Ziel des Gesetzentwurfs
Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung beschränkter und unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der steuerberatenden Berufe wird das Ziel verfolgt, durch Neuregelung des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) die beschränkte geschäftsmäßige sowie die unentgeltliche Hilfeleistung in Steuersachen stringent neu zu ordnen. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung beschränkter und unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der steuerberatenden Berufe“, 4. April 2023, 1. Hierzu soll die abschließende Regelung der Personen und Vereinigungen aufgebrochen werden, die zu beschränkten Hilfeleistungen in Steuersachen berechtigt sind. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung beschränkter und unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der steuerberatenden Berufe“, 1; 29. Zusätzlich sollen auch die Möglichkeiten für unentgeltliche Hilfeleistungen in Steuersachen erweitert werden. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung beschränkter und unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der steuerberatenden Berufe“, 2; 29. Hierdurch soll beispielsweise sodann auch die Möglichkeit eröffnet werden, sogenannte „Tax Law Clinics“ an Universitäten gründen zu können. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung beschränkter und unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der steuerberatenden Berufe“, 29. Die für den Jugend-Check relevanten Änderungen sollen am 01. Januar 2024 in Kraft treten. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung beschränkter und unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der steuerberatenden Berufe“, 28.
Zusammenfassung möglicher Auswirkungen
Das Kompetenzzentrum Jugend-Check hat folgende mögliche Auswirkungen identifiziert:
- Die geplante Möglichkeit einer unentgeltlichen Beratung innerhalb des Familien- und Bekanntenkreises in Steuersachen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 StBerG), kann sich insbesondere für junge Menschen, die noch am Anfang ihres Berufsweges stehen und erste Steuererklärungen abgeben müssen oder wollen, als Hilfeleistung auswirken. Für sie kann dieses Beratungsangebot zu finanziellen Entlastungen führen und ein Schritt Richtung Verselbstständigung sein.
- Daneben kann sich die Möglichkeit der Gründung von Tax Law Clinics (§ 6 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StBerG) auf junge Jurastudierende auswirken. Durch die Gesetzesänderung besteht für sie die Option, bereits während ihres Studiums Praxiserfahrung zu gewinnen. Dies kann ihnen bei der Berufsorientierung helfen. Auch ratsuchende junge Menschen, insbesondere wenn diese nur wenig Geld zur Verfügung haben, kann durch die Gesetzesänderung ein unentgeltlicher Zugang zu steuerlicher Rechtsberatung eröffnet werden. Jedoch bedarf es für den Erfolg von Tax Law Clinics auch engagierter Hochschullehrerinnen und -lehrer, Studierender, finanzieller Ressourcen und einer zu jederzeit sichergestellten Qualität der Beratungsleistung.
- Die geplante Erweiterung der Möglichkeit zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen durch die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe (§ 4b Abs. 1 Nr. 4 Var. 2 StBerG) könnte sich auf junge Menschen auswirken, die bereits niedrigschwellige Angebote im Sozialraum nutzen oder kennen. Insbesondere sozial benachteiligten jungen Menschen könnte es künftig leichter fallen, sich die für sie notwendige Beratung zu suchen und in der Folge rechtskonforme Entscheidungen bzgl. ihrer Steuersachen zu treffen.
Betroffene Gruppen junger Menschen
Normadressatinnen und -adressaten sind in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe junge Menschen bis 27 Jahre, die Rechtswissenschaften studieren und im Rahmen ihres Studiums nunmehr praktische Einblicke durch die Teilnahme und Gründung von Tax Law Clinics erfahren möchten. Im Wintersemester 2021/22 haben 14.283 Personen in Deutschland das Studium der Rechtswissenschaften aufgenommen. Vgl. Statistisches Bundesamt (Destatis), „21311-0012: Studienanfänger: Deutschland, Semester, Nationalität, Geschlecht, Studienfach“, 2022, https://www-genesis.destatis.de/genesis//online?operation=table&code=21311-0012&bypass=true&levelindex=0&levelid=1684309290419#abreadcrumb (zuletzt aufgerufen am: 17.05.2023).
Daneben sind auch junge Menschen betroffen, die bereits ins Arbeitsleben eingestiegen sind und aufgrund ihres Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses eine Steuererklärung abgeben müssen oder wollen. Auch sind junge Menschen betroffen, die bezüglich anderer Steuerangelegenheiten Unterstützungs- oder Beratungsangebote in Anspruch nehmen wollen, entweder durch Familienmitglieder und Bekannte oder durch die Träger der freien Jugendhilfe.
Letztlich können auch junge Menschen betroffen sein, für die ein Vormund oder eine Pflegerin bzw. ein Pfleger bestellt ist und die sich von dieser Person auch in Steuerfragen beraten lassen wollen.
Jugendrelevante Auswirkungen
Ausweitung der unentgeltlichen Hilfeleistung in Steuersachen
§ 6 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StBerG
Durch die Gesetzesänderung soll das Verbot der unbefugten geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen entfallen, wenn die Hilfeleistung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG. Unentgeltliche Beratungen innerhalb des Familien- und Bekanntenkreises sollen nunmehr uneingeschränkt zulässig sein, vgl. § 6 Abs. 2 S. 1 StBerG. Bisher ist die unentgeltliche Hilfeleistung in Steuersachen nur gegenüber Angehörigen im Sinne des § 15 Abgabenordnung (AO) erlaubt. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung beschränkter und unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der steuerberatenden Berufe“,49.
Außerhalb dieses Kreises soll die geschäftsmäßige unentgeltliche Hilfeleistung in Steuersachen zulässig sein, wenn eine zur Steuerberatung berechtigte Person (z.B. Steuerberaterinnen und Steuerberater oder Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte) oder eine Person mit Befähigung zum Richteramt (insb. Volljuristinnen und Volljuristen, sowie Juraprofessorinnen und Juraprofessoren) Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung beschränkter und unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der steuerberatenden Berufe“,50. die Hilfeleistung durchführt oder anleitet, vgl. § 6 Abs. 2 StBerG. Künftig können durch diese Regelung sodann „Tax Law Clinics“ gegründet werden, innerhalb derer Studierende unter Anleitung einer Volljuristin oder eines Volljuristen unentgeltliche Hilfeleistung in Steuersachen anbieten können. Derzeit gibt es zwar schon eine Reihe anderer Law Clinics (z.B. Refugee Law Clinics), spezifische „Tax Law Clinics“ waren jedoch bisher untersagt.
Die unentgeltliche Beratung in Steuersachen innerhalb des erweiterten Familienkreises und nunmehr auch im Bekanntenkreis kann sich insbesondere für junge Menschen, die noch am Anfang ihres Berufsweges stehen und erste Steuererklärungen abgeben müssen oder wollen, als große Hilfeleistung auswirken. Sie sind zumeist noch nicht vertraut mit den entsprechenden bürokratischen Abläufen und Möglichkeiten der finanziellen Entlastung im Rahmen der Steuererklärung. Hier könnten erfahrene Personen aus dem Familien- und Bekanntenkreis wertvolle Hinweise geben und so ggf. finanzielle Vorteile, etwa durch mögliche Rückerstattungen nach Abgabe einer Steuererklärung, aufzeigen. Zudem können die Ratsuchenden auf diesem Wege Kosten umgehen, die sie für eine anderweitige Steuerberatung ansonsten aufbringen müssten. Eventuell stehen ihnen hierfür finanzielle Mittel gar nicht erst zur Verfügung, somit würde ihnen der Zugang zur unentgeltlichen Steuerberatung vereinfacht. Die explizite Ausweitung der Beratenden über die Angehörigen hinaus auch auf den Bekanntenkreis kann sich insbesondere für junge Menschen auswirken, die sich bereits von ihrem Elternhaus losgelöst haben indem sie z.B. für die Ausbildung oder ihre Erwerbsarbeit weiter weggezogen sind. Für sie kann künftig die Möglichkeit Hilfe durch Bekannte in Anspruch zu nehmen ein Schritt Richtung Verselbständigung sein.
Daneben kann sich die Möglichkeit der Gründung von Tax Law Clinics auf junge Studierende, die sich für das Steuerrecht interessieren, auswirken. Durch die Gesetzesänderung besteht für sie die Option sich bereits während ihres Studiums praxisnah mit dem Themengebiet des Steuerrechts auseinanderzusetzen, da sie konkrete Steuerberatungsfälle übernehmen können und z.B. durch eine Volljuristin oder einen Volljuristen unterstützt werden. Die gewonnene Praxiserfahrung kann ihnen bei der Berufsorientierung helfen und einen ersten Einblick in die Arbeit einer Steuerberaterin oder eines Steuerberaters bzw. einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts gewähren. Die Verknüpfung von theoretischem Wissen und praktischer Anwendung, die im Jurastudium oftmals fehlt, kann durch die Bearbeitung echter Fälle und dem Gefühl „etwas bewirken“ zu können für die Studierenden besonders motivierend sein. Janina Gieseking, „Clinical Legal Education: Die Refugee Law Clinic ander Justus-Liebig-Universität Gießen“, ZDRW Zeitschrift für Didaktik der Rechtswissenschaft 3 (2014): 249. Gleichzeitig können sich die Leistungen der Tax Law Clinics auch auf ratsuchende junge Menschen auswirken, insbesondere wenn diese nur wenig Geld zur Verfügung haben. Ihnen kann hierdurch der unentgeltliche Zugang zu steuerlicher Rechtsberatung eröffnet werden. Für die erfolgreiche Umsetzung von Tax Law Clinics bedarf es jedoch neben interessierten Studierenden und engagierten Hochschullehrerinnen und -lehrern auch der Bereitstellung finanzieller und personeller Ressourcen Vgl. Gieseking, 249 f., damit interessierten Studierenden die Möglichkeit eines realistischen Einblicks in die Praxis eröffnet werden kann. Zudem muss die Qualität der Beratung zu jeder Zeit sichergestellt sein – was sowohl für die Ausbildung der Studierenden von Bedeutung ist als auch für junge Ratsuchende, die sich auf die Angaben verlassen und entsprechend handeln.
Ausweitung der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen
§§ 4a Abs. 2; 4b Abs. 1 Nr. 1 Var. 1, Nr. 4 Var. 2 StBerG
Der Gesetzentwurf sieht des Weiteren vor, dass die nach § 75 des Achten Sozialgesetzbuchs (SGB VIII) anerkannten Träger der freien Jugendhilfe im Rahmen ihres Aufgaben- und Zuständigkeitsbereiches zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt sein sollen, vgl. § 4b Abs. 1 Nr. 4 Var. 2 StBerG. Für die Beratung müssen sie sicherstellen entsprechend qualifiziertes oder kompetent angeleitetes Personal, sowie die sachlichen und finanziellen Mittel bereitzustellen, vgl. §§ 4a Abs. 2; 4b Abs. 1 Nr. 4 StBerG.
Zudem sollen in Zukunft gerichtlich bestellte Personen, insb. Vormünder sowie Pflegerinnen und Pfleger, ebenfalls im Rahmen ihres Aufgaben- und Zuständigkeitsbereiches geschäftsmäßige steuerliche Hilfe anbieten können, vgl. § 4b Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StBerG. Die Ausstattungspflicht nach § 4a Abs. 2 StBerG soll für sie nicht gelten.
Die Möglichkeit einer künftigen Hilfeleistung in Steuersachen z.B. auch von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe kann jungen Menschen den Zugang zu diesen Unterstützungs- bzw. Beratungsangeboten vereinfachen. Künftig könnten damit beispielsweise sozialraumorientierte Angebote etwa im Rahmen der Familienhilfe (§ 16 SGB VIII) um die Beratung in Steuersachen erweitert werden. Sind junge Menschen bereits mit den Angeboten der freien Jugendhilfe in ihrer Umgebung vertraut und kennen ggf. dort geeignete Ansprechpersonen, könnte es ihnen leichter fallen, sich die für sie notwendige Beratung zu suchen und in der Folge rechtskonforme Entscheidungen bzgl. ihrer Steuersachen zu treffen. Gerade für sozial benachteiligte junge Menschen sind solche niedrigschwelligen Beratungsangebote wichtig, da sie im Gegensatz zu anderen Gruppen wahrscheinlich weniger häufig auf Netzwerke im Familien- und Bekanntenkreis zurückgreifen können, um sich in Steuersachen beraten zu lassen. Dies gilt insbesondere auch für junge Menschen, in deren Herkunftsfamilie kein oder wenig Deutsch gesprochen wird oder deren Eltern nicht erwerbstätig sind und daher keine Steuererklärung abgeben müssen. Ihnen könnten durch die Beratung auch Möglichkeiten der finanziellen Entlastung aufgezeigt werden. Da es den Trägern der freien Jugendhilfe künftig nicht mehr verboten sein soll auch zu Steuersachen zu beraten, die sich im direkten Kontext anderweitiger Beratungen ergeben, Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung beschränkter und unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der steuerberatenden Berufe“, 44. könnte jungen Menschen umfassender geholfen werden, ohne dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in rechtliche Schwierigkeiten begeben.
Auch die künftige Möglichkeit von Vormündern, ihren Mündeln steuerliche Hilfe anbieten zu dürfen, könnte es den betroffenen Minderjährigen ermöglichen, gezielt und aus vertrauenswürdiger Quelle notwendige Beratungsleistungen zu erhalten. Hieraus könnten sie vielleicht auch finanzielle Vorteile ziehen, z.B. durch Rückerstattungen nach Abgabe einer Steuererklärung. Gleichzeitig müssen junge Menschen mit einem Vormund in der Regel für die Beratung durch diesen ein Entgelt zahlen. Im Gegensatz zu jungen Menschen, die z.B. in ihrer Herkunftsfamilie aufwachsen, ist davon auszugehen, dass auch sie weniger häufig auf Netzwerke im Bekannten- und Familienkreis für eine unentgeltliche Beratung zurückgreifen können und ihnen daher nur der Weg über eine entgeltliche Hilfeleistung offensteht. Die Möglichkeit einer unentgeltlichen Beratung durch den Vormund könnte betroffenen jungen Menschen zu Beginn ihres Berufslebens, z.B. in der Ausbildung, entgegenkommen und sie gegenüber anderen Gleichaltrigen weniger benachteiligen.
Anmerkungen und Hinweise
Hinsichtlich der Möglichkeit einer künftigen Hilfeleistung in Steuersachen z.B. auch von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe sei angemerkt, dass die Bereithaltung der notwendigen personellen, sachlichen und finanziellen Mittel erforderlich ist. Dies könnte aufgrund der Finanzierungsmöglichkeiten der Träger der freien Jugendhilfe schwierig werden. Die Regelung zu den notwendigen Mitteln, auf die Bezug genommen wird, richtet sich direkt an Berufs- und Interessenvereinigungen, wie Gewerkschaften. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung beschränkter und unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der steuerberatenden Berufe“, 40; 44. Anders als bei Trägern der freien Jugendhilfe, basiert die Finanzierung dieser Vereinigungen jedoch auf Mitgliedsbeiträgen.