Zwecken erledigt zu haben; überhaupt schon einmal Einkäufe bzw. Bestellungen über das Internet für den privaten Gebrauch getätigt haben 86 Prozent derselben Altersgruppe.Vgl. destatis, „Einkäufe über das Internet zu privaten Zwecken 2024 nach Alter“, 2024, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/IT-Nutzung/Tabellen/onlineeinkaeufe-privatezwecke-alter-mz-ikt.html (zuletzt abgerufen am 07.07.2025).
Weiterhin sind junge Menschen zwischen 18 und 27 Jahren betroffen, die Schulden z. B. bei Onlinehändlern haben und die Schwierigkeiten mit der Begleichung dieser Schulden haben. Seit Jahren steigt der Anteil derjenigen, die Schulden bei Onlinehändlern haben kontinuierlich an: So hatten im Jahr 2021 38 Prozent der 20- bis 24-jährigen Personen, die Hilfe bei einer Schuldnerberatungsstelle suchten, Schulden bei Online- und Versandhändlern.Vgl. destatis, „28 % der Überschuldeten hatten 2021 Schulden bei Onlinehändlern“, Pressemitteilung Nr. N 001 vom 12. Januar 2023, 2023, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/01/PD23_N001_63511.html (zuletzt abgerufen am 07.07.2025). Im Jahr 2023 lag diese Zahl für dieselbe Altersgruppe bereits bei 40 Prozent – so hoch wie bei keiner anderen Altersgruppe.Vgl. destatis, „30 % der Überschuldeten hatten 2023 Schulden bei Onlinehändlern“, Pressemitteilung Nr. N057 vom 14. November 2024, 2024, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/11/PD24_N057_63511.html (zuletzt abgerufen am 07.07.2025).
Jugendrelevante Auswirkungen
Verbesserung des Verbraucherschutzes bei Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen
§§ 491 Abs. 2 S. 1; 492a Abs. 1a S. 1 und S. 2 und 511 Abs. 4 BGB
Durch die Streichung des Nettodarlehensbetrags in Höhe von 200 Euro sowie die Streichung der Voraussetzung der Entgeltlichkeit, die gegenwärtig eine Voraussetzung für die Annahme eines allgemeinen Verbraucherdarlehensvertrag ist, sollen auch zins- und gebührenfreie Kredite als Verbraucherdarlehensverträge gelten und damit dem Regelungsbereich bzw. dem Kapitel über Verbraucherdarlehensverträge unterfallen, vgl. § 491 Abs. 2 S. 1 BGB. Künftig soll damit grundsätzlich jeder Vertrag als allgemeiner Verbraucherdarlehensvertrag gelten, der einen Darlehensvertrag zwischen einem Unternehmen und einem Verbraucher auf Darlehensnehmerseite darstellt, vgl. § 491 Abs. 2 S. 1 BGB. Es soll darüber hinaus eine Verpflichtung des Darlehensgebers eingeführt werden, dem Verbraucher gegenüber eine Warnung auszusprechen, soweit dieser durch die Aufnahme des Darlehensvertrags möglicherweise aufgrund seiner finanziellen Situation ein spezifisches Risiko eingeht, vgl. § 511 Abs. 4 BGB.
Der Abschluss eines Allgemeinen Verbraucherdarlehensvertrages soll künftig nicht zustande kommen können, wenn die potenzielle Vertragserklärung des Darlehensnehmers durch eine voreingestellte Option bereits mit einem Kreuz versehen ist, vgl. § 492a Abs. 1a S. 1 BGB. Dem Unternehmer, also dem Darlehensgeber, soll die Pflicht obliegen, auf die voreingestellten Kästchen hinzuweisen und erneut vor Zustimmung des Verbrauchers zum Vertragsschluss darauf hinweisen, dass er den Vertrag tatsächlich schließen möchte, vgl. § 492a Abs. 1a S. 2 BGB.
Dadurch, dass künftig grundsätzlich alle zins- und gebührenfreien Kredite als allgemeine Verbraucherdarlehensverträge gelten sollen und somit strengeren Regeln unterliegen, z. B. durch Hinweispflichten und Warnung vor Vertragsabschluss, könnten insbesondere jüngere Menschen durch die geplante Gesetzesänderung von einem besseren Schutz vor ÜberschuldungVgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2023/2225 über Verbraucherkreditverträge“, 83 f. profitieren. Gerade junge Menschen verfügen regelmäßig über geringe finanzielle Mittel: Da sie noch am Beginn ihres Berufslebens stehen oder sich in der Ausbildung befinden, müssen sie zunächst meist von ihren Ausbildungsgehältern oder BAföG-Zahlungen leben bzw. sind auf die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern angewiesen. Vor diesem Hintergrund kann der Kauf auf Raten und die Aufnahme von Kleinstkrediten für junge Menschen besonders attraktiv sein. Vor allem bei Online-Einkäufen ist die Zahlung mithilfe sog. „Buy now, pay later“-Modelle besonders einfach und der Abschluss dieser Kaufverträge mit Möglichkeit einer späteren Zahlung kann junge Menschen – die regelmäßig in ihrer Freizeit Käufe über Online-Anbieter tätigen –Vgl. destatis, „Einkäufe über das Internet zu privaten Zwecken 2024 nach Alter“. leicht zur Anhäufung von Schulden verleiten. Dies insbesondere, weil aufgrund ihrer meist geringen finanziellen Einkünfte und Rücklagen bereits Anschaffungen von verhältnismäßig geringerem Wert eine höhere finanzielle Belastung für sie darstellen können als für andere Altersgruppen. Vor diesem Hintergrund könnten die künftig einzuführenden Hinweispflichten vor Vertragsabschluss einen besseren Verbraucherschutz für junge Menschen darstellen.
Auch die Neuregelung, dass der Abschluss eines Allgemeinen Verbraucherdarlehensvertrages künftig nicht zustande kommen können soll, wenn die potenzielle Vertragserklärung des Darlehensnehmers durch eine voreingestellte Option bereits mit einem Kreuz versehen ist, kann den Schutz junger Menschen vor voreiligen Online-Einkäufen erhöhen. Da jedoch nicht sichergestellt werden kann, dass die jungen Vertragsnehmerinnen und -nehmer vor Setzen des Kreuzes tatsächlich die damit verbundenen Verpflichtungen gelesen haben und somit eine „informierte[ ] Verbraucherentscheidung“ „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2023/2225 über Verbraucherkreditverträge“, 105. treffen könnten, kann die Wirkung dieser Schutzmaßnahme für junge Menschen in der Praxis nur schwer nachweisbar sein.
Unterstützende Maßnahmen im Fall von Zahlungsrückständen bzw. Schwierigkeiten bei der Erfüllung der Zahlung
§ 497a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 BGB
Im Fall von Zahlungsrückständen bzw. Schwierigkeiten der Erfüllung der Zahlung soll der Darlehensgeber in Zukunft gesetzlich verpflichtet werden, den Verbraucher an einen für ihn leicht zugänglichen Schuldnerberatungsdienst zu verweisen, vgl. § 497a Abs. 1 BGB. Neben dem Verweis auf den Schuldnerberatungsdienst soll der Darlehensnehmer bei Zahlungsrückständen bzw. einer Nichterfüllung des Darlehensnehmers durch den Verbraucher dazu im Rahmen einer Soll-Vorschrift verpflichtet werden, angemessene Nachsicht walten zu lassen, also nicht unmittelbar ein Zwangsvollstreckungsverfahren einzuleiten und andere Maßnahmen der Nachsicht gegenüber dem Darlehensnehmer anzubieten, vgl. § 497a Abs. 2 S. 1 BGB.
Die geplante Vorschrift sieht hierfür mögliche Maßnahmen der Nachsicht vor, die vom Darlehensgeber genutzt werden können, beispielsweise die Vertragslaufzeitverlängerung, Teilrückzahlungen, Teilerlasse der Darlehenssumme oder die anteiligen bzw. vollständigen Umschuldungen des Darlehens, vgl. § 497 Abs. 2 S. 3 Nr. 1, Nr. 6 und Nr. 8 BGB. Der Darlehensgeber soll dabei nicht verpflichtetet werden die Maßnahmen mehr als einmal anzubieten, vgl. § 497a Abs. 4 BGB.
Der künftig verpflichtend zu erfolgende Verweis an einen Schuldnerberatungsdienst im Fall von Zahlungsrückständen bzw. Schwierigkeiten der Erfüllung der Zahlung könnte betroffenen jungen Menschen helfen, einen Ausweg aus ihrer finanziellen Notlage zu finden. Insbesondere für junge Erwachsene, denen es noch an Erfahrung und Wissen über Budgetierung und den verantwortungsvollen Umgang mit Geld mangeln kann, könnte dieses Beratungsangebot helfen, sich über Strategien zu informieren, ihre Schulden zu begleichen. Dies insbesondere in einer Lebensphase, die als „Übergangsphase von der finanziellen Abhängigkeit der Eltern hin zur finanziellen Autonomie“Nina Bender und Klaus Breuer, „Junge Menschen und frühe Schulden – Finanzielle Handlungskompetenz im Fokus wirtschaftspädagogischer Forschung“, in Krisen und Schulden, hg. von Exzellenzcluster ‚Gesellschaftliche Abhängigkeiten und soziale Netzwerke’ (VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2011), 45. gilt. Allerdings geht aus dem Entwurf nicht hervor, wie genau dieser Verweis auf den Schuldnerberatungsdienst umzusetzen ist und, ob die betroffenen jungen Menschen auf einen für sie leicht zugänglichen Schuldnerberatungsdienst aufmerksam werden und diesen sodann auch niedrigschwellig besuchen können.
Die möglichen Maßnahmen der Nachsicht im Falle von Zahlungsrückständen – beispielsweise die Vertragslaufzeitverlängerung, Teilrückzahlungen oder die anteilige bzw. vollständige Umschuldung des Darlehens – können für junge Menschen in dieser finanziellen Notlage eine große Entlastung darstellen. So könnten sie durch diese Maßnahmen davor geschützt werden, dass ihre frühe Verschuldung langfristige Folgen nach sich zieht und ihnen ggf. die Kapazitäten für die in dieser Lebensphase eigentlich relevanten Entwicklungsschritte – Qualifizierung, Verselbstständigung und SelbstpositionierungVgl. BT-Drucksache 18/11050, „15. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland“ (Berlin, 2017), 6. – raubt. Zudem können diese Maßnahmen für die betroffenen Jugendlichen ein Ausweg aus den Schulden sein, der es ihnen wieder ermöglicht, am gesellschaftlichen Leben in einem für sie finanziell möglichen Rahmen teilzuhaben.
Anmerkungen und Hinweise
Da „Buy now, pay later“-Modelle trotz der geplanten Anhebung des Verbraucherschutzniveaus für Verbraucherkreditverträge auch weiterhin eine leicht zugängliche Zahlungsmethode sein können, kann auch künftig die Gefahr bestehen, dass junge Menschen durch die Aufnahme von Kleinstkrediten bzw. zinsfreien Darlehen Dinge erwerben, für die sie nicht die finanziellen Mittel haben und so den Überblick über ihre finanziellen Verpflichtungen verlieren. Daher könnte ergänzend zu strengeren Vorgaben bei Vertragsabschlüssen der Ausbau von Angeboten der finanziellen Bildung und Informationsangeboten im Internet – nicht erst im Moment der Notwendigkeit eines Schuldnerberatungsdienst – jungen Menschen helfen, einen verantwortungsvollen Umgang mit Geld zu erlernen.