Ziel des Gesetzentwurfs
Mit dem Änderungsgesetz zur Europäischen Bürgerinitiative – EBIGÄndG soll die Verordnung (EU) Nr. 2019/788 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die Europäische Bürgerinitiative in deutsches Recht umgesetzt werden. Mit der Verordnung sollen verschiedene Ziele erreicht werden, wie etwa die EBI als „Instrument bürgerschaftlicher Partizipation“ zu stärken. „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Europäischen Bürgerinitiative (Änderungsgesetz zur Europäischen Bürgerinitiative – EBIGÄndG)“, 10. März 2022, 1. In der Umsetzung in deutsches Recht soll dabei u.a. das Alter, ab dem man eine EBI unterstützen kann, von 18 auf 16 Jahre herabgesetzt werden. Das Gesetz soll am 01. Januar 2023 in Kraft treten, vgl. Art. 3 EBIGÄndG.
Zusammenfassung möglicher Auswirkungen
Das Kompetenzzentrum Jugend-Check hat folgende mögliche Auswirkungen identifiziert:
- Durch die Neureglung können junge Menschen bereits ab 16 Jahren, anstatt wie zuvor ab 18 Jahren, eine Europäische Bürgerinitiative unterstützen (§ 4 S. 1 Nr. 2 EBIG). Dies stärkt ihre Beteiligungsmöglichkeiten, da sie durch ihre Unterschrift unter eine EBI ihre Unterstützung für ein politisches Thema zum Ausdruck bringen und dazu beitragen können, dass Themen auf die politische Agenda der EU gesetzt werden.
- Europäische Bürgerinitiativen können grundsätzlich Themenbereiche betreffen, die für junge Menschen wichtig sind und bei denen sie mit der derzeitigen Politik unzufrieden sind. Daher ist es denkbar, dass junge Menschen ab 16 Jahren interessiert an solchen Initiativen sein können und die Neuregelung nutzen, um sich zukünftig an ähnlichen Europäischen Bürgerinitiativen zu beteiligen. Dadurch können junge Menschen früher in politische Entscheidungsprozesse einbezogen werden und aktiv am politischen Leben teilnehmen.
Betroffene Gruppen junger Menschen
Betroffene sind junge Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft Vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EBIG, die 16 und 17 Jahre alt sind und durch die Neuregelung nun erstmals eine EBI unterstützen können.
Jugendrelevante Auswirkungen
Stärkung der Beteiligungsmöglichkeiten
§ 4 S. 1 Nr. 2 EBIG
Die Verordnung zur Europäischen Bürgerinitiative ermöglicht es, das Mindestalter ab dem eine EBI unterstützt werden kann vom Wahlalter für das Europäische Parlament abzukoppeln und auf 16 Jahre zu setzen. Vgl. „EBIGÄndG“, 15. Dies soll mit dem EBIGÄndG auch im deutschen Recht umgesetzt werden. Künftig sollen auch in Deutschland junge Menschen ab 16 Jahren eine Europäische Bürgerinitiative unterstützen können, vgl. § 4 S. 1 Nr. 2 Gesetz zur Europäischen Bürgerinitiative (EBIG).
Durch die Neureglung können junge Menschen bereits ab 16 Jahren, anstatt wie zuvor ab 18 Jahren, eine Europäische Bürgerinitiative unterstützen. Dies stärkt ihre Beteiligungsmöglichkeiten, da sie durch ihre Unterschrift unter eine EBI ihre Unterstützung für ein politisches Thema zum Ausdruck bringen können und dazu beitragen können, dass Themen auf die politische Agenda der EU gesetzt werden. Europäische Bürgerinitiativen fordern die Europäische Kommission dazu auf, einen Rechtsakt in bestimmten Themenbereichen vorzulegen, für den die EU zuständig ist. Vgl. S. Seeger, „Bürgerinitiative, europäische“, in Das Europalexikon, hg. von Große Hüttmann /Wehling, 3. Auflage (Bonn, 2020). Die Neuregelung kann, wie vom Gesetzgeber dargelegt, dazu beitragen, junge Menschen ab 16 Jahren „früher in politische Entscheidungen und Prozesse einzubinden und es ihnen zu ermöglichen, aktiv am politischen Leben teilzunehmen“. „EBIGÄndG“, 15. Betrachtet man die Themen, die für Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren von politischer Bedeutung sind, sind dies u.a. globale Themen wie Klimawandel oder Krieg und Frieden, jedoch auch die ungenügende politische Teilhabe sowie Repräsentation ihrer Generation. Vgl. Marc Calmbach u. a., „Wie ticken Jugendliche? 2020 Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland“ (Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2020), 405, 410. Themen, mit denen Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren politisch unzufrieden sind und die auch in die Gesetzgebungskompetenz der EU fallen, sind die z.B. die Umwelt- und Klimapolitik, die Politik („Ausbeutung“) gegenüber dem globalen Süden oder z.B. im Jahr 2020 die Kritik an Art. 13 der EU-Urheberrechtsreform. Vgl. Marc Calmbach u. a., 413. Derzeit laufen Europäische Bürgerinitiativen z.B. zur Senkung der Mehrwertsteuer für umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen, Europäische Bürgerinitiative zu: „Green VAT – Grüne MwSt – eine grüne EU-MwSt zur Förderung umweltfreundlicher Produkte und Dienstleistungen“, https://europa.eu/citizens-initiative/initiatives/details/2021/000011_de, letzter Abruf am 14.03.2022. zur besseren Einhaltung von Umweltschutzmaßnahmen in der EU Europäische Bürgerinitiative zu: „Aufruf zum Handeln – Umweltschutz in allen Politikbereichen“, https://europa.eu/citizens-initiative/initiatives/details/2021/000010_de, letzter Abruf am 14.03.2022. oder einem EU-weiten Pfandsystem zum Recycling von Plastikflaschen. Europäische Bürgerinitiative zu: „ReturnthePlastics: Eine Bürgerinitiative zur Einführung eines EU-weiten Pfandsystems für das Recycling von Plastikflaschen“, https://europa.eu/citizens-initiative/initiatives/details/2021/000007_de, letzter Abruf am 14.03.2022. Da diese EBI grundsätzlich Themenbereiche betreffen, die für junge Menschen wichtig sind und bei denen sie mit der derzeitigen Politik unzufrieden sind, ist es denkbar, dass junge Menschen ab 16 Jahren interessiert an solchen Initiativen sein können und die Neuregelung nutzen, um sich zukünftig an ähnlichen Europäischen Bürgerinitiativen zu beteiligen. Die Neuregelung kann damit dazu beitragen, dass junge Menschen sich mit Themen, die ihnen wichtig sind, intensiver auseinandersetzen und erfahren, wie sie durch „frühzeitige Teilhabe“ „EBIGÄndG“, 15. auf politische Prozesse einwirken und Veränderungen anstoßen können. Dies kann auch dazu beitragen, dass Jugendliche sich mehr mit der Europäischen Union auseinandersetzen, die zwar häufig als vertrauenswürdig eingestuft wird, über die jedoch bei den 14- bis 17-Järhigen kaum etwas bekannt ist. Vgl. Marc Calmbach u. a., „Wie ticken Jugendliche? 2020 Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland“, 421.
Darüber hinaus können Unterstützungsbekundungen bei der Europäischen Bürgerinitiative digital abgegeben werden, was betroffenen jungen Menschen die Möglichkeit gibt, sich niedrigschwellig zu beteiligen. Die Unterstützung von Online-Petitionen ist vor allem in der jüngeren Generation beliebt Vgl. Dominik Hierlemann und Christian Huesmann, „Die Reform der Europäischen Bürgerinitiative: Nicht für die Jugend?“, Zukunft der Demokratie (Bertelsmann Stiftung, Mai 2018), 6, https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/181010_D_BST-Einwurf-5-2018-DEUTSCH.pdf, letzter Abruf am 14.03.2022., weshalb die Möglichkeit, eine EBI in digitaler Form zu unterstützen, grundsätzlich Formen politischer Beteiligung junger Menschen abdeckt und ihnen entgegenkommt.
Anmerkungen und Hinweise
Ob sich junge Menschen zwischen 16 und einschließlich 17 Jahren zukünftig an Europäischen Bürgerinitiativen beteiligen bleibt abzuwarten und könnte von verschiedenen Faktoren abhängen. Zum einen werden sie auch in Zukunft eine EBI nicht selbst organisieren können, da dies nach Art. 5 Abs. 2 S. 1 der EBI Verordnung Personen vorbehalten ist, die auch ein aktives Wahlrecht bei den Europawahlen haben. Vgl. „EBIGÄndG“, 15. Dadurch können sie zwar diese politischen Initiativen unterstützen, diese jedoch nicht selbst ins Lebens rufen. Zudem verpflichtet selbst eine erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative die Europäische Kommission nicht dazu, einen Rechtsakt vorzulegen, sondern lediglich sich mit diesem auseinanderzusetzen und zu begründen, wieso keine Maßnahmen erlassen werden. Vgl. Europäische Union, „Europäische Bürgerinitiative“, 2022, https://europa.eu/citizens-initiative/how-it-works_de, letzter Abruf am 14.03.2022. Selbst wenn Europäische Bürgerinitiativen – was sehr selten passiert – erfolgreich sind, haben sie bislang noch zu keinem eigenen Rechtsakt geführt. Vgl. Dominik Hierlemann und Christian Huesmann, „Die Reform der Europäischen Bürgerinitiative: Nicht für die Jugend?“, 2. Dies könnte das Interesse eine EBI zu unterstützen bei jungen Menschen reduzieren. Grundsätzlich liegt die Zustimmung zur EU in der Generation der 15- bis 24-Järhigen zwar bei 60 Prozent und damit deutlicher höher als bei den über 55-Jährigen, jedoch nehmen sie auch seltener an Wahlen zum Europäischen Parlament teil, was zeigt, dass eine Zustimmung nicht mit einer Teilhabe an politischen Prozessen einhergehen muss. Vgl. Dominik Hierlemann und Christian Huesmann, 5. Dieser Zusammenhang könnte sich auf die EBI übertragen, falls junge Menschen das Gefühl haben, dass diese keine Auswirkungen haben.