Ziel des Gesetzentwurfs
Ziel des Gesetzentwurfs ist es, insbesondere für ukrainische Geflüchtete, die nach dem 01. April 2025 nach Deutschland eingereist sind, den Leistungsbezug künftig dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zuzuordnen, anstelle wie bislang den Regelungen des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuchs (SGB II und SGB XII).„Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Gewährung von Leistungen für Personen, die in Anwendung der Richtlinie 2001/55/EG vom 20. Juli 2001 eine Aufenthaltserlaubnis zur Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden Schutz erhalten oder beantragt haben (Leistungsrechtsanpassungsgesetz)“, 8. August 2025, 1 f.
Zusammenfassung möglicher Auswirkungen
Das Kompetenzzentrum Jugend-Check hat folgende mögliche Auswirkungen identifiziert:
- Personen, die nach dem 31. März 2025 in Anwendung der Richtlinie 2001/55/EG eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG erhalten oder beantragt haben, sollen in Zukunft Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) u. Nr. 8 AsylbLG). Für junge Ukrainerinnen und Ukrainer, die nach Deutschland geflüchtet sind, führt dies zu einem Rechtskreiswechsel vom SGB II und SGB XII zum AsylbLG und geht mit zahlreichen Änderungen im Leistungsbezug- und -zugang einher.
- Mit dem Rechtskreiswechsel stehen jungen Betroffenen geringere finanzielle Mittel im Vergleich zur bisherigen Rechtslage zur Verfügung. Ein Teil der Leistung nach dem AsylbLG kann zudem als Sachleistungen erbracht werden, was die frei zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel der Betroffenen weiter beschränken kann. Dies kann sich nachteilig auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung junger Menschen auswirken und ihre Teilhabe am sozialen Leben insgesamt erschweren.
- Der Leistungszugang kann für Betroffene über eine Bezahlkarte geregelt werden, die nur geringe Bargeldabhebungen ermöglicht. Für Minderjährige gibt es dabei keine eigene Bezahlkarte und der Anteil, der als Bargeld abgebhoben werden kann, wird auf die Bezahlkarte des Erziehungsberechtigten gebucht. Die geringeren Geldleistungen in Verbindung mit der beschränkten Bargeldabhebung könnten dazu führen, dass junge Menschen nicht in vollem Umfang am sozialen Leben mit Gleichaltrigen, z. B. in Form von gemeinsamen Ausflügen oder anderen Unternehmungen, teilhaben können.
- Mit dem geplanten Rechtskreiswechsel stehen Betroffenen außerdem keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung, sondern lediglich Zugang zu einer Basisversorgung. Durch eine eingeschränkte gesundheitliche Versorgung kann für betroffene jungen Menschen eine verschlechterte Gesundheitslage erzeugt werden, die für den Rest ihres Lebens mit Folgekosten einhergehen kann.
Betroffene Gruppen junger Menschen
Betroffene in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe sind junge Menschen im Alter von 12 bis 27 Jahren, die ukrainische Staatsangehörige sind, ab dem 01. April 2025 nach Deutschland eingereist sind und deren Aufenthalt zum vorübergehenden Schutz gemäß § 24 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) beantragt bzw. gewährt wurde. Sie sind nur dann betroffen, wenn sie bzw. ihre Eltern kein oder kein ausreichendes Einkommen haben und auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.
Zwischen den Stichtagen 1. April 2025 und 1. Juli 2025 sind 14.612 Ukrainerinnen und Ukrainer als Kriegsflüchtlinge in Deutschland registriert worden.Vgl. Mediendienst Integration, „Flüchtlinge aus der Ukraine“, 2025, https://mediendienst-integration.de/flucht-asyl/ukrainische-fluechtlinge.html/,eigene Berechnung, zuletzt aufgerufen am 20.08.2025. Mit Stichtag 31.12.2024 waren 25,5 Prozent aller ukrainischen Schutzsuchenden in Deutschland zwischen 12 und 27 Jahre alt.Vgl. destatis, „Schutzsuchende: Deutschland, Stichtag, Geschlecht/ Altersjahre/Familienstand, Ländergruppierungen/ Staatsangehörigkeit; Code: 12531-0002“, 2025, https://www-genesis.destatis.de/datenbank/online/statistic/12531/table/12531-0002, eigene Berechnung, zuletzt aufgerufen am 20.08.2025.
Spezifisch betroffen können ukrainische Jugendliche sein, die mit ihrer Mutter nach Deutschland gekommen sind und in einem Alleinerziehenden-Haushalt aufwachsen. Der Anteil der Alleinerziehenden und ihrer Kinder lag bei den bis Juni 2023 zugewanderten Ukrainerinnen und Ukrainern mit 40 Prozent deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung.Vgl. Statistisches Bundesamt, „40 % der seit 2022 aus der Ukraine Eingewanderten sind Alleinerziehende und deren Kinder“, 13. Dezember 2023, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/12/PD23_476_12.html, zuletzt aufgerufen am: 02.09.2025.
Jugendrelevante Auswirkungen
Rechtskreiswechsel zum AsylbLG für nach dem 31. März 2025 eingereiste Ukrainerinnen und Ukrainer
§§ 1 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) und Nr. 8; 1 Abs. 3b; 4 Abs. 4; 5b Abs. 1 S. 2 AsylbLG; 74 Abs. 1 u. 2 SGB II; 146 Abs. 1 u. 2 SGB XII
Mit den geplanten Neueinführung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) AsylbLG bzw. der gesetzlichen Änderung des § 1 Abs. 1 Nr. 8 AsylbLG sollen künftig Personen in den Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes fallen, die erstmals nach dem 31. März 2025 in Anwendung der sog. Massenzustromrichtlinie (Richtlinie 2001/55/EG) eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG)Die Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG ist ein befristeter Aufenthaltstitel zum vorübergehenden Schutz für Ausländerinnen und Ausländer, die in großer Zahl aus ihrem Herkunftsland fliehen müssen, weil dort Krieg, Bürgerkrieg oder eine vergleichbare Gefahrenlage herrscht. Sie wird nicht individuell, sondern gruppenbezogen erteilt, sobald das Bundesministerium des Innern (BMI) mit Zustimmung des Bundesrates den sogenannten Massenzustrom feststellt. Betroffene Personen erhalten schnell und unbürokratisch Schutz, ohne ein reguläres Asylverfahren durchlaufen zu müssen. Die Aufenthaltserlaubnis gilt zunächst befristet (z. B. ein Jahr) und kann verlängert werden, solange die Gefahrenlage anhält. erhalten oder beantragt haben, vgl. §§ 1 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) u. Nr. 8 AsylbLG.Vgl. „Leistungsrechtsanpassungsgesetz“, 14. Ausgenommen hiervon sind lediglich Personen, deren Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG zwar nach dem 31. März 2025 erstmalig erteilt wurde, für deren Antragstellung die Ausländerbehörde jedoch bis einschließlich zum 31. März 2025 eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 i. V. m. Abs. 3 AufenthGEine Fiktionsbescheinigung ist ein behördliches Dokument, das von der Ausländerbehörde ausgestellt wird, wenn jemand rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels stellt, dieser Titel aber vor Ablauf noch nicht entschieden wurde. ausgestellt hatte oder denen im Zeitraum bis zum 31. März 2025 eine anderweitige Aufenthaltserlaubnis erteilt worden war, vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) AsylbLG.
Bisher konnten aus der Ukraine geflüchtete Personen, die im Anwendungsbereich der sog. Massenzustromrichtlinie eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG erhalten oder beantragt hatten, Leistungen nach dem SGB II sowie dem SGB XII in Anspruch nehmen.Vgl. „Leistungsrechtsanpassungsgesetz“, 1 f., 14.
Zudem soll mit der geplanten gesetzlichen Änderung des § 4 Abs. 4 AsylbLG gewährleistet werden, dass medizinische Behandlungen, die aufgrund einer vorherigen Leistungsberechtigung nach dem SGB II bzw. SGB XII begonnen wurden und daher Gesundheitsleistungen im Umfang der gesetzlichen Krankenversicherung umfassten, nach dem Wechsel in den Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes – und dem damit verbundenen Rückfall auf die eingeschränkten Leistungen nach §§ 4, 6 AsylbLG – im Einzelfall bis zum Abschluss fortgeführt werden können, vgl. § 4 Abs. 4 AsylbLG.Vgl. „Leistungsrechtsanpassungsgesetz“, 15.
Der geplante Rechtskreiswechsel vom zweiten und zwölften Buch Sozialgesetzbuch hin zum Asylbewerberleistungsgesetz hat für junge Ukrainerinnen und Ukrainer, die nach dem 31. März 2025 nach Deutschland geflüchtet und auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen sind, verschiedene Änderungen im Leistungsbezug zur Folge. So sind u. a. die (Geld-)Leistungen, die nach den Vorgaben des Asylbewerberleistungsgesetzes gewährt werden, geringer als nach dem SGB II und SGB XII. Zudem können Bezahlkarten ausgegeben werden. Ferner entfällt die behördliche Zuständigkeit der Jobcenter und die Gesundheitsleistungen sind im Asylbewerberleistungsgesetz reduziert. Die Regelungen hinsichtlich des Schutzstatus der betroffenen ukrainischen Geflüchteten sollen jedoch unverändert bleiben.
Durch den geplanten Wechsel in den Rechtskreis des Asylbewerberleistungsgesetzes stehen den betroffenen Jugendlichen und ihren Familien geringere finanzielle Mittel im Vergleich zur bisherigen Rechtslage zur Verfügung. Die Leistungssätze nach dem AsylbLG liegen unter denen den des Bürgergelds nach dem SGB II. So beträgt der monatliche Regelsatz im SGB II für alleinstehende Volljährige derzeit 563 Euro und für Jugendliche ab 14 Jahren 471 EuroBundesministerium für Arbeit und Soziales, „Leistungen und Bedarfe im Bürgergeld“, 28. Januar 2025, https://www.bmas.de/DE/Arbeit/Grundsicherung-Buergergeld/Leistungen-und-Bedarfe-im-Buergergeld/leistungen-und-bedarfe-im-buergergeld.html, zuletzt aufgerufen am 02.09.2025., während die entsprechenden Beiträge nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bei 441 Euro bzw. 391 EuroBundesministerium für Arbeit und Soziales, Neue Leistungssätze nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (2024), https://www.bmas.de/DE/Soziales/Sozialhilfe/LeistungenAsylbewerberleistungsgesetz/leistungssaetze-asylbewerberleistungsgesetz.html, zuletzt aufgerufen am 02.09.2025. pro Monat liegen. Darüber hinaus können Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz teilweise als Sachleistung erbracht werden.Vgl. § 1a Abs. 1 S. 4 AsylbLG. Dies reduziert die frei verfügbaren finanziellen Mittel zusätzlich. Jungen Menschen, die nach dem 31. März 2025 aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind, erhalten damit geringere Leistungssätze als gleichaltrige Ukrainerinnen und Ukrainern, die bereits vor dem Stichtag nach Deutschland geflüchtet sind. Die geringeren finanziellen Mittel können sich nachteilig auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung junger Menschen auswirken und ihre Teilhabe am sozialen Leben insgesamt erschweren.
Die geringeren Leistungen könnten sich überdies spezifisch auf Jugendliche, die alleine mit ihren Müttern nach Deutschland geflüchtet sind und in einem alleinerziehenden Haushalt leben, auswirken. In solchen Konstellationen ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Mutter nur bei ausreichender Kinderbetreuung möglich.Vgl. Herbert Brücker u. a., „Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland: Ergebnisse der ersten Welle der IAB-BiB/FReDA-BAMF-SOEP Befragung“, IAB-Forschungsbericht, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 2023, 9, https://doi.org/10.48720/IAB.FB.2302, zuletzt aufgerufen am 20.08.2025. Zwar müssen Jugendliche im Vergleich zu jüngeren Kindern nicht oder in geringerem Maß betreut werden, sie können jedoch insbesondere dann spezifisch betroffen sein, wenn in dem alleinerziehenden Haushalt noch zusätzlich jüngere Geschwister leben, die durch die Mutter betreut werden.
Neben der geringeren Leistungshöhe unterscheidet sich auch die Art des Leistungszugangs. Während das Bürgergeld regelmäßig bar oder per Überweisung ausgezahlt wird, erfolgt die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in vielen BundesländernDer Umsetzungsstand zur Einführung einer Bezahlkarte variiert zwischen den Bundesländern und ist auch innerhalb der Bundesländer nicht in allen Kommunen eingeführt. Vgl. MDR AKTUELL, Bezahlkarte für Flüchtlinge noch nicht deutschlandweit im Einsatz (2025), https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/bezahlkarte-asylbewerber-keine-bundesweite-nutzung-100.html, zuletzt aufgerufen am 02.09.2025. über eine Bezahlkarte, die nur geringe Bargeldabhebung ermöglicht.Vgl. § 2 Abs. 2 S. 2 AslybLG. Die Leistungen für Minderjährige werden dabei auf die Bezahlkarte eines Erziehungsberechtigten gebucht. Die Höhe der abhebbaren Barbeträge unterscheidet sich zwischen den Bundesländern, wobei sie in vielen Fällen auf 50 Euro pro Person und Bundesland beschränkt ist.Vgl. „Bezahlkarte für Geflüchtete. Wo gilt was bei der Bezahlkarte?“, 6. Februar 2025, https://mediendienst-integration.de/artikel/wo-gilt-was-bei-der-bezahlkarte.html, zuletzt aufgerufen am 02.09.2025. Die geringeren Geldleistungen in Verbindung mit der beschränkten Bargeldabhebung könnten dazu führen, dass junge Menschen nicht in vollem Umfang am sozialen Leben mit Gleichaltrigen, z. B. in Form von gemeinsamen Ausflügen oder anderen Unternehmungen, teilhaben können. In Bezug auf die beschränkte Verfügbarkeit von Bargeld, kann sich die Gestaltung von Freizeit für junge Menschen immer dann schwierig gestalten, wenn Kartenzahlung nicht möglich ist, etwa am Kiosk um Getränke oder Snacks zu kaufen, oder wenn die Bezahlkarte nicht akzeptiert wird. Junge Menschen könnten damit in ihrer Freizeitgestaltung eingeschränkt werden und soziale Kontakte zu Gleichaltrigen ggf. in geringerem Umfang pflegen. Zu bedenken ist dabei, dass insbesondere der Kontakt zu deutschsprachigen Jugendlichen ein wichtiger Schritt zur Integration und zum Spracherwerb sein kann und im Freizeitkontext von Bedeutung sein kann.
Mit dem geplanten Rechtskreiswechsel gehen für die Betroffenen zudem Veränderungen im Hinblick auf die Freibeträge bezüglich Vermögens und Einkommens einher. Während nach dem SGB II ein Vermögen von 15.000 Euro pro Person in einer BedarfsgemeinschaftVgl. § 12 Abs. 2 SGB II. zulässig ist, beläuft sich der entsprechende Betrag nach dem Asylbewerberleistungsgesetz lediglich auf 200 Euro (sog. Vermögensfreibeträge).Vgl. § 7 Abs. 5 AsylbLG. Hinsichtlich der Einkommensfreibeträge bestehen ebenfalls deutliche Unterschiede zwischen dem Rechtskreis des SGB II und dem AsylbLG. Im SGB II bleiben geringfügige Beschäftigungen bis 520 Euro monatlich grundsätzlich anrechnungsfrei, zudem gibt es gestaffelte Freibeträge, sodass ein Teil des Einkommens bei höheren Erwerbstätigkeiten nicht berücksichtigt wird.Vgl. DGB Bundesvorstand, „Das Bürgergeld: Unterstützung für erwerbsfähige und hilfsbedürftige Menschen“, 2025, https://www.dgb.de/service/ratgeber/buergergeld/#c7637, zuletzt aufgerufen am 20.08.2025. Ferienjobs von Schülerinnen und Schülern sind vollständig freigestellt.Vgl. § 11 a Abs. 7 SGB II. Demgegenüber sieht das Asylbewerberleistungsgesetz lediglich einen Freibetrag von 25 Prozent des erzielten Einkommens vor, begrenzt auf maximal die Hälfte des maßgeblichen Leistungsanspruchs.Vgl. § 7 Abs. 3 AsylbLG. Diese Regelung erfasst auch Einkünfte aus Taschengeld- oder Ferienjobs.Vgl. DGB Bundesvorstand, „Das Bürgergeld: Unterstützung für erwerbsfähige und hilfsbedürftige Menschen“, zuletzt aufgerufen am 20.08.2025. Insbesondere die Möglichkeit, sich durch Ferienjobs etwas hinzuzuverdienen, könnte jedoch für die persönliche Entwicklung junger Menschen und ihre Unabhängigkeit gegenüber den Eltern wichtig sein. Die geplanten Regelungen können dazu führen, dass die betroffenen jungen Menschen weniger motiviert sein könnten, Taschengeld- oder Ferienjobs aufzunehmen, als sie es im Rechtskreis des SGB II wären. Dies könnte dazu führen, dass sie verstärkte Armutserfahrungen machen, weil sie an ihrer unmittelbaren wirtschaftlichen Situation wenig ändern können. Insgesamt können die geplanten Regelungen dazu führen, dass junge Menschen deutlich weniger hinzuverdienen und dadurch weniger Geld zur Verfügung haben können. Dies kann beispielsweise auch dazu führen, dass für sie und ihre Familien keine Möglichkeit mehr besteht, Verwandte in der Ukraine oder in Deutschland zu besuchen, da das Vermögen ggf. nicht ausreicht, um eine solche Reise zu finanzieren.
Aufgrund der geplanten Neuregelung werden junge Menschen aus der Ukraine, die nach dem 01. April 2025 nach Deutschland geflüchtet sind, künftig nicht mehr durch die Jobcenter betreut. Für die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG wären stattdessen die örtlichen Sozialämter zuständig. Die Aufgabe der Jobcenter besteht darin, Leistungsbeziehende und -berechtigte bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Dazu gehört die individuelle Information, Beratung und Unterstützung, z. B. auch durch Sprachkurse und Weiterbildungsmaßnahmen, aber auch die Unterstützung beim Finden eines Kinderbetreuungsplatzes oder eines Praktikums.Vgl. BMBFSFJ, „Aufgaben der Agentur für Arbeit und des Jobcenters“, 2025, https://www.perspektiven-schaffen.de/ps-de/fuer-erwerbstaetige-und-wiedereinsteigende/beruflicher-wiedereinstieg/tipps-fuer-den-wiedereinstieg/aufgaben-der-agentur-fuer-arbeit-und-des-jobcenters-188324, zuletzt aufgerufen am 20.08.2025. Der geplante Rechtskreiswechsel könnte nunmehr dazu führen, dass junge Ukrainerinnen und Ukrainer weniger zielgerichtete Unterstützung erhalten, die ihnen beim Berufseinstieg helfen könnte. Langfristig könnte dies auch dazu führen, dass die aufgenommenen Tätigkeiten für die jungen Menschen seltener passgerecht sind und nicht dem Potenzial der jungen Menschen entsprechen.Vgl. dazu die Erfahrungen aus Dänemark, das eine Work-First-Policy in Bezug auf Schutzsuchende verfolgt: Jacob Nielsen Arendt, „Labor Market Effects of a Work-First Policy for Refugees“, Journal of Population Economics 35, Nr. 1 (2022): 169–96, https://doi.org/10.1007/s00148-020-00808-z, zuletzt aufgerufen am 20.08.20205. Dies kann insbesondere für junge Menschen zu einer langfristigen Dequalifizierung führen, wenn frühzeitig eine Erwerbsbiografie mit zu gering qualifizierten Tätigkeiten eingeschlagen wird, die ihnen keine Weiterentwicklung ermöglicht.Vgl. Gerlinde Titelbach, Marcel Fink, und Stefan Vogtenhuber, „Dequalifizierung am Wiener Arbeitsmarkt. Studie im Auftrag der Stadt Wien, MA 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik, des AMS Wien – Arbeitsmarktservice Wien und des waff – Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds“ (Institut für Höhere Studien - Institute for Advanced Studies (IHS), 2021). Dadurch kann es für die betroffenen jungen Ukrainerinnen und Ukrainer schwieriger sein, beruflich Fuß zu fassen und ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften. Insbesondere für junge Menschen kann Arbeitslosigkeit zu mehr Angst, Stress oder einer Verringerung der Selbstwirksamkeitseinschätzung führen.Vgl. H. Berth, P. Förster, und E. Brähler, „Gesundheitsfolgen von Arbeitslosigkeit und Arbeitssicherheit bei jungen Erwachsenen“, in Das Gesundheitswesen, 2003, 559. Die gegenüber dem SGB II geringeren Leistungen könnten ferner dazu führen, dass junge Menschen Druck empfinden, eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen, um materiell, sozial und gesellschaftlich bessere Lebensbedingungen zu erreichen.
Mit dem geplanten Rechtskreiswechsel würden die betroffenen jungen Menschen schließlich ihren Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung verlieren und hätten somit lediglich Zugang zu einer Basisversorgung. Diese wird u. a. von den UN als zu gering kritisiert.Vgl. United Nations. Economic and Social Council - Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Concluding observations on the sixth periodic report of Germany, E/C.12/DEU/CO/6 (2018); Vgl. Amand Führer, „Determinanten der Gesundheit und medizinischen Versorgung von Asylsuchenden in Deutschland“, Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 66, Nr. 10 (2023): 1083–91, https://doi.org/10.1007/s00103-023-03762-9, zuletzt aufgerufen am 20.08.2025. Zwar sollen bereits begonnene medizinische Behandlungen, die aufgrund eines Leistungsanspruchs nach SGB II und SGB XII gewährt wurden, im Einzelfall fortgeführt und beendet werden können. Jedoch ist davon auszugehen, dass dies nur einen kleinen Anteil der medizinischen Behandlungen junger Menschen betrifft. Denn für alle zukünftigen Leistungen, geht eine eingeschränkte gesundheitliche Versorgung einher, was für junge Menschen das Risiko bergen könnte, dass vor allem präventives Handeln unterbleibt und zum Beispiel psychische Erkrankungen nicht rechtzeitig erkannt oder behandelt werden könnten. Die Gesundheit junger Menschen ist maßgeblich für ihr weiteres Leben. Durch eine eingeschränkte gesundheitliche Versorgung kann für die betroffenen jungen Menschen eine verschlechterte gesundheitliche Ausgangslage erzeugt werden, die für den Rest ihres Lebens mit Folgekosten einhergehen kann. Hinzu kommt, dass die konkrete Ausgestaltung der Gesundheitsversorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz von Bundesland zu Bundesland und zum Teil auch von Kommune zu Kommune variiert. Während einige Bundesländer und Kommune eine Gesundheitskarte ausgeben, arbeiten andere mit von den Sozialämtern ausgestellten Krankenscheinen.Vgl. Führer, „Determinanten der Gesundheit und medizinischen Versorgung von Asylsuchenden in Deutschland“, 1085. Werden diese nicht pauschal, sondern nur im Einzelfall erteilt, hängt der Zugang zur gesundheitlichen Versorgung mitunter von der Einschätzung nicht-medizinischen Personals ab. Dies kann abschreckend wirken und dazu führen, dass notwendige Behandlungen unterbleiben.Vgl. Führer, 1086.