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Jugend-Check zum ReferentenentwurfRegierungsentwurf
13. Dez. 2023

Berufsbildungsvalidierungsgesetz

Entwurf eines Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetzes (BVaDiG) (Stand 12.12.2023) Entwurf eines Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetzes (BVaDiG) (Stand: 01.01.1970)

Ressort: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Ziel des Gesetzentwurfs

Mit dem Gesetzesvorhaben soll den strukturellen Herausforderungen, mit denen sich das duale Berufsausbildungssystem aktuell konfrontiert sieht, entgegengewirkt und weitere Teile der nationalen Weiterbildungsstrategie umgesetzt werden. Vgl. „Entwurf eines Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetzes (BVaDiG)“, 12. Dezember 2023, 2. Ziel ist es u.a., das duale Ausbildungssystems zu stärken und zu modernisieren, sowie für junge Menschen attraktiver zu gestalten. Vgl. „BVaDiG“, 27. Der Entwurf sieht dafür Maßnahmen bzw. Änderungen innerhalb des Berufsbildungsgesetzes (BBiB) und der Handwerksordnung (HwO) vor. Ein konkreter Gegenstand des Vorhabens soll in der Einführung eines Feststellungsverfahrens bzw. einer „Validierung“ der individuell erworbenen beruflichen Handlungsfähigkeit, unabhängig des Abschlusses eines formalen Berufsausbildungsabschlusses, bestehen sowie in der Implementierung von mobilen und digitalen Arbeitsformen im Rahmen der dualen Berufsausbildung. Vgl. „BVaDiG“, 28, 29–30. Zudem sind Änderungen vorgesehen, die digitale Verwaltungsprozesse innerhalb der beruflichen Bildung erstarken lassen sollen. Vgl. „BVaDiG“, 1, 29.

Die geplanten Änderungen zur Einführung des Feststellungsverfahrens der Berufsvalidierung sollen zum 01.01.2025 in Kraft treten, die sonstigen geplanten Änderungen zum 01.08.2024, vgl. Art. 5 BVaDiG. Vgl. „BVaDiG“, 57.

Zusammenfassung möglicher Auswirkungen

Das Kompetenzzentrum Jugend-Check hat folgende mögliche Auswirkungen identifiziert:

  • Künftig soll ein Feststellungsverfahren zur Validierung der beruflichen individuellen Handlungsfähigkeiten, die unabhängig von einem formalen Berufsausbildungsabschluss durch praktische Tätigkeit erworben worden sind, eingeführt werden (§ 50b Abs. 1 BBiG, § 41b Abs. 1 HwO). Dies kann die beruflichen Chancen von jungen Menschen, die keine Berufsausbildung abgeschlossen haben oder als Quereinsteigende einer Erwerbstätigkeit nachgehen, verbessern, da es ihre Kompetenzen sichtbarer und auf dem Arbeitsmarkt besser verwertbar macht.
  • Die Möglichkeit der Validierung könnte jedoch auch zu Fehlanreizen führen, wenn sich junge Menschen dadurch gegen das Absolvieren einer dualen Ausbildung entscheiden. Dies könnte die beruflichen Chancen junger Menschen langfristig mindern.
  • Zudem soll eine Vermittlung der Ausbildungsinhalte durch digitales mobiles Arbeiten bzw. Ausbilden erfolgen können (§ 28 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 – 3 BBiG). Dies entspricht den Wünschen und Bedürfnissen vieler junger Menschen und kann somit die Attraktivität der dualen Ausbildung für sie steigern. Durch die Möglichkeit des digitalen mobilen Ausbildens können junge Auszubildende bereits während ihrer Ausbildung auf das spätere Berufsleben in der digitalisierten Arbeitswelt besser vorbereitet werden. Es gilt jedoch zu beachten, dass mit den vorgesehenen Regelungen nicht für alle dualen betrieblichen Ausbildungsberufe, wie zum Beispiel im Handwerk, die Attraktivität für junge Menschen im selben Maß gesteigert werden kann.

Betroffene Gruppen junger Menschen

Betroffene sind in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe junge Menschen bis 27 Jahren, die nicht mehr schulpflichtig sind und eine duale Berufsausbildung in Erwägung ziehen oder bereits absolvieren. Nach statistischen Angaben befanden sich Ende des Jahres 2022 rund 1.216.000 Personen in einer dualen Berufsausbildung. Dies entspricht einem Rückgang von drei Prozent im Vergleich zum vorherigen Jahr, wodurch sich der Trend langfristig sinkender Ausbildungszahlen fortsetzt. Vgl. Statistisches Bundesamt (Destatis), „Duale Berufsausbildung: Zahl neuer Ausbildungsverträge im Jahr 2022 leicht gestiegen“, 2023, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/08/PD23_333_212.html (zuletzt abgerufen am 04.12.2023). Im Jahr 2021 befanden sich 16,1 Prozent der 20- bis 24-Jährigen weder in einer Berufsausbildung noch verfügten sie über einen Berufsabschluss. Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, „Berufsbildungsbericht 2023“, 2023, 98, https://www.bmbf.de/SharedDocs/Downloads/de/2023/berufsbildungsbericht-2023-kabinettfassung.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt abgerufen am 06.12.2023).

Betroffen sind zudem in Deutschland lebende junge Menschen bis 27 Jahre, die keine duale Berufsausbildung absolvieren oder absolviert haben, jedoch in diesem Berufsfeld seit mehreren Jahren praktisch tätig sind und eine Tätigkeit ausführen, welche einen formellen Berufsbildungsabschluss vorsieht oder einer Erwerbstätigkeit nachgehen, die nicht ihrem erlernten Beruf entspricht (sogenannte Quereinsteigende).

Betroffen sind des Weiteren junge Menschen, die im Ausland eine Berufsausbildung absolviert haben, die in Deutschland nicht anerkannt wird.

Weitere Betroffene sind junge Menschen, die bereits eine Familie haben oder die Pflege von Angehörigen übernehmen und entsprechende Ansprüche an die Vereinbarkeit mit Familie und Beruf stellen.

Jugendrelevante Auswirkungen

Steigerung der beruflichen Chancen junger Menschen durch die Feststellung von erworbener individueller beruflicher Handlungsfähigkeit

§§ 1 Abs. 6; 30 Abs. 2 S. 2; 50b Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3; 50c Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3; 50d BBiG; §§ 22b Abs. 1 S. 1; 37 Abs. 3; 41b – 41e HWO

Der Gesetzentwurf sieht vor, berufliche individuelle Handlungsfähigkeiten, die unabhängig von einem formalen Berufsausbildungsabschluss durch praktische Tätigkeit erworben worden sind, in einem Feststellungsverfahren zu bescheinigen („Validierung“). Diese Validierung soll als gleichberechtigter Teil des beruflichen Bildungssystems des BBiG und der HwO implementiert werden, vgl. § 1 Abs. 6 BBiG. Vgl. „BVaDiG“, 36. Das Feststellungsverfahren zur Bescheinigung der individuellen beruflichen Handlungsfähigkeit soll als Antragsverfahren ausgestaltet werden. Eine Bescheinigung der individuellen beruflichen Handlungsfähigkeit soll dann erfolgen, wenn diese vollständig oder überwiegend den Fähigkeiten eines anerkannten Ausbildungsberufes (Referenzberuf) entspricht, vgl. § 50b Abs. 1 BBiG, § 41b Abs. 1 HwO. Einen Antrag auf Feststellung der individuellen beruflichen Handlungsfähigkeit soll stellen können, wer einen Wohnsitz in Deutschland hat und keine Berufsausbildung oder keinen Berufsabschluss in dem Referenzberuf erworben hat bzw. absolviert, in dem die antragstellende Person die berufliche Handlungsfähigkeit festgestellt haben möchte. Zusätzlich sollen Nachweise darüber erbracht werden müssen, dass die antragsstellende Person mindestens die 1,5-fache Zeit der Ausbildungsdauer des Referenzberufes die Tätigkeit des Referenzberufes ausgeübt hat und tatsächlich Tätigkeiten des Referenzberufes nachgegangen ist und entsprechende berufliche Handlungsfähigkeiten erworben hat, die denen des Referenzberufes entsprechen, vgl. § 50b Abs. 2 und Abs. 3. S. 1 BBiG, § 41b Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 HwO. Der Nachweis durch die antragsstellende Person alleine genügt jedoch nicht, zusätzlich soll ein entsprechendes Feststellungsverfahren von zwei Personen in einem Tandemmodell durchgeführt werden müssen, die berechtigt sind, Prüfungen im Referenzberuf abzunehmen. Die Feststellung, ob die beruflichen individuellen Handlungsfähigkeiten für den Referenzberuf vorliegen, soll anhand von geeigneten Instrumentarien erfolgen, beispielsweise mündlichen oder praktischen Aufgaben, vgl. § 50c Abs. 2 S. 1 und S. 2 BBiG, § 41c Abs. 2 S. 1 und S.2 HwO. Insbesondere soll auf schriftliche Aufgabenstellungen verzichtet werden, wenn die Feststellung der Fähigkeiten auch anders erfolgen kann. Es soll eine Unterscheidung zwischen der festgestellten überwiegenden Vergleichbarkeit und der vollständigen Vergleichbarkeit erfolgen und ein entsprechender Bescheid bzw. ein Zeugnis ausgestellt werden, vgl. § 50c Abs. 3 S. 1 und S. 2 BBiG, § 41c Abs. 3 S. 1 und S. 2 HwO. Die Bescheinigung der vollständigen Vergleichbarkeit der individuellen beruflichen Handlungsfähigkeit soll zudem zur Zulassung der Meisterprüfung im entsprechenden Referenzberuf berechtigen oder zu Absolvierung der verschiedenen Fortbildungsstufen der höherqualifizierenden Berufsbildung, vgl. §§ 53b Abs. 3 Nr. 2; 53c Abs. 3 Nr. 2 BBiG,§§ 42c, 51a Abs. 5 Nr. 2 HwO. Mit der Validierung der vollständigen Vergleichbarkeit der individuellen beruflichen Handlungsfähigkeit soll es darüber hinaus möglich sein, für die externe Abschlussprüfung des Referenzberufes zugelassen zu werden, vgl. § 45 Abs. 4 BBiG, § 37 Abs. 3 HwO.

Die in dem Gesetzentwurf geschaffene Möglichkeit zur Validierung erworbener Kompetenzen durch praktische Arbeit kann die beruflichen Chancen von jungen Menschen, die keine Berufsausbildung abgeschlossen haben oder als Quereinsteigende einer Erwerbstätigkeit nachgehen, verbessern. Davon betroffen können junge Menschen sein, die formal gering qualifiziert sind und keinen Berufsabschluss haben, denn sie sind besonders darauf angewiesen, Lerngelegenheiten zu nutzen, die sich ihnen außerhalb der Bildungseinrichtungen beispielsweise bei der Arbeitstätigkeit bieten. Vgl. Claudia Gaylor, Nicolas Schöpf, und Eckart Severing, „Wenn aus Kompetenzen berufliche Chancen werden: Wie europäische Nachbarn informelles und non-formales Lernen anerkennen und nutzen“ (Bertelsmann Stiftung, 2015), 13, https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/user_upload/LL_Wenn_aus_Kompetenzen_berufl._Chancen_werden_19.05.15.pdf (zuletzt abgerufen am 06.12.2023). Bisher fehlte es ihnen jedoch an Möglichkeiten, dieses erworbene Wissen verwertbar zu machen. Häufig sind sich zudem junge Menschen ohne Berufsabschluss ihrer Kompetenzen nicht ausreichend bewusst. Vgl. Andreas Oehme, „Stellungnahme zum Thema ‚Neue Wege in neue Berufe? – Chancen und Risiken neuer Bildungswege‘“ (Westdeutscher Handwerkskammertag, 2020), 6, https://www.whkt.de/fileadmin/user_upload/whkt/downloads/whkt-stellungnahmen-positionen/Stellungnahme-whkt_Enquete_Anh%C3%B6rung_final_13-01-2020_V2.pdf (zuletzt abgerufen am 06.12.2023). Das Verfahren der Validierung kann betroffenen junge Menschen einen Weg zurück in das formale Bildungssystem bieten, sodass sie im Anschluss ihren Erstausbildungsabschluss nachholen können oder an Aufstiegsfortbildungen, wie beispielsweise zur Fachwirtin/Fachwirt oder Meisterin/Meister, teilnehmen können. Vgl. Laura Müller-Werth u. a., „Evaluationsergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung des Projekts ‚Aufbau von Kompetenzzentren zur Durchführung von Validierungsverfahren für duale Berufe bei zuständigen Stellen‘ (ValiKom Transfer)“, Arbeitshefte zur berufs- und wirtschaftspädagogischen Forschung (Köln: Deutsches Handwerksinstitut, 2022), 72. Somit kann die Neuregelung zum beruflichen Aufstieg von Arbeitskräften mit atypischen Bildungswegen beitragen, was insbesondere auf das Leben junger Menschen, die noch mehrere Jahrzehnte erwerbstätig sein werden, einen entscheidenden Effekt haben kann.

Mit dem durch den Gesetzentwurf eingeführten Verfahren der Validierung können zudem die Kompetenzen von an- und ungelernten jungen Arbeitskräften sichtbarer und auf dem Arbeitsmarkt verwertbarer gemacht werden. So verlieren ungelernte Arbeitskräfte häufig in Phasen des konjunkturellen Abschwungs zuerst ihren Arbeitsplatz, Vgl. Oehme, „Stellungnahme zum Thema ‚Neue Wege in neue Berufe? – Chancen und Risiken neuer Bildungswege‘“, 9. was zu einer generell niedrigeren Arbeitsplatzsicherheit junger Menschen hinzukommt. Vgl. Europäische Kommission, „Beschäftigung von Jugendlichen“, 2023, https://ec.europa.eu/social/main.jsp?langId=de&catId=1036 (zuletzt abgerufen am 11.12.2023). Denn junge Beschäftigte haben häufig eine kürzere Betriebszugehörigkeit als ältere Beschäftigte oder sind häufiger befristet eingestellt. Vgl. Eric Seils, „Jugend & Befristete Beschäftigung: Eine Auswertung auf der Basis aktueller Daten des Mikrozensus“, Policy Brief (Düsseldorf: Wirtschafts – und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI), 2016), 2. Die Möglichkeit der Validierung könnte den jungen Betroffenen einen besseren Schutz vor Arbeitslosigkeit gewähren, da sie fortan ihre Kompetenzen mit einem Zeugnis bzw. Bescheid nachweisen können. Dadurch könnte sich die hohe Abhängigkeit von ihrem konkreten Arbeitsplatz, der ungelernte Arbeitnehmende oder Quereinsteigende häufig ausgesetzt sind, reduzieren. Denn die Validierung kann ihnen ermöglichen, ihren Arbeitgeber einfacher zu wechseln oder einen neuen Arbeitgeber zu finden. Insbesondere junge Menschen, die grundsätzlich eine höhere Bereitschaft als ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben, ihren Arbeitgeber zu wechseln, Vgl. Dennis Fischer, „Generation Z: Warum junge Menschen so häufig ihren Job wechseln“ (Münchner Merkur, 5. Mai 2023), https://www.merkur.de/wirtschaft/job-generationz-jobwechsel-arbeitgeber-arbeitsmarkt-92254870.html (zuletzt abgerufen am 07.12.2023). können somit von der durch die Feststellung ihrer beruflichen Kenntnisse gewonnenen Arbeitsplatzmobilität profitieren.

Zudem kann die Validierung die beruflichen Chancen zugewanderter Arbeits- und Fachkräfte, die berufliche Kompetenzen außerhalb des deutschen Berufsbildungssystem erworben haben und deren ausländischer Abschluss nicht anerkannt wird, stärken. Die niedrigschwellige Gestaltung des Verfahrens durch die Vermeidung schriftlicher Prüfungen oder den Einbezug bereits vorliegender Arbeitsergebnisse kann insbesondere für junge Menschen, die im formalen Bildungssystem Misserfolge bei Prüfungen, Vgl. Gaylor, Schöpf, und Severing, „Wenn aus Kompetenzen berufliche Chancen werden: Wie europäische Nachbarn informelles und non-formales Lernen anerkennen und nutzen“, 13. beispielsweise aufgrund mangelnder Sprachkompetenz, erlebt haben, die Teilhabe am Prozess der Validierung erleichtern.

Auch jungen Menschen, die sich beispielsweise aus finanziellen Gründen gegen eine Ausbildung entschieden haben, kann der Gesetzentwurf die Möglichkeit bieten, ihre erworbenen Kompetenzen nach der 1,5-fachen Ausbildungsdauer des Referenzberufs bescheinigen zu lassen. Unter anderem junge Menschen, die von ihrem Gehalt nicht nur sich selbst, sondern auch Familienangehörige finanzieren müssen, könnten sich aufgrund der geringeren Vergütung mitunter gegen das Absolvieren einer Ausbildung und für die direkte Aufnahme einer regulären Erwerbstätigkeit entscheiden. So verdienten im Jahr 2022 Auszubildende in Deutschland im Durchschnitt 1.057 Euro brutto im Monat, Vgl. Statistisches Bundesamt, „Auszubildende verdienten 2022 im Schnitt 1 057 Euro brutto im Monat“, 19. April 2023, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/04/PD23_N024_62_12.html (zuletzt abgerufen am 06.12.2023). seit dem 01.10.2022 verdienen Arbeitnehmende mit einer 40-Stunden-Woche mit Mindestlohn hingegen bereits 2.080 Euro brutto im Monat. Vgl. Deutscher Gewerkschaftsbund, „Mindestlohn“, 26. Juni 2023, https://www.dgb.de/schwerpunkt/mindestlohn (zuletzt abgerufen am 06.12.2023). Somit kann der Gesetzentwurf auch für diese Gruppe junger Menschen die Anerkennung und Berücksichtigung ihrer Qualifikation im weiteren beruflichen Werdegang ermöglichen. Gleichzeitig könnte durch die Möglichkeit der Validierung die Gefahr bestehen, Fehlanreize für junge Menschen zu schaffen. Diese könnten sich gegen das Absolvieren einer dualen Ausbildung entscheiden. Wenngleich die sofortige Arbeitsaufnahme aus finanziellen Gründen und in Kombination mit der Möglichkeit einer Validierung der dabei erworbenen Kompetenzen kurzfristig attraktiv erscheinen mag, kann eine duale Berufsausbildung für die beruflichen Chancen von jungen Menschen langfristig förderlicher sein.

Steigerung der Attraktivität der dualen Ausbildung durch die Etablierung des digitalen und mobilen Ausbildens sowie durch die Verbesserung weiterer Rahmenbedingungen der Ausbildung

§§ 8 Abs. 1 S. 2; 14 Abs. 1 Nr. 3; 15 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4; 28 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, 2 und 3 BBiG, §§ 22 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, 2 und 3; 27c Abs. 1 S. 2 HwO, §§ 9 Abs. 2 Nr. 3; 10 Abs. 2 Nr. 1 JArbSchG

Künftig soll eine Vermittlung der Ausbildungsinhalte auch durch digitales mobiles Arbeiten bzw. Ausbilden unter Einsatz von Informationstechnik, also beispielsweise via Computer oder Tablet, möglich sein, soweit damit keine Qualitätsminderung einhergeht und die Ausbildungsinhalte sich entsprechend für ein mobiles und digitales Ausbilden eignen, vgl. § 28 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 – 3 BBiG. Die hierfür notwendige technische Ausstattung soll den Auszubildenden für die Ausbildung durch den Ausbildungsbetrieb zur Verfügung gestellt werden, vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 3 BBiG. Vgl. „BVaDiG“, 39. Die Regelung zum mobilen Ausbilden soll für betriebliche Ausbildungen nach dem BBiG sowie nach der HwO gelten, vgl. §22 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 – 3 HwO. Vgl. „BVaDiG“, 39–41.

Zudem sollen eine Reihe an Einzeländerungen zu einer höheren Attraktivität und Gewährleistung digitaler Prozesse der betrieblichen Ausbildung nach der BBiG und HwO beitragen. Beispielsweise soll die Regelung zur Verkürzung der Ausbildungsdauer künftig um die Regelvermutung für eine Verkürzung einer Teilzeitberufsausbildung auf die Vollzeitausbildungsdauer ergänzt werden, vgl. § 8 Abs. 1 S. 2 BBiG, § 27c Abs. 1 S. 2 HwO. Vgl. „BVaDiG“, 37, 38. Damit wäre dem Antrag, eine Teilzeitberufsausbildung so zu verkürzen, dass sie im Zeitraum einer Vollzeitausbildung absolviert wird, grundsätzlich stattzugeben, außer es liegen konkrete Anhaltspunkte dagegen vor. Vgl. „BVaDiG“, 37, 38. Die Regelung soll allerdings nur für die Verkürzung einer Teilzeitberufsausbildung und nicht für sonstige Verkürzungsanträge gelten. Vgl. „BVaDiG“, 37, 38.

Eine weitere vorgesehen Änderung soll in der ausdrücklichen Aufnahme der Anrechnung der notwendigen Wegezeiten zwischen Berufsschule und Ausbildungsstätte und der notwenigen Wegezeiten zwischen Teilnahmeort und Ausbildungsstätte bei Ausbildungsveranstaltungen als Arbeitszeit bestehen, vgl. § 15 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 BBiG, §§ 9 Abs. 2 Nr. 3; 10 Abs. 2 Nr. 1 Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG). Die Geltung der Wegezeiten als Arbeitszeit soll der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprechen und sollen nunmehr auch ausdrücklich gesetzlich geregelt werden. Vgl. „BVaDiG“, 39, 40.

Die vorgesehene Möglichkeit des digitalen und mobilen Ausbildens, welches das mobile Arbeiten und Lernen im Ausbildungsbetrieb meint, kann für junge Menschen ein Attraktivitätsfaktor sein, sich für eine duale Berufsausbildung zu entscheiden. Vgl. „BVaDiG“, 30. Denn durch das digitale mobile Ausbilden kann ggf. besser auf die Wünsche junger Auszubildender hinsichtlich der Arbeitsgestaltung eingegangen werden. Nach dem Ende der Corona-Pandemie plädieren weit mehr als die Hälfte der Auszubildenden (ca. 64 Prozent) dafür, dass künftig Gesetze modifiziert werden sollen, damit ihnen auch fortan mobiles Arbeiten in der Ausbildung ermöglicht wird. Vgl. u-form Testsysteme, „Azubi Recruiting Trends 2021. Datenauswertung“, 2021, 27. Dieser Wunsch kann mithilfe der klarstellenden und flexiblen gesetzlichen Rahmenbedingungen zum mobilen Ausbilden erreicht werden, da z.B. Wegezeiten zum Büro wegfallen und die Auszubildenden dadurch etwas früher beginnen können zu arbeiten. Zudem können durch die Neuregelungen die individuellen Bedürfnisse der jungen Auszubildenden besser Berücksichtigung finden, da sie ggf. durch die Möglichkeit des mobilen Arbeitens ihr Arbeits- und Privatleben besser im Einklang bringen können. Dies kann insgesamt ihre Zufriedenheit in der Berufsausbildung steigern. Vgl. Philipp Grunau, Susanne Steffens, und Stephanie Wolter, „Mobiles Arbeiten von zu Hause“, 2021, 23, https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/77166/ssoar-2021-grunau_et_al-Mobiles_Arbeiten_von_zu_Hause.pdf?sequence=1&isAllowed=y&lnkname=ssoar-2021-grunau_et_al-Mobiles_Arbeiten_von_zu_Hause.pdf (zuletzt abgerufen am 11.12.2023). Darüber hinaus können durch die Option des mobilen Lernens und Ausbildens junge Auszubildende bereits während ihrer Ausbildung auf das spätere Berufsleben, welches sich überwiegend aufgrund einer zunehmenden digitalisierten Arbeitswelt durch mobiles Arbeiten auszeichnet, vorbereitet werden. Vgl. „BVaDiG“, 29, 30. Allerdings ist zu beachten, dass mit den vorgesehenen Regelungen nicht die Attraktivität für alle dualen betrieblichen Ausbildungsberufe im selben Maß gesteigert werden kann. Denn die Voraussetzungen zur Möglichkeit des mobilen Arbeitens divergieren erheblich zwischen den verschiedenen Ausbildungsberufen. So ist beispielsweise das duale Ausbilden in kaufmännischen dualen Berufsausbildungen einfacher umsetzbar als für duale Berufsausbildungen im Handwerk.

Die weitere Optimierung der Möglichkeiten einer Teilzeitberufsausbildung kann dazu beitragen, dass junge Auszubildende, wenn sie beispielsweise Angehörige pflegen oder andere Care-Aufgaben übernehmen müssen, Familie und Beruf besser vereinbaren können. Zudem könnten durch die Möglichkeit der Verkürzung der Ausbildungsdauer bei der Teilzeitberufsausbildung die Beteiligungsmöglichkeiten am Erwerbsleben für junge Auszubildende mit familiären Verpflichtungen erleichtert werden. Die Neuregelung könnte demzufolge den unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten der Auszubildenden besser gerecht werden und zugleich die duale Berufsausbildung für die Betroffenen attraktiver machen.

Darüber hinaus können junge Auszubildende künftig vor wöchentlicher unbezahlter Mehrarbeit geschützt werden, da die Wegezeiten zwischen Berufsschule und Ausbildungsstätte sowie zwischen Teilnahmeort und Ausbildungsstätte angerechnet werden sollen. Bislang ist die Anrechnung der Wegezeiten zwischen Schule und Ausbildungsbetrieb gesetzlich nicht festgeschrieben, Vgl. § 15 Abs. 1 BBiG was zur Folge haben kann, dass Auszubildende nach der Beendigung des Berufsschultages mehr Stunden arbeiten als ihr tatsächliches Arbeitszeitkontingent aufweist. Durch die fortan gesetzlich festgelegte Anrechnung der Wegezeiten auf die Ausbildungszeit haben junge Auszubildende Rechtsicherheit, dass diese Zeit als Ausbildungszeit vonseiten des Arbeitgebers angerecht werden muss und sie die vorgesehene festgeschriebene wöchentliche Höchstarbeitszeit nicht überschreiten. Sie werden somit davor bewahrt, ihre Freizeit für diese Wegezeiten aufwenden zu müssen, was zur Stärkung der Attraktivität der dualen Ausbildung beitragen kann.

Anmerkungen und Hinweise

Die Durchführung des Feststellungsverfahrens muss im Einzelnen noch durch Verordnung geregelt werden. Deshalb ist noch nicht vollständig absehbar, wie die Validierung sich in der Praxis tatsächlich auswirken kann, vgl. § 50e BBiG. Insbesondere von der Notwendigkeit und der Höhe der finanziellen Beteiligung der Kandidatinnen und Kandidaten am Validierungsprozesses hängt ab, inwiefern dieser auch für junge Menschen mit geringen finanziellen Ressourcen zugänglich ist. Vgl. Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung, „Europäische Leitlinien für die Validierung nicht formalen und informellen Lernens“ (Luxemburg, 2009), 41.

Quellen

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