Die Methodik des Jugend-Checks
Das Kompetenzzentrum Jugend-Check (KomJC) ist zuständig für die Durchführung und Weiterentwicklung des Jugend-Checks als Instrument der Gesetzesfolgenabschätzung. Ein interdisziplinäres Team prüft auf Basis eines standardisierten Prüfinstruments nach wissenschaftlichen Qualitätsstandards die Gesetzesvorhaben der Bundesregierung auf ihre Auswirkungen auf junge Menschen zwischen 12 und 27 Jahren.
Die Durchführung eines Jugend-Checks
Beim Jugend-Check legt ein standardisiertes Prüfverfahren die Schritte der Prüfung sowie die zu prüfenden Gesetzesvorhaben und den Zeitpunkt im Gesetzgebungsprozess fest.
In der Vorprüfung wird zunächst ermittelt, ob junge Menschen zwischen 12 und 27 Jahren von dem geplanten Gesetzesvorhaben spezifisch betroffen sind. Das bedeutet, dass sich die Auswirkungen auf sie von denen auf andere Altersgruppen unterscheiden. Sofern eine spezifische Betroffenheit junger Menschen vorliegt, wird die Hauptprüfung durchgeführt und ein Jugend-Check erstellt.
Die Hauptprüfung erfolgt anhand des standardisierten Prüfrasters, um die Auswirkungen von Gesetzesvorhaben auf junge Menschen möglichst umfassend darstellen zu können. Das Prüfraster besteht aus sechs Lebensbereichen und elf Wirkdimensionen. Ihr Zusammenspiel ermöglicht die Berücksichtigung unterschiedlicher Lebenslagen junger Menschen sowie die differenzierte Darstellung der identifizierten Auswirkungen nach Teilgruppen junger Menschen. Das Ergebnis der Hauptprüfung ist der Jugend-Check zum Gesetzesvorhaben.
Das Prüfraster im Überblick
Lebensbereiche
Die sechs Lebensbereiche stellen dar, wo im Leben eines jungen Menschen ein Gesetzesvorhaben Auswirkungen haben kann. Gesetzesvorhaben können sich in verschiedenen Lebensbereichen junger Menschen unterschiedlich auswirken. Zudem können sich die Auswirkungen zwischen verschiedenen Gruppen junger Menschen in den Lebensbereichen unterscheiden.
Im Lebensbereich Familie werden die Auswirkungen auf die Rahmenbedingungen des familiären Zusammenlebens geprüft. Familie wird dabei als Ort verstanden, „wo Menschen verschiedener Generationen dauerhaft füreinander Verantwortung übernehmen, füreinander einstehen und gegenseitig Fürsorge leisten.“ (BMFSFJ, Familienreport 2017, S. 12). Die Familie ist der „zentrale Ort des Aufwachsens“ (15. KJB: 8). Das Elternhaus bildet den Ausgangspunkt für die im Jugendalter spezifischen Ablösungs- und Verselbstständigungsprozesse (15. KJB: 8).
Dabei werden Familien in unterschiedlichen Konstellationen (z.B. Alleinerziehende oder Regenbogenfamilien) betrachtet sowie Jugendliche, die getrennt von ihren Eltern oder ihrer Herkunftsfamilie leben.
Im Lebensbereich Freizeit werden die Auswirkungen auf die Rahmenbedingungen der Freizeit junger Menschen geprüft. Als Freizeit wird die Zeit jenseits von Schule, Ausbildung, Studium, Beruf oder Wegezeiten sowie familiärer Verpflichtungen verstanden, über die junge Menschen frei verfügen können. Berücksichtigt werden die Bedingungen und Möglichkeiten für junge Menschen, diese Zeit selbstbestimmt und ungebunden zu gestalten.
Freizeit spielt eine wesentliche Rolle für die Persönlichkeitsentwicklung im Jugendalter (15. KJB: 28). Indem in der Freizeit non-formale und informelle Bildungsprozesse, ehrenamtliches Engagement und Verantwortungsübernahme möglich sind, trägt sie zur Entwicklung und Verselbstständigung junger Menschen bei.
Im Lebensbereich Bildung/Arbeit werden die Auswirkungen auf die Rahmenbedingungen der Bildung, der Qualifizierung sowie der beruflichen Tätigkeit junger Menschen geprüft. Bei der Qualifizierung kann es sich sowohl um formale Bildungsangebote in Schulen, Hochschulen oder Ausbildungseinrichtungen handeln, die den Alltag der Lebensphase Jugend wesentlich strukturieren, als auch um die Möglichkeiten zur Wahrnehmung non-formaler Bildungsangebote, die einen eigenen Erlebnis- und Erkenntnisraum eröffnen können. Bildung soll in diesem Lebensbereich aber nicht nur als Weg zur Erlangung eines Abschlusses für eine spätere Erwerbstätigkeit verstanden werden, sondern auch als eine Qualifizierung junger Menschen für eine soziale Handlungsfähigkeit. Charakteristisch für diesen Lebensbereich sind für junge Menschen dabei die Herausforderungen durch die Vereinbarkeit von Bildung/Arbeit und selbstbestimmter Freizeit. Zur Lebensphase Jugend gehören der Einstieg in die Arbeitswelt, mit dem zu bewältigenden Übergang zwischen Ausbildung und Erwerbsleben, Praktika und möglichen Befristungen.
Im Lebensbereich Umwelt/Gesundheit werden die Auswirkungen durch Umwelteinflüsse oder das Gesundheitssystem auf junge Menschen geprüft. Untersucht werden zum Beispiel Umweltfaktoren und Umwelteinflüsse in Lebensräumen junger Menschen. Umwelt schließt neben ökologischen Aspekten auch die sozio-ökonomischen Lebenslagen verschiedener Nachbarschaften sowie spezifische Gegebenheiten städtischer oder ländlicher Räume ein.
Im Hinblick auf die Rahmenbedingungen des Gesundheitssystems werden Aspekte der Gesundheitsversorgung, vor allem auf (kinder-) und jugendspezifische Versorgungsangebote betrachtet.
Eine Besonderheit für junge Menschen besteht darin, dass sich Umweltrisiken oder Gesundheitsgefährdungen bei ihnen teilweise stärker auswirken können als bei anderen Personengruppen. Dies betrifft sowohl das körperliche als auch das psychische Befinden. Hinzu kommt, dass junge Menschen zum Teil ein höheres Risikoverhalten aufweisen, das sich in gesundheitsschädigendem Verhalten und dem Ausprobieren gesundheitsgefährdender Mittel niederschlagen kann.
Im Lebensbereich Politik/Gesellschaft werden die Auswirkungen auf gesellschaftliche Teilhabe und politische Mitbestimmungsmöglichkeiten junger Menschen geprüft.
Viele junge Menschen engagieren sich und benötigen die dafür notwendigen Rahmenbedingungen (15. KJB, S. 229ff). Junge Menschen können in unterschiedlichen Rollen in einer Vielzahl von Formen der politischen Bildung, Beteiligung und Selbstorganisation in Prozesse und Strukturen eingebunden sein und diese mitgestalten.
Im Vergleich zu den meisten anderen Altersgruppen hat ein großer Teil junger Menschen in vielen Fragen jedoch keine oder eingeschränkte Mitwirkungsrechte. Neben formalen Einschränkungen wie Altersgrenzen können auch weiche Faktoren wie eine geringere Akzeptanz oder bestimmte Vorurteile in öffentlichen Diskursen über „die“ Jugend Zugänge erschweren (15. KJB, S. 229ff).
Im Lebensbereich Digitales werden die Auswirkungen auf die Rahmenbedingungen aller Aspekte im Leben junger Menschen, die im Zusammenhang mit digitalen Sachverhalten stehen, geprüft. Jugendliche wachsen in einer digitalisierten und vernetzten Welt auf und bewegen sich in dieser viel selbstverständlicher als ältere Generationen.
Der Zugang zur digitalen Welt bedeutet zunächst den Zugang zu Computern oder mobilen Geräten wie Smartphones, Tablets, Laptops. Die Nutzung dieser Geräte kann im privaten oder schulischen bzw. beruflichen Bereich erfolgen. Besonders relevant für junge Menschen sind dabei die sozialen Medien und Netzwerke, die für viele junge Menschen einen selbstverständlichen und integralen Bestandteil ihres Alltags ausmachen.
Dabei eröffnen digitale Technologien neue, ortsunabhängige Zugänge zu Kommunikation und Wissen sowie Möglichkeiten zu oft wenig hierarchisierten Netzwerken und anders strukturierten sozialen Beziehungen.
Wirkdimensionen
Die elf Wirkdimensionen bilden ab, wie sich ein Gesetzesvorhaben in den Lebensbereichen junger Menschen auswirken kann. Sie helfen zudem dabei, die Auswirkungen für verschiedene Gruppen junger Menschen zu beschreiben.
Welche Auswirkungen kann das geplante Vorhaben auf Beteiligungsmöglichkeiten junger Menschen haben? Dabei wird untersucht, zu welchem Spektrum von Themen und in welcher Tiefe und Verbindlichkeit junge Menschen an analogen und digitalen Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Wichtig ist auch die Frage, wie einflussreich die Ergebnisse der Beteiligungsprozesse sind.
Es werden sowohl die Möglichkeit zur Beteiligung eines Einzelnen, als auch der 12- bis 27-Jährigen als Gruppe betrachtet.
Welche Auswirkungen kann das geplante Vorhaben auf die Bildungsbedingungen und -möglichkeiten junger Menschen haben? Dabei wird untersucht, wie sich ein Gesetz auf die Rahmenbedingungen für Bildung junger Menschen auswirkt. Die Wirkdimension berücksichtigt dabei formale, non-formale und informelle Lernprozesse und deren Voraussetzungen. Da Bildung in allen Kontexten stattfinden kann, ist diese Wirkdimension in allen Lebensbereichen relevant.
Unter dem Gesichtspunkt der Bildungsmöglichkeiten soll vor allem der Zugang zu Bildung und das Angebot von Bildungseinrichtungen untersucht werden, zum Beispiel materielle Hürden oder Möglichkeiten der Inklusion.
Welche Auswirkungen kann das geplante Vorhaben auf Gesundheit von jungen Menschen haben? Dabei werden sowohl Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit, als auch auf das soziale Wohlbefinden junger Menschen betrachtet.
Welche Auswirkungen kann das geplante Vorhaben auf die individuellen Rechte junger Menschen haben? Inwieweit ändert sich die Möglichkeit junger Menschen, ihre Rechte einzuklagen oder durchzusetzen?
Dabei kann etwa geprüft werden, ob sich durch das Gesetz Veränderungen in Fragen der Handlungsfähigkeit vor Gericht oder einer anwaltschaftlichen Vertretung verändern. Weitere relevante Aspekte sind etwa Ombudspersonen, elternunabhängige Beratung, Verständlichkeit der Verfahren sowie grundsätzlich Aufklärung und Informationsmöglichkeiten über die eigenen Rechte.
Welche Auswirkungen kann das geplante Vorhaben auf die materielle Situation von jungen Menschen haben? Untersucht werden soll dabei, ob sich die finanziellen Mittel der betroffenen jungen Menschen und damit verbundene Möglichkeiten verändern. Im Zusammenhang damit sollen auch Aspekte der sozialen Sicherung betrachtet werden. Das betrifft auch die Gefahr von Jugendarmut.
Welche Auswirkungen kann das geplante Vorhaben auf den Medienzugang und die Mediennutzung junger Menschen im privaten und öffentlichen Bereich haben? Unter „Medien“ sollen hier Kommunikationsmittel im weitesten Sinne verstanden werden, das heißt sowohl digital als auch analog.
Hinsichtlich des Medienzugangs werden Faktoren betrachtet, die die Mediennutzung ermöglichen oder beschränken. Ein Zugang zu Medien kann einerseits aus Gründen des Jugendschutzes oder altersspezifisch beschränkt werden. Andererseits kann es aber auch Hürden technischer oder finanzieller Art geben. Besondere Aufmerksamkeit gebührt dem Zugang zu jugendgerechten und -spezifischen Medienangeboten.
Welche Auswirkungen kann das geplante Vorhaben auf die Mobilität junger Menschen haben? Dabei wird untersucht, ob und inwiefern sich die Möglichkeiten für sie verändern, sich in ihrem Alltag zu bewegen. Mitbedacht wird dabei die Barrierefreiheit
Insbesondere wird dabei geprüft, ob Mobilität jungen Menschen eigenständig möglich ist und zu welchen Bedingungen. Berücksichtigt werden dabei l individuelle Mobilitätsformen (zum Beispiel Fahrrad, Moped, Auto) sowie der öffentliche Personennahverkehr (Netze, Frequenz, Kosten etc.) und der Flug- und Fernverkehr.
Welche Auswirkungen kann das geplante Vorhaben auf den Schutz junger Menschen vor Diskriminierung und Stigmatisierung haben? Aspekte, die dabei berücksichtigt werden, sind unter anderem soziales und biologisches Geschlecht, sozio-ökonomischer Status, Sexualität, körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigungen, Religion, Herkunft, Aussehen oder Alter.
Dabei wird geprüft, ob einzelnen jungen Menschen oder bestimmten Gruppen von jungen Menschen Zugänge erschwert werden oder sie aufgrund bestimmter Merkmale durch das Vorhaben sozial diskreditiert werden könnten. Es soll aber auch untersucht werden, ob das Gesetzesvorhaben dazu beiträgt, den Schutz von Einzelpersonen oder Gruppen vor Diskriminierung und Stigmatisierung zu verbessern (z.B. durch Inklusion und Integration).
Welche Auswirkungen kann das geplante Vorhaben auf den Schutz junger Menschen vor Gewalt haben? Dabei soll der Schutz junger Menschen vor körperlicher oder seelischer Gewaltanwendung untersucht werden.
Dazu können der Schutz vor Misshandlung, der Schutz vor sexualisierter Gewalt, der Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung, Mobbing, aber auch der Schutz junger Menschen in Strafverfahren zählen, indem sie einen altersgerechten Umgang erfahren.
Welche Auswirkungen kann das geplante Vorhaben auf die Selbstbestimmung und Verselbstständigung junger Menschen haben? Dabei wird unter Selbstbestimmung die Unabhängigkeit des oder der Einzelnen von jeder Art der Fremdbestimmung, zum Beispiel durch gesellschaftliche Zwänge oder staatliche Gewalt sowie eine autonome Entscheidungsfindung verstanden. Verselbstständigung setzt sich aus vielen Schritten am Übergang vom Jugendalter in das Erwachsenenleben zusammen. Sie wird vor allem als Loslösung vom Elternhaus oder der stationären Jugendhilfe und als Autonomiegewinn in verschiedenen lebenspraktischen Bereichen verstanden.
Im Hinblick auf Selbstbestimmung soll untersucht werden, ob durch ein Gesetz die Freiheit zur Wahl eines eigenen Lebensentwurfs oder zur Entfaltung der eigenen Persönlichkeit beeinflusst wird. Dazu zählen unter anderem Aspekte wie Religionsfreiheit, sexuelle und körperliche Selbstbestimmung, Gleichberechtigung, aber auch die Verfügbarkeit eigenen Wohnraums. Auch die informationelle Selbstbestimmung ist wichtig.
Als zentrale Indikatoren für die Verselbstständigung gelten die Gründung eines eigenen Haushalts, die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sowie die eigene Elternschaft. Verselbstständigungsprozesse sind gekennzeichnet durch experimentelles Erproben, für das jungen Menschen ausreichend Räume und gegebenenfalls auch Unterstützung zur Verfügung gestellt werden müssen.
Welche Auswirkungen kann das geplante Vorhaben auf die Aufnahme und Ausgestaltung sozialer Beziehungen von jungen Menschen haben? Untersucht werden dabei die
Beziehungen zu Gleichaltrigen, die für junge Menschen eine besondere Rolle spielen.
Untersucht werden auch die Auswirkungen auf die Rahmenbedingungen familiären Zusammenlebens. Das kann die gemeinsame Zeit mit Eltern oder Erziehungsberechtigten, die finanzielle Situation von Familien oder Unterstützungsangebote für Familien betreffen.
Der Jugend-Check im Gesetzgebungsprozess
Um junge Menschen von Beginn an mitzudenken, wird der Jugend-Check früh im Gesetzgebungsprozess durchgeführt. Der Jugend-Check bezieht sich auf Gesetzentwürfe aus den Bundesministerien im Stadium des Referentenentwurfs. Nach Erstellung wird der Jugend-Check über das Bundesjugendministerium an das zuständige Referat im federführenden Ministerium weitergeleitet. Damit ist es möglich, die Ergebnisse des Jugend-Checks im weiteren politischen Prozess zu berücksichtigen und ggf. Anpassungen des Gesetzentwurfs vorzunehmen.
Alle Versionen des Jugend-Checks werden veröffentlicht.
Konzept
Qualitätsstandards
Welche Qualitätsstandards hat das KomJC definiert, die für einen guten und wirkungsvollen Jugend-Check erfüllt sein müssen?