Ziel des Gesetzentwurfs
Mit dem Bürgergeld-Gesetz und den dazugehörigen Änderungen sollen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, um Menschen im Leistungsbezug finanziell abzusichern und bei der (Wieder-)Aufnahme von Erwerbsarbeit zu unterstützen. Insbesondere soll es ihnen ermöglicht werden, sich stärker auf die „Qualifizierung, Weiterbildung und Arbeitssuche“ „Entwurf eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz)“, 9. August 2022, 1. zu konzentrieren. In diesem Sinne soll das Bürgergeld das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld ablösen. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 2. Das Bürgergeld-Gesetz soll schrittweise in der Zeit vom 1. Januar 2023 bis 1. Januar 2027 in Kraft treten, vgl. Art. 11 Abs. 1 Bürgergeld-Gesetz.
Zusammenfassung möglicher Auswirkungen
Das Kompetenzzentrum Jugend-Check hat folgende mögliche Auswirkungen identifiziert:
- Bei der Bestimmung der Leistungshöhe des Bürgergeldes sollen im Vergleich zur bisherigen Rechtslage für junge Menschen künftig – zum einen – weniger Einnahmen als Einkommen berücksichtigt werden (§§ 11a Abs. 7 SGB II; 82 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 S. 1-3 SGB XII; 25d Abs. 1 S. 2 Nr. 5 BVG) und – zum anderen – die Absetzbeträge erhöht werden (§§ 11b Abs. 2b, Abs. 3 S. 4 SGB II; § 82 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 S. 4 SGB XII). Dadurch könnten junge Menschen, die neben Schule, Studium oder Ausbildung einer Nebentätigkeit nachgehen, mehr Geld selbstbestimmt zur Verfügung haben. Das könnte möglicherweise einige Folgen von Armutserfahrungen, wie verringerte Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe, abmildern.
- Durch das Bürgergeld sollen – mit Ablauf des Sanktionsmoratoriums – weiterhin Sanktionen bei Pflichtverletzungen in Form von Leistungsminderungen verhängt werden können; diese sollen zukünftig jedoch für alle Altersgruppen gleich und auf 30 Prozent begrenzt sein (§ 31a Abs. 1, 2, 4 SGB II). Durch die Abschaffung der Ungleichbehandlung der unter 25-Jährigen gegenüber älteren Personen, könnte deren Vertrauen in die staatliche Absicherung gestärkt werden. Das Verhängen von Sanktionen könnte jedoch weiterhin eine Unsicherheit für junge Menschen und Hürde bei der Verselbstständigung darstellen und zudem zu psychischen Belastungen durch finanzielle Engpässe führen.
- Durch die Einführung eines Beratungsangebots für junge Menschen bei Feststellung einer Leistungsminderung (§ 31a Abs. 6 SGB II), könnte der Berufseinstieg trotz Sanktion allerdings erleichtert werden. Dafür muss jedoch ausreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung stehen.
- Letztlich lässt die noch unbestimmte Höhe der monatlichen Regelsätze des Bürgergeldes offen, inwieweit die Einführung des Bürgergeldes für Kinder und Jugendliche aus den betroffenen Haushalten auch indirekt eine spürbare Entlastung darstellen kann.
Betroffene Gruppen junger Menschen
Betroffene sind in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe junge Menschen bis 27 Jahre, die zukünftig Bürgergeld beziehen werden. Das können nach § 7 Abs. 1 SGB II junge Menschen ab 15 Jahren sein, welche die Anspruchsvoraussetzungen Vgl. §§ 7-13 SGB II erfüllen. Insbesondere betroffen sind leistungsbeziehende Schülerinnen und Schüler allgemein- oder berufsbildender Schulen im Alter bis zu 25 Jahren, die einer Nebentätigkeit nachgehen (wollen). Darüber hinaus sind zukünftig Bürgergeld beziehende junge Menschen bis 27 Jahre betroffen, die sich in einer förderungsfähigen Ausbildung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) oder § 57 Abs. 1 SGB III befinden. Mittelbar sind auch die Kinder in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe ab 12 Jahren betroffen, deren Eltern künftig Bürgergeld beziehen.
Im April 2022 waren rund 17 Prozent der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten unter 25 Jahre alt. Vgl. Statistik der Bundesagentur für Arbeit, „Bedarfsgemeinschaften und deren Mitglieder (Monatszahlen)“ (Nürnberg, April 2022) (Tabelle 2.1: Ausgewählte Eckdaten zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Eigene Berechnung). Sieht man sich zudem auch die indirekt betroffenen jungen Menschen an, zeigt sich folgendes Bild: 41 Prozent der in Bedarfsgemeinschaften lebenden Personen war unter 25 Jahre alt. Vgl. Statistik der Bundesagentur für Arbeit (Tabelle 2.1: Ausgewählte Eckdaten zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Eigene Berechnung). Insbesondere Kinder und Jugendliche in alleinerziehenden Familien sowie in Familien mit drei oder mehr Kindern sind einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt: Während es bezogen auf alle Haushalte 8,4 Prozent Bedarfsgemeinschaften gibt, sind es bezogen auf Alleinerziehende bereits 34,4 Prozent. Mit steigender Kinderzahl wird deutlich: Die SGB II-Hilfequote für Alleinerziehende mit drei oder mehr Kindern liegt bei 66,9 Prozent; für Paarfamilien mit drei und mehr Kindern bei 19,1 Prozent. Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Statistik, „Grundsicherung für Arbeitsuchende in Zahlen“, Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt (Nürnberg, 2020), 7.
Jugendrelevante Auswirkungen
Finanzielle Entlastung durch Nichtberücksichtigung von Einnahmen, Erhöhung der Absetzbeträge und Einführung eines Bürgergeldbonus
§§ 11a Abs. 7; 11b Abs. 2b, Abs. 3 S. 4; 16j Nr. 2, 3 SGB II; 82 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 S. 1-4 SGB XII; 25d Abs. 1 S. 2 Nr. 5 BVG
Im Rahmen der Einführung des Bürgergeldes sollen Einnahmen aus einer in den Schulferien ausgeübten Erwerbstätigkeit von Schülerinnen und Schülern, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, künftig nicht mehr als Einkommen bei der Prüfung der Anspruchsberechtigung auf Bürgergeld berücksichtigt werden, vgl. §§ 11a Abs. 7 SGB II; 82 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 S. 1-3 SGB XII; 25d Abs. 1 S. 2 Nr. 5 BVG.
Außerdem sollen die Absetzbeträge durch die Neuregelung für Einkommen von Erwerbstätigen erhöht werden, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und entweder leistungsberechtigte Schülerinnen oder Schüler allgemein- oder berufsbildender Schulen (außerhalb der Schulferien) sind oder Leistungsberechtigte, die sich in einer förderungsfähigen Ausbildung nach Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) oder § 57 Abs. 1 SGB III befinden, vgl. §§ 11b Abs. 2b, Abs. 3 S. 4 SGB II; 82 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 S. 4 SGB XII. Die Grundabsetzbeträge sollen auf 520 Euro angehoben werden und so an den Freibetrag bei BAföG Bezug angeglichen werden. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 75 f.
Zudem sollen auch junge Leistungsbeziehende, z.B. schwer zu erreichende junge Menschen, einen monatlichen Bürgergeldbonus in Höhe von 75 Euro erhalten, in der Zeit, zu der sie an von der Agentur für Arbeit vorgeschlagenen Maßnahmen teilnehmen, vgl. § 16j Nr. 2, 3 SGB II.
Die Freistellung der Berücksichtigung von Einkommen durch „Ferienjobs“ sowie die Erhöhung der Absetzbeträge für leistungsberechtigte und erwerbstätige Schülerinnen und Schüler, Studierende und Auszubildende könnten dazu führen, dass sie bei gleicher Arbeit monatlich mehr Geld im Bürgergeld-Bezug zur Verfügung haben können, als nach den aktuellen Regelungen bei Hartz IV-Bezug.
Mehr Geld für hilfebedürftige junge Menschen kann ihnen die Tür für mehr gesellschaftliche Teilhabe eröffnen: Kosten für Aktivitäten wie Kinobesuche oder mobilitätsbedingte Kosten wie Bahnfahrten könnten leichter aufgebracht werden. Dies kann das gesellschaftliche Zugehörigkeitsgefühl dieser jungen Menschen stärken, die im Vergleich zu Kindern aus Familien mit gesichertem Einkommen oftmals z.B. weniger mit Freundinnen und Freunden unternehmen und seltener Mitglied in Vereinen sind. Vgl. Bertelsmann Stiftung, „Factsheet Kinderarmut in Deutschland“ (Gütersloh, 2020), 5, https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/291_2020_BST_Facsheet_Kinderarmut_SGB-II_Daten__ID967.pdf (zuletzt aufgerufen am: 17.08.2022). Mehr Einnahmen bei gleicher Arbeit könnten jungen Betroffenen zudem den zeitlichen und materiellen Rahmen eröffnen, sich konzentrierter ihren Bildungszielen zu widmen. Hinsichtlich der Freistellung der Berücksichtigung von Einkommen durch „Ferienjobs“ sei jedoch aufgezeigt, dass dies nur selten zu nennenswerten Mehreinnahmen führen wird: Schon der aktuelle Höchstbetrag, den junge Menschen mit Hartz IV-Bezug in den Ferien dazuverdienen dürfen, wird „in der Regel nicht erreicht“. „Bürgergeld-Gesetz“, 75.
Zudem könnte die Erfahrung selbstbestimmter Verfügung über selbst erarbeitetes Geld nachhaltig ein Erfolgserlebnis darstellen. Höhere Absetzbeträge können in diesem Sinne einen Anreiz zur Aufnahme bzw. Beibehaltung von Erwerbsarbeit für junge Menschen darstellen. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 75 f.
Auch die Einführung des Bürgergeldbonus kann für junge Menschen finanzielle Anreize setzen, Bildungsangebote wahrzunehmen. Da es sich hierbei u.a. um die Förderung von berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen oder Einstiegsqualifizierungen handelt, Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 88. könnten insbesondere für diese Altersgruppe mehr finanzielle Spielräume erwartet werden. Der Bonus zur Teilnahme an Maßnahmen zur Förderung schwer zu erreichender junger Menschen könnte ihnen einen Anreiz bieten, sozialpädagogische Angebote zu Ende zu führen und somit Wege aus der Arbeitslosigkeit heraus aufgezeigt zu bekommen. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 88.
Mögliche Be- und Entlastungen als Folgen von Sanktionen
§ 31a Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 4, 6 SGB II
Durch die Neuregelung soll die bisherige höhere Leistungsminderung bei Pflichtverletzungen von jungen Menschen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, aufgehoben werden. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 52 f. Nach der Neuregelung des § 31a Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 4 SGB II soll die Leistungsminderung sowohl bei einmaligen als auch wiederholten Pflichtverletzungen – unabhängig vom Alter der leistungsberechtigten Person – zukünftig auf 30 Prozent begrenzt sein. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 95.
Stattdessen sollen junge Menschen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, innerhalb von vier Wochen nachdem eine Pflichtverletzung festgestellt wurde und eine Leistungsminderung erfolgte, ein Beratungsangebot durch das Jobcenter erhalten, vgl. § 31a Abs. 6 SGB II.
Die Neuregelung sieht hinsichtlich der Sanktionierung von Pflichtverletzungen – im Vergleich zur Rechtslage mit Hartz IV – die Abschaffung der Ungleichbehandlung der unter 25-Jährigen gegenüber älteren Personen vor.
Damit wird eine jungen Menschen gegenüber diskriminierende Regelung abgeschafft. Insbesondere mit Blick auf die dynamische Lebensphase Jugend, die im Vergleich zu anderen Altersgruppen stärker von Entwicklungen, wie der Verselbstständigung, und Umbrüchen gekennzeichnet ist, kann die Entschärfung und Angleichung der Sanktionen auch dazu beitragen, das Vertrauen junger Menschen in die staatliche Absicherung zu stärken. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 95. Dies ist auch vor dem Hintergrund wichtig, dass junge Menschen unter 25 Jahren häufiger für Pflichtverletzungen sanktioniert werden als ältere Menschen und sie damit stärker von den bisherigen Sanktionen betroffen waren. Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Hrsg., „Sanktionen (Zeitreihe Monats- und Jahreszahlen ab 2007)“, März 2022, Tabelle 4.
Vertrauen könnte insbesondere auch durch das Beratungsangebot für unter 25-Jährige gestärkt werden, welches dazu beitragen kann, dass der Kontakt zwischen der zuständigen Behörde und den betroffenen jungen Menschen nicht verloren geht und ihnen im besten Fall Wege aufgezeigt werden können, wie sie ihre berufliche Situation verbessern können. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 95. Sofern erfahrene Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner gezielt auf die Problemlagen und Bedürfnisse der jungen Menschen eingehen, könnten durch den Kontakt ggf. erneute Sanktionierungen vermieden werden und so ein Berufseinstieg ermöglicht werden. Dafür ist es jedoch wichtig, dass für die Betreuung junger Menschen auch ausreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Siehe hierzu auch: Kerstin Bruckmeier u. a., „Zur Arbeitsförderung und Beratungsqualität in den Jobcentern: Stellungnahme des IAB zur öffentlichen Anhörung im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales am 4. Mai 2020“, IAB-Stellungnahme (Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), 2020), 21 f.; Vgl. Christian Philipp Nixdorf, „Systemische Beratung im Jobcenter: Gut gedacht ist ungleich gut gemacht“ (Hannover, 2019), 21 f., https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/67483 (zuletzt aufgerufen am: 17.08.2022).
Nichtsdestotrotz kann die Wiederaufnahme der Sanktionen in Anschluss an das noch bis Ende 2022 geltende Sanktionsmoratorium Siehe hierzu für weitere Informationen auch der am 07.04.2022 veröffentlichte Jugend-Check zum Sanktionsmoratorium. https://www.jugend-check.de/alle-jugend-checks/sanktionsmoratorium/ insbesondere auch für junge Menschen diverse Konsequenzen haben. Sei es als direkt Betroffene, indem ihnen die Leistungen gekürzt werden, oder als mittelbar betroffene Kinder und Jugendliche eines Haushaltes im Bürgergeld-Bezug. Sanktionen gegenüber jungen Menschen, die sich bereits in schwierigen Lebenslagen befinden, können dazu führen, dass sie Jobs annehmen müssen, die durchschnittlich niedriger entlohnt werden, instabil sind und so nur der kurzfristigen Überbrückung der finanziellen Notlage dienen. Vgl. Markus Wolf, „Schneller ist nicht immer besser: Sanktionen können sich längerfristig auf die Beschäftigungsqualität auswirken“, Serie „Befunde aus der IAB-Grundsicherungsforschung 2017 bis 2020“ (IAB-Forum, 2021), 5, https://www.iab-forum.de/schneller-ist-nicht-immer-besser-sanktionen-koennen-sich-laengerfristig-auf-die-beschaeftigungsqualitaet-auswirken/ (zuletzt aufgerufen am: 17.08.2022). Gerade junge Menschen müssen jedoch dabei unterstützt werden, sich für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren, um langfristig ein Einkommen zu erzielen, welches sie unabhängig von staatlichen Leistungen macht. Von Sanktionen betroffene junge Menschen nehmen zudem häufiger Schulden auf und schränken soziale Kontakte ein. Vgl. Helmut Apel und Dietrich Engels, „Unabhängige wissenschaftliche Untersuchung zur Erforschung der Ursachen und Auswirkungen von Sanktionen nach § 31 SGB 11 und nach dem SGB 111 in NRW. Endbericht.“ (Köln: ISG Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH, 2013), 33 ff.; 56, https://www.isg-institut.de/download/ISG_Endbericht_2013_Sanktionen_NRW.pdf (zuletzt aufgerufen am: 17.08.2022). Auch seelische Probleme wie Angst oder Niedergeschlagenheit können mit dem Verhängen von Sanktionen verstärkt werden. Vgl. Apel und Engels, 26. Somit könnten durch Sanktionserfahrungen auch die Verselbstständigungprozesse junger Menschen beeinträchtigt werden.
Anmerkungen und Hinweise
Da die konkrete Höhe der monatlichen Regelsätze der Bürgergeldzahlungen derzeit noch nicht bekannt ist, ist es insbesondere in Zeiten diverser Krisen und steigender Inflation schwer zu beurteilen, ob der künftige Auszahlungsbetrag eine spürbare Entlastung für junge Betroffene mit sich bringen kann. Dies wird z.B. davon abhängen, ob die Grundlage zur Berechnung der Regelsätze verändert wird.
Aus diesem Grund ist aktuell auch nicht abschätzbar, inwiefern Kinder und Jugendliche, die in Haushalten mit Leistungsbezug aufwachsen, mittelbar von der Ablösung des Arbeitslosengeldes II und dem Sozialgeld durch das Bürgergeld ihrer Eltern profitieren könnten. Die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche werden ebenfalls mit der Einführung einer Kindergrundsicherung neu zu beurteilen sein, sofern Minderjährige damit aus dem System Grundsicherung herausgelöst werden.
Quellen
Ziel des Gesetzentwurfs
Mit dem Bürgergeld-Gesetz und den dazugehörigen Änderungen sollen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, um Menschen im Leistungsbezug finanziell abzusichern und bei der (Wieder-)Aufnahme von Erwerbsarbeit zu unterstützen. Insbesondere soll es ihnen ermöglicht werden, sich stärker auf die „Qualifizierung, Weiterbildung und die Arbeitsuche“ „Entwurf eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz)“, 14. September 2022, 2. zu konzentrieren. In diesem Sinne soll das Bürgergeld das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld ablösen. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 3. Das Bürgergeld-Gesetz soll schrittweise in der Zeit vom 1. Januar 2023 bis zum 1. August 2024 in Kraft treten, vgl. Art. 13 Bürgergeld-Gesetz.
Zusammenfassung möglicher Auswirkungen
Das Kompetenzzentrum Jugend-Check hat folgende mögliche Auswirkungen identifiziert:
- Mit der Einführung des Bürgergeldes sollen die Regelsätze im SGB II-Bezug neu definiert werden. Je nach Alter können diese dann z.B. 420 Euro (= 47 Euro mehr als aktuell) monatlich für Jugendliche von 14 bis 17 Jahren oder 502 Euro (= 53 Euro mehr als aktuell) für allein lebende junge Erwachsene betragen. Diese Erhöhung kann insbesondere angesichts der derzeit ansteigenden Lebenshaltungskosten zu einer materiellen Entlastung junger Menschen beitragen, die einen großen Teil der Leistungsbeziehenden ausmachen.
- Bei der Bestimmung der Leistungshöhe des Bürgergeldes sowie beim SGB XII-Bezug sollen für junge Menschen künftig – zum einen – weniger Einnahmen als Einkommen berücksichtigt werden (§ 11a Abs. 7 S. 1 SGB II; § 82 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 und 7 SGB XII) und – zum anderen – die Absetzbeträge erhöht werden (§ 11b Abs. 2b S. 1 SGB II). Dadurch könnten junge Menschen, die neben Schule, Studium oder Ausbildung einer Nebentätigkeit nachgehen, mehr Geld selbstbestimmt zur Verfügung haben. Das könnte möglicherweise einige Folgen von Armutserfahrungen, wie verringerte Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe, abmildern.
- Durch das Bürgergeld sollen – mit Ablauf des Sanktionsmoratoriums – weiterhin Sanktionen bei Pflichtverletzungen in Form von Leistungsminderungen verhängt werden können; diese sollen zukünftig jedoch für alle Altersgruppen gleich und auf 30 Prozent begrenzt sein (§ 31a Abs. 1, 4 SGB II). Durch die Abschaffung der Ungleichbehandlung der unter 25-Jährigen gegenüber älteren Personen, könnte deren Vertrauen in die staatliche Absicherung gestärkt werden. Das Verhängen von Sanktionen könnte jedoch weiterhin eine Unsicherheit für junge Menschen und Hürde bei der Verselbstständigung darstellen und zudem zu psychischen Belastungen durch finanzielle Engpässe führen.
- Durch die Einführung eines Beratungsangebots für junge Menschen bei Feststellung einer Leistungsminderung (§ 31a Abs. 6 SGB II), könnte der Berufseinstieg trotz Sanktion allerdings erleichtert werden. Dafür muss jedoch ausreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung stehen.
Betroffene Gruppen junger Menschen
Normadressatinnen und -adressaten in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe sind u. a. Schülerinnen und Schülern allgemein- oder berufsbildender Schulen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, einen Ferienjob ausüben und sich im Leistungsbezug nach SGB II oder aufgrund eines Elternteils im Leistungsbezug nach SGB XII befinden. Normadressatinnen und -adressaten sind auch erwerbstätige Leistungsberechtigte nach SGB II, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und z. B. eine nach dem BAföG dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung (z. B. ein Studium) durchführen.
Betroffene sind in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe junge Menschen bis 27 Jahre, die zukünftig Bürgergeld beziehen werden. Das können nach § 7 Abs. 1 SGB II junge Menschen ab 15 Jahren sein, welche die Anspruchsvoraussetzungen Vgl. §§ 7-13 SGB II. erfüllen. Mittelbar sind auch die Kinder in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe ab 12 Jahren betroffen, deren Eltern künftig Bürgergeld beziehen werden.
Im April 2022 waren rund 17 Prozent der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach SGB II unter 25 Jahre alt. Vgl. Statistik der Bundesagentur für Arbeit, „Bedarfsgemeinschaften und deren Mitglieder (Monatszahlen)“ (Nürnberg, April 2022) (Tabelle 2.1: Ausgewählte Eckdaten zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Eigene Berechnung). Sieht man sich zudem auch die indirekt betroffenen jungen Menschen an, zeigt sich folgendes Bild: 41 Prozent der in Bedarfsgemeinschaften lebenden Personen war unter 25 Jahre alt. Vgl. Statistik der Bundesagentur für Arbeit (Tabelle 2.1: Ausgewählte Eckdaten zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Eigene Berechnung). Insbesondere Kinder und Jugendliche in alleinerziehenden Familien sowie in Familien mit drei oder mehr Kindern sind einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt: Während es bezogen auf alle Haushalte 8,4 Prozent Bedarfsgemeinschaften gibt, sind es bezogen auf Alleinerziehende bereits 34,4 Prozent. Mit steigender Kinderzahl wird deutlich: Die SGB II-Hilfequote für Alleinerziehende mit drei oder mehr Kindern liegt bei 66,9 Prozent; für Paarfamilien mit drei und mehr Kindern bei 19,1 Prozent. Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Statistik, „Grundsicherung für Arbeitsuchende in Zahlen“, Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt (Nürnberg, 2020), 7.
Zudem sind junge Menschen betroffen sein, deren Eltern oder Erziehungsberechtigte für sie Kinderzuschlag erhalten können. Dies betraf im Dezember 2021 739.904 begünstigte junge Menschen, was etwa 4,4 Prozent der Kinder entspricht, die auch für den Erhalt von Kindergeld berechtigt sind. Vgl. Familienkasse Direktion – Fachbereich Führungsunterstützung (FB41), „Kindergeld / Kinderzuschlag. Jahreszahlen 2021“ (Nürnberg, o. J.), https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/202112/famka/famka-jz/famka-jz-d-0-202112-pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (eigene Berechnung. Siehe Tabellen 1.3.4 und 1.4: 16.689.757 Kinder bekamen im Dezember 2021 Kindergeld und 739.904 Kinderzuschlag; zuletzt aufgerufen am: 26.09.2022)
Jugendrelevante Auswirkungen
Mögliche finanzielle Entlastung durch Erhöhung der Regelsätze und Anpassung an Preisentwicklungen
§ 28a Abs. 1 bis 4 SGB XII; § 134 SGB XII i. V. m. Anlage zu § 28 SGB XII und § 34 SGB XII
Die Höhe der Regelbedarfsstufen in Jahren, für die keine gesetzliche Neuermittlung der Höhe der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII zu erfolgen hat, soll sich künftig nicht nur aus der Veränderungsrate des Mischindexes Dieser setzt sich zusammen aus einem Anteil von 70 Prozent, der sich aus der bundesdurchschnittlichen Preisentwicklung bei regelbedarfsrelevanten Gütern und Dienstleistungen ergibt und einem Anteil von 30 Prozent, der sich aus der Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je beschäftigten Arbeitnehmer ergibt, wobei jeweils die Veränderungsrate maßgeblich ist, die sich aus der Veränderung im Zwölfmonatszeitraum vom 1. Juli des Vorvorjahres bis zum 30. Juni des Vorjahres gegenüber dem davorliegenden Zwölfmonatszeitraums ergibt, vgl. § 28a Abs. 2 SGB XII geltendes Recht bzw. § 28a Abs. 3 SGB XII neue Rechtslage., sondern zusätzlich mittels einer sog. ergänzenden Fortschreibung ergeben, vgl. § 28a Abs. 1, 2, 4 SGB XII. Mit der Veränderungsrate der ergänzenden Fortschreibung soll auch die bundesdurchschnittliche Preisentwicklung für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen im zweiten Quartal des der Fortschreibung vorausgehenden Kalenderjahres gegenüber der im zweiten Quartal des Vorvorjahres berücksichtigt werden, vgl. § 28a Abs. 4 SGB XII. Die Erfahrungen mit dieser ergänzten Fortschreibungsregelung sollen im Rahmen der nächsten gesetzlichen Neuermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII, die turnusmäßig auf der Grundlage von Sonderauswertungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2023 erfolgen muss, ausgewertet werden, sodass auf dieser Grundlage über die langfristige Ausgestaltung einer ergänzenden Fortschreibung entschieden werden kann. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 127.
Entsprechend den genannten neuen Vorgaben sollen die Beträge der sechs Regelbedarfsstufen nach dem SGB XII für das Jahr 2023 festgesetzt werden, vgl. §§ 28a Abs. 2 S. 1, 134 Abs. 1 SGB XII i. V. m. der Anlage zu § 28 SGB XII. Damit sollen die einzelnen Regelsätze, die auch für Leistungsberechtigte im SGB II-Bezug gelten, Vgl. § 20 Abs. 1a SGB II geltendes Recht. erhöht werden. So erhöht sich beispielsweise der Regelsatz für Alleinstehende / Alleinerziehende Volljährige (Regelbedarfsstufe 1) von 449 auf 502 Euro und der Regelsatz für Jugendliche von 14 bis 17 Jahren (Regelbedarfsstufe 4) von 376 auf 420 Euro.
Außerdem sollen zum 1. Januar 2023 auch die Beträge zur Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf (eine der Leistungen für Bildung und Teilhabe) erhöht werden: Der Teilbetrag für das im Jahr 2023 beginnende erste Schulhalbjahr soll von derzeit 104 Euro auf 116 Euro und der Teilbetrag für das zweite Schulhalbjahr von 52 Euro auf 58 Euro angehoben werden, vgl. § 134 Abs. 2 SGB XII i. V. m. der Anlage zu § 34 SGB XII.
Die Erhöhung der Regelsätze, der Beträge zur Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf sowie die zunächst geplante stärkere Berücksichtigung der regelbedarfsrelevanten Preisentwicklung sind Schritte in Richtung materieller Entlastung für junge Menschen und ihre Familien. Die Erhöhungen können z. B. dazu beitragen, die aufgrund der Inflation gestiegenen und vermutlich weiter steigenden Lebenshaltungskosten etwas auszugleichen. Dies kann gerade für junge Menschen, die in Familien mit geringem Einkommen aufwachsen, relevant sein. Denn von den aktuellen Teuerungen in den Bereichen Lebensmittel, Haushaltsenergie und Kraftstoffe sind u. a. Familien mit geringem Einkommen überdurchschnittlich betroffen. Vgl. Sebastian Dullien und Silke Tober, „IMK Inflationsmonitor. Preisanstiege bei Haushaltsenergie und Nahrungsmitteln dominieren Inflationsunterschiede im Juli 2022“, Policy Brief Nr. 128 (Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung, August 2022), 4f. Gerade für Jugendliche, die sich auch persönlich oftmals in Umbruchphasen befinden, sind Zeiten von Arbeitslosigkeit, die von Krisen und Inflation begleitet sind, mit viel Unsicherheit für den beruflichen Weg behaftet. Somit ist es besonders wichtig, ein Instrument zu haben, das ohne größere Verzögerungen auf gestiegene Preise, wie etwa durch die aktuelle Inflation, reagieren kann und somit zumindest etwas Druck aus finanziellen Engpässen nehmen kann. Dies ist an dieser Stelle insbesondere vor dem Hintergrund relevant, da Kinde rund Jugendliche einen großen Anteil von Leistungsbeziehenden (direkt oder indirekt) ausmachen: So wurden im Berichtsmonat Mai 2022 607.770 unter 25-Jährige erwerbsfähige SGB-II-Leistungsberechtigte ausgewiesen; dies entspricht einem Anteil von 17 Prozent aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Statistik, „Grundsicherung“, 2022, https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Navigation/Statistiken/Interaktive-Statistiken/Grundsicherung/Grundsicherung-Nav.html#grusi_tab_anchor (Siehe Tabelle „ELB nach Altersklasse“: 3.515.840 erwerbsfähige Leistungsberechtigte insgesamt, eigene Berechnung; zuletzt aufgerufen am: 26.09.2022). Da jedoch die ergänzende Fortschreibung im Rahmen der nächsten gesetzlichen Neuermittlung der Regelbedarfe neu bewertet werden soll, kann sich die Einschätzung hinsichtlich ihrer entlastenden Wirkung noch einmal verändern.
Mögliche finanzielle Entlastung durch Nichtberücksichtigung von Einnahmen und Erhöhung der Absetzbeträge
§ 11a Abs. 7 S. 1 SGBII; § 11b Abs. 2b, Abs. 3 S. 2 Nr. 1,2 SGB II; § 82 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 und 7 SGB XII
Im Rahmen der Einführung des Bürgergeldes sollen Einnahmen aus einer in den Schulferien ausgeübten Erwerbstätigkeit von Schülerinnen und Schülern allgemein- oder berufsbildender Schulen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, künftig nicht mehr als Einkommen bei der Prüfung der Anspruchsberechtigung auf Bürgergeld sowie im SGB XII-Bezug berücksichtigt werden, vgl. § 11a Abs. 7 SGB II; § 82 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB XII.
Wird die Erwerbstätigkeit durch diese Schülerinnen und Schüler während der Schulzeit ausgeübt, soll im SGB XII-Bezug künftig ein Betrag von insgesamt 520 Euro monatlich nicht als Einkommen berücksichtigt werden, vgl. § 82 Abs. 1 S. 2 Nr. 7c) SGB XII. Dieser Betrag soll auch bei Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und z. B. eine nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) dem Grunde nach förderfähige Ausbildung (z. B. ein Studium) durchführen, nicht berücksichtigt werden, vgl. § 82 Abs. 1 S. 2 Nr. 7a) SGB XII.
Durch die Neuregelung zum Bürgergeld sollen außerdem die Absetzbeträge für Einkommen von Erwerbstätigen erhöht werden, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und z. B. eine nach dem BAföG dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung durchführen oder als Schülerinnen und Schüler allgemein- oder berufsbildender Schulen während der Schulzeit erwerbstätig sind, vgl. §§ 11b Abs. 2b S. 1 SGB II. Die Grundabsetzbeträge sollen auf 520 Euro angehoben werden und so an den Freibetrag bei BAföG Bezug angeglichen werden. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 87.
Außerdem sollen die Erwerbstätigenfreibeträge – unabhängig vom Alter – neu strukturiert werden. So soll bei erwerbstätigen Leistungsberechtigten nach SGB II von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen sein, der sich für den Teil des monatlichen Einkommens, der 100 Euro übersteigt und nicht mehr als 520 Euro beträgt, auf 20 Prozent und für den Teil, der 520 Euro übersteigt und nicht mehr als 1000 Euro beträgt, auf 30 Prozent beläuft, vgl. § 11b Abs. 3 S. 2 Nr. 1 und 2 SGB II. Mit dieser Neuregelung, insbesondere der Erhöhung des Freibetrags oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze auf 30 Prozent, soll ein Anreiz zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung geschaffen werden. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 88.
Die Freistellung der Berücksichtigung von Einkommen durch „Ferienjobs“ sowie die Erhöhung der Absetzbeträge für leistungsberechtigte und erwerbstätige Schülerinnen und Schüler, Studierende und Auszubildende könnten dazu führen, dass sie bei gleicher Arbeit monatlich mehr Geld im Bürgergeld- bzw. SGB XII-Bezug zur Verfügung haben können, als nach den aktuellen Regelungen bei Hartz IV-Bezug.
Mehr Geld für hilfebedürftige junge Menschen kann ihnen die Tür für mehr gesellschaftliche Teilhabe eröffnen: Kosten für Aktivitäten wie Kinobesuche oder mobilitätsbedingte Kosten wie Bahnfahrten könnten leichter aufgebracht werden. Dies kann das gesellschaftliche Zugehörigkeitsgefühl dieser jungen Menschen stärken, die im Vergleich zu Kindern aus Familien mit gesichertem Einkommen oftmals z.B. weniger mit Freundinnen und Freunden unternehmen und seltener Mitglied in Vereinen sind. Vgl. Bertelsmann Stiftung, „Factsheet Kinderarmut in Deutschland“ (Gütersloh, 2020), 5, https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/291_2020_BST_Facsheet_Kinderarmut_SGB-II_Daten__ID967.pdf (zuletzt aufgerufen am: 17.08.2022). Mehr Einnahmen bei gleicher Arbeit könnten jungen Betroffenen zudem den zeitlichen und materiellen Rahmen eröffnen, sich konzentrierter ihren Bildungszielen zu widmen. Hinsichtlich der Freistellung der Berücksichtigung von Einkommen durch „Ferienjobs“ sei jedoch aufgezeigt, dass dies nur selten zu nennenswerten Mehreinnahmen führen wird: Schon der aktuelle Höchstbetrag, den junge Menschen mit Hartz IV-Bezug in den Ferien dazuverdienen dürfen, wird „in der Regel nicht erreicht“. „Bürgergeld-Gesetz“, 86.
Zudem könnte die Erfahrung selbstbestimmter Verfügung über selbst erarbeitetes Geld nachhaltig ein Erfolgserlebnis darstellen. Höhere Absetzbeträge können in diesem Sinne einen Anreiz zur Aufnahme bzw. Beibehaltung von Erwerbsarbeit für junge Menschen darstellen. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 88. In diesem Sinne kann auch die Neustrukturierung der Erwerbstätigenfreibeträge dazu beitragen, dass die betroffenen jungen Menschen zum einen mehr Geld haben und zum anderen durch die Erfahrung von mehr „Selbstwirksamkeit“ „Bürgergeld-Gesetz“, 88. zur Aufnahme bzw. Beibehaltung von Erwerbsarbeit motiviert werden können – sofern es denn für sie eine geeignete Möglichkeit einer solchen Erwerbsarbeit in ihrem Umkreis gibt.
Mögliche finanzielle Entlastung durch Einführung eines Bürgergeldbonus und eines Weiterbildungsgeldes sowie verbesserte Weiterbildungsmöglichkeiten
16j SGB II; § 16k S. 1 SGB II; § 87a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 SGB III
Künftig sollen erwerbfähige Leistungsberechtigte im SGB II-Bezug für jeden Monat ihrer Teilnahme an bestimmten Maßnahmen, die ihnen in der Vertrauenszeit oder Kooperationszeit außer in den Fällen nach § 15a Abs. 3 S. 1 SGB II von der Arbeitsagentur für Arbeit vorgeschlagen werden, einen Bürgergeldbonus in Höhe von 75 Euro erhalten, vgl. § 16j SGB II. Hierbei handelt es sich beispielsweise um berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen nach § 51 SGB III sowie um Maßnahmen zur Förderung schwer zu erreichender junger Menschen nach § 16h Abs. 1 SGB II, vgl. § 16j Nr. 2, 3 SGB II. Da die Zuweisungen in Maßnahmen innerhalb der genannten Zeiträume grundsätzlich nicht rechtsverbindlich sein sollen, soll der Bürgergeldbonus als Anreiz wirken und die Motivation der Leistungsberechtigten zur Mitwirkung erhöhen. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 100.
Außerdem soll die Weiterbildungsprämie in Höhe von 1.000 Euro, die derzeit Vgl. § 131 a Abs. 3 SGB III. Dieser soll nunmehr aufgehoben und durch § 87a Abs. 1 SGB III ersetzt werden. an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die eine berufsabschlussbezogene Weiterbildung nach § 81 SGB III absolvieren, im Falle einer erfolgreichen Zwischenprüfung gezahlt wird, diesen auch nach Bestehen des ersten Teils einer gestreckten Abschlussprüfung gezahlt werden, vgl. § 87a Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass in den zahlreichen Berufsausbildungen mit gestreckter Abschlussprüfung eine Zwischenprüfung entfällt. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 116. Zudem soll die Zahlung der Weiterbildungsprämie, die neben den genannten Fällen auch nach Bestehen bestimmter Abschlussprüfungen in Höhe von 1.500 Euro gezahlt wird und derzeit bei Maßnahmeeintritten bis zum 31. Dezember 2023 gilt, Vgl. § 131 a Abs. 3 SGB III. Dieser soll nunmehr aufgehoben und durch § 87a Abs. 1 SGB III ersetzt werden. entfristet werden, vgl. § 87a Abs. 1 SGB III. Außerdem soll für arbeitslose Teilnehmerinnen und Teilnehmer an berufsabschlussbezogenen Weiterbildungen nach § 81 SGB III über diese Prämienregelung hinaus ein monatliches Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro eingeführt werden, vgl. § 87a Abs. 2 SGB III. Dies gilt dann auch für erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach SGB II. Vgl. § 16 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB II geltendes Recht.
Zudem soll künftig die Möglichkeit einer ganzheitlichen Betreuung (Coaching) eingeführt werden, in deren Rahmen die Agentur für Arbeit oder ein durch diese beauftragter Dritter erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beim Aufbau ihrer Beschäftigungsfähigkeit helfen können soll, vgl. § 16k S. 1 SGB II.
Die Einführung des Bürgergeldbonus kann für junge Menschen finanzielle Anreize setzen, Bildungsangebote wahrzunehmen. Da es sich hierbei u.a. um die Förderung von berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen oder Einstiegsqualifizierungen handelt, Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 100. könnten insbesondere für diese Altersgruppe mehr finanzielle Spielräume erwartet werden. Der Bonus zur Teilnahme an Maßnahmen zur Förderung schwer zu erreichender junger Menschen könnte ihnen einen Anreiz bieten, sozialpädagogische Angebote zu Ende zu führen und somit Wege aus der Arbeitslosigkeit heraus aufgezeigt zu bekommen. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 101.
Zudem können die Einführung von Weiterbildungsprämien nach Bestehen des ersten Teils einer gestreckten Abschlussprüfung und die Einführung von Weiterbildungsgeld finanzielle Hürden verringern, die junge Menschen möglicherweise von der Wahrnehmung solcher Bildungsangebote abhalten. Der Anreiz, vor allem auch längerfristige und abschlussbezogene Maßnahmen auch zu Ende zu führen, kann durch die Prämien erhöht werden. Somit können sich durch diese Maßnahmen insgesamt die Bildungsbedingungen für junge Menschen verbessern, was wiederum den Zugang zum Arbeitsmarkt verbessern kann und junge Menschen so davor schützen kann, später nur sehr geringqualifizierte Beschäftigungen ausüben zu können. Dadurch kann es ihnen leichter fallen, sich beruflich zu positionieren. Für jüngere Leistungsberechtigte kann dies zudem das Loslösen vom Elternhaus befördern und sich somit auch förderlich auf die Verselbstständigung und persönliche Entwicklung auswirken. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund wichtig, dass rund zwei Drittel der SGB II-Beziehenden keine abgeschlossene Berufsausbildung hat, darunter auch eine beträchtliche Anzahl junger Menschen. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 100. Der Anreiz zur Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen kann besonders auch für Frauen relevant werden, da diese – vermutlich aufgrund von Betreuungsaufgaben – aktuell unterdurchschnittlich häufig an den entsprechenden Maßnahmen teilnehmen. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 78.
Die Möglichkeit zur Teilnahme an einem ganzheitlichen Coaching kann insbesondere für junge erwerbsfähige Leistungsberechtigte relevant werden, die aufgrund einer Vielzahl an Problemlagen (z.B. Konflikte innerhalb der Familie, gesundheitliche Beeinträchtigungen, Sucht) im SGB II-Bezug sind. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 101. Sofern die Beziehung von Coachin bzw. Coach und der zu betreuenden Person auf einer vertrauensvollen und respektvollen Grundlage steht, könnten im Rahmen dieses Beratungsangebotes „individuelle Förderlücken geschlossen und darüberhinausgehende Förderbedarfe gedeckt werden“ „Bürgergeld-Gesetz“, 101. . Dies ist insbesondere relevant für junge Menschen, die in ihrem Umfeld keine oder nur wenig Ansprechpersonen haben, um über mögliche berufliche Optionen zu sprechen, und denen somit auch die notwendige Unterstützung fehlt, sich beruflich zu orientieren.
Studien zeigen, dass finanzielle Einschränkungen das psychische Wohlbefinden junger Menschen belasten können. Vgl. Brigitte Schels, „Jugendarbeitslosigkeit und psychisches Wohlbefinden“, IAB Forschungsbericht (Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 2007), 25. So leiden junge Menschen oftmals in Folge von Arbeitslosigkeit an mehr Angst, Stress oder einer Verringerung der Selbstwirksamkeitseinschätzung. Vgl. H. Berth, P. Förster, und E. Brähler, „Gesundheitsfolgen von Arbeitslosigkeit und Arbeitssicherheit bei jungen Erwachsenen“, in Das Gesundheitswesen, 2003, 559. Wirken sich Bürgergeld, Weiterbildungsprämien bzw. –geld und/oder Coaching positiv auf die langfristige Aufnahme einer Erwerbsarbeit und die damit einhergehende finanzielle Stabilität aus, kann dies auch die Gesundheit junger Menschen förderlich beeinflussen.
Mögliche Be- und Entlastungen als Folge der Neuregelung der Sanktionen
§ 31a Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 3, 4 S. 1, Abs. 6 SGB II; § 15a Abs. 1 S. 1, 3 SGB II
Mit dem Auslaufen des sog. Sanktionsmoratoriums zum 1. Juli 2023 Vgl. § 84 Abs. 1 SGB II geltendes Recht. sollen die Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen nach § 31 SGB II geändert werden. Durch die Neuregelung soll die bisherige höhere Leistungsminderung bei Pflichtverletzungen von jungen Menschen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, aufgehoben werden. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 60. Unabhängig vom Alter des Leistungsberechtigten soll sich das Bürgergeld bei einer Pflichtverletzung nach § 31 SGB II – sofern dies keine außergewöhnliche Härte bedeuten würde – um 20 Prozent des jeweils maßgebenden Regelbedarfs mindern, vgl. § 31a Abs. 1 S. 1, Abs. 3 SGB II. Bei jeder weiteren Pflichtverletzung soll eine Minderung um 30 Prozent erfolgen, vgl. § 31a Abs. 1 S. 2 SGB II. Leistungsminderungen bei wiederholten Pflichtverletzungen oder wiederholten Meldeversäumnissen nach § 32 SGB II sollen jedoch auf insgesamt 30 Prozent des jeweiligen Regelbedarfs begrenzt werden, vgl. § 31a Abs. 4 S. 1 SGB II. Allerdings sollen Leistungsminderungen aufgrund von Pflichtverletzungen nach § 31 SGB II während der sechsmonatigen Vertrauenszeit, die mit der Erstellung eines Kooperationsplans beginnen soll, ausgeschlossen sein, vgl. § 15a Abs. 1 S. 1, 3 SGB II.
Betrifft die Leistungsminderung erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen diese innerhalb von vier Wochen nach Feststellung einer solchen Leistungsminderung ein Beratungsangebot erhalten, im Rahmen dessen die Inhalte des Kooperationsplans einer Überprüfung unterzogen und ggf. fortgeschrieben werden sollen, vgl. § 31a Abs. 6 SGB II. Dabei soll die Annahme des Beratungsangebots eine Bereiterklärung zur Mitwirkung darstellen, sodass die Leistungsminderung nach § 31a Abs. 1 aufzuheben sein soll. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 108.
Die Neuregelung sieht hinsichtlich der Sanktionierung von Pflichtverletzungen – im Vergleich zur Rechtslage mit Hartz IV – die Abschaffung der Ungleichbehandlung der unter 25-Jährigen gegenüber älteren Personen vor. Damit wird eine jungen Menschen gegenüber diskriminierende Regelung abgeschafft. Insbesondere mit Blick auf die dynamische Lebensphase Jugend, die im Vergleich zu anderen Altersgruppen stärker von Entwicklungen, wie der Verselbstständigung, und Umbrüchen gekennzeichnet ist, kann die Entschärfung und Angleichung der Sanktionen auch dazu beitragen, das Vertrauen junger Menschen in die staatliche Absicherung zu stärken. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 108. Dies ist auch vor dem Hintergrund wichtig, dass junge Menschen unter 25 Jahren häufiger für Pflichtverletzungen sanktioniert werden als ältere Menschen und sie damit stärker von den bisherigen Sanktionen betroffen waren. Vgl. Statistik der Bundesagentur für Arbeit, „Sanktionen (Zeitreihe Monats- und Jahreszahlen ab 2007)“ (Nürnberg, 2022) (Tabelle 4).
Vertrauen könnte insbesondere auch durch das Beratungsangebot für unter 25-Jährige gestärkt werden, welches dazu beitragen kann, dass der Kontakt zwischen der zuständigen Behörde und den betroffenen jungen Menschen nicht verloren geht und ihnen im besten Fall Wege aufgezeigt werden können, wie sie ihre berufliche Situation verbessern können. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 108. Sofern erfahrene Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner gezielt auf die Problemlagen und Bedürfnisse der jungen Menschen eingehen, könnten durch den Kontakt ggf. erneute Sanktionierungen vermieden werden und durch das Beratungsangebot ein Berufseinstieg ermöglicht werden. Dafür ist es jedoch wichtig, dass für die Betreuung junger Menschen auch ausreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Siehe hierzu auch: Kerstin Bruckmeier u. a., „Zur Arbeitsförderung und Beratungsqualität in den Jobcentern: Stellungnahme des IAB zur öffentlichen Anhörung im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales am 4. Mai 2020“, IAB-Stellungnahme (Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), 2020), 21 f.; Vgl. Christian Philipp Nixdorf, „Systemische Beratung im Jobcenter: Gut gedacht ist ungleich gut gemacht“ (Hannover, 2019), 21 f., https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/67483 (zuletzt aufgerufen am: 17.08.2022).
Nichtsdestotrotz kann die Wiederaufnahme der Sanktionen im Anschluss an das Sanktionsmoratorium insbesondere auch für junge Menschen diverse Konsequenzen haben. Sei es als direkt Betroffene, indem ihnen die Leistungen gekürzt werden, oder als mittelbar betroffene Kinder und Jugendliche eines Haushaltes im Bürgergeld-Bezug. Sanktionen gegenüber jungen Menschen, die sich bereits in schwierigen Lebenslagen befinden, können dazu führen, dass sie Jobs annehmen müssen, die durchschnittlich niedriger entlohnt werden, instabil sind und so nur der kurzfristigen Überbrückung der finanziellen Notlage dienen. Vgl. Markus Wolf, „Schneller ist nicht immer besser: Sanktionen können sich längerfristig auf die Beschäftigungsqualität auswirken“, IAB-Forum, Serie „Befunde aus der IAB-Grundsicherungsforschung 2017 bis 2020“, 24 (2021), https://www.iab-forum.de/schneller-ist-nicht-immer-besser-sanktionen-koennen-sich-laengerfristig-auf-die-beschaeftigungsqualitaet-auswirken/ (zuletzt aufgerufen am: 17.08.2022). Gerade junge Menschen müssen jedoch dabei unterstützt werden, sich für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren, um langfristig ein Einkommen zu erzielen, welches sie unabhängig von staatlichen Leistungen macht. Von Sanktionen betroffene junge Menschen nehmen zudem häufiger Schulden auf und schränken soziale Kontakte ein. Vgl. Helmut Apel und Dietrich Engels, „Unabhängige wissenschaftliche Untersuchung zur Erforschung der Ursachen und Auswirkungen von Sanktionen nach § 31 SGB 11 und nach dem SGB 111 in NRW. Endbericht.“ (Köln: ISG Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH, 2013), 33 ff.; 56, https://www.isg-institut.de/download/ISG_Endbericht_2013_Sanktionen_NRW.pdf (zuletzt aufgerufen am: 17.08.2022). Auch seelische Probleme wie Angst oder Niedergeschlagenheit können mit dem Verhängen von Sanktionen verstärkt werden. Vgl. Apel und Engels, 26. Somit könnten durch Sanktionserfahrungen auch die Verselbstständigungprozesse junger Menschen beeinträchtigt werden.
Mögliche finanzielle Entlastung durch erleichterte Vermögensprüfung und erweiterten Zugang zum Kinderzuschlag
§ 6a Abs. 3 S. 5, Abs. 5 S. 1, 3 BKGG; Aufhebung des § 20 Abs. 2 BKGG
Bei der Berechnung des Kinderzuschlags soll künftig das nach § 12 SGB II zu beurteilende Vermögen des Kindes sowie das der Eltern durchgängig nur berücksichtigt werden, wenn es erheblich ist, vgl. § 6a Abs. 3 S. 5, Abs. 5 S. 1, 3 BKGG. Erheblich soll das Vermögen sein, wenn es in der Summe 60.000 Euro für die leistungsberechtigte Person und 30.000 Euro für jede weitere mit dieser in Bedarfsgemeinschaft lebende Person übersteigt, wobei im Falle eines Überschreitens dieser Summe bei einer Person in der Bedarfsgemeinschaft die nicht ausgeschöpften Freibeträge der anderer Personen in der Bedarfsgemeinschaft auf diese Person zu übertragen sein sollen und bei der Berechnung des erheblichen Vermögens ein selbstgenutztes Hausgrundstück oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung nicht zu berücksichtigen sein, vgl. § 6a Abs. 3 S. 5, Abs. 5 S. 1, 3 BKGG i. V. m. § 12 Abs. 4 S. 1, 2 SGB II. Es soll vermutet werden, dass kein erhebliches Vermögen vorliegt, wenn die Antragstellerinnen bzw. Antragsteller dies so angeben, vgl. § 12 Abs. 4 S. 3 SGB II.
Durch die Aufhebung des § 20 Abs. 2 BKGG soll die Regelung der erweiterten Zugangsmöglichkeit nach § 6a Abs. 1a BKGG, die derzeit nur bis zum 31. Dezember 2023 gilt, entfristet werden. Damit soll vermieden werden, dass die erweiterte Zugangsmöglichkeit noch vor der Einführung einer Kindergrundsicherung, in die der Kinderzuschlag überführt werden soll, ausläuft und das Verwaltungsverfahren zusätzlich umgestellt werden muss. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 142.
Die Entfristung eines erweiterten Zugangs zum Kinderzuschlag und die permanente Berücksichtigung nur erheblichen Vermögens könnte künftig mehr Menschen auch über das Jahr 2023 hinaus Anspruch auf Kinderzuschlag ermöglichen. Somit können mehr Kinder und Jugendliche von dieser finanziellen Leistung profitieren und Ausgaben für ihren täglichen Bedarf decken. Dies kann ihre Teilhabemöglichkeiten, z.B. für Freizeitaktivitäten, verbessern. Die verminderte Nachweispflicht Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 77. stellt für die betroffenen Familien eine Entlastung bei der Antragstellung dar und kann demnach die Hürde senken, einen (Folge-) Antrag zu stellen.
Anmerkungen und Hinweise
Die zu Grunde liegende Systematik zur Berechnung der Regelsätze soll unverändert bleiben und turnusmäßig auf Basis von Sonderauswertungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) berechnet werden. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 126 f. Somit bleibt fraglich, inwiefern die Berechnungsmethode der Regelsätze vor allem auch für Kinder und Jugendliche angemessen ist. So gebe es Probleme hinsichtlich der statistischen Signifikanz bei der Bemessung der Höhe des Regelbedarfs, da hierfür Paare mit einem Kind und einem niedrigen Einkommen die Referenzgruppe bilden und diese in der EVS nur in geringem Umfang vertreten sind. Vgl. Deutscher Caritasverband e.V., „Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB XII sowie des AsylbLG (Bundestags-Dr. 19/22750) und Oppositionsanträge“, Ausschussdrucksache 19(11)804, 2020, 4, https://www.bundestag.de/resource/blob/801514/d1e2d77fa0fa49531fa35186f9d657ee/19-11-804-Caritas-data.pdf (zuletzt aufgerufen am: 26.09.2022). Somit existiere für die Ermittlung von Kinderregelbedarfen nach dem Statistikmodell keine „hinreichend verlässliche Grundlage“ „Regelbedarfe 2021. Alternative Berechnungen zur Ermittlung der Regelbedarfe in der Grundsicherung“, Expertise (Berlin, 2020), 22, https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/doc/expertise-regelsatz_2020_web.pdf (zuletzt aufgerufen am: 26.09.2022).. Da dies jedoch die Basis für die Fortschreibungssätze darstellt, kann die oben genannte finanzielle Entlastung für junge Menschen nicht garantiert sein, da unklar ist, ob die Regelsätze überhaupt die spezifischen Bedarfe junger Menschen abdecken.
Die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche werden mit der Einführung einer Kindergrundsicherung neu zu beurteilen sein, sofern Minderjährige damit aus dem System der Grundsicherung herausgelöst werden. Selbiges gilt auch für die Auswirkungen des erweiterten Kinderzuschlags, der laut aktuellem Koalitionsvertrag in eine Kindergrundsicherung überführt werden soll. Vgl. „Bürgergeld-Gesetz“, 142.