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Jugend-Check zum ReferentenentwurfRegierungsentwurf
16. Dez. 2024

Gewalthilfegesetz

Entwurf eines Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt (Stand 18.11.2024)

Ressort: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)

Ziel des Gesetzentwurfs

Mit dem Gesetzentwurf soll für Personen, die von geschlechtsspezifischer oder häuslicher Gewalt betroffen sind, ein verlässliches Hilfesystem zum Schutz vor und zur Prävention von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt geschaffen werden.Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt“, 18. November 2024, 2. Dafür soll eigens ein Gesetz zur Sicherung des Zugangs zu Schutz und Beratung bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt (Gewalthilfegesetz – GewHG) verabschiedet werden, das u. a. einen Schutz- und Beratungsanspruch bei Gewaltbetroffenheit enthalten soll.Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt“, 2.

Zusammenfassung möglicher Auswirkungen

Das Kompetenzzentrum Jugend-Check hat folgende mögliche Auswirkungen identifiziert:

  • Mit der Neueinführung des Gewalthilfegesetzes soll künftig ein Rechtsanspruch auf ein bedarfsgerechtes Hilfesystem bereitgestellt werden, welches ausreichende und bedarfsgerechte Schutz-, Beratungs- und Unterstützungsangebote umfassen soll (§§ 1 und 3 GewHG). Dadurch kann u. a. die (physische) Sicherheit junger gewaltbetroffener Menschen gefördert werden. Sie können zudem dabei unterstützt werden, erlebte Gewalterfahrungen zu überwinden und zu verarbeiten.
  • Darüber hinaus kann der Rechtsanspruch für Minderjährige (§ 3 Abs. 4 GewHG), die geschlechtsspezifische und/oder häusliche Gewalt miterlebt haben und gemeinsam mit einem Elternteil Schutz suchen, fortan einen besseren Zugang zu Zuflucht und Unterstützung bedeuten. So können belastende Auswirkungen auf ihre psychische und physische Gesundheit gemildert werden.
  • Die Bereitstellung der Schutz- und Beratungsangebote soll kostenfrei erfolgen (§ 4 Abs. 5 GewHG). Dies kann zum Abbau potenzieller finanzieller Hürden für junge Menschen beitragen und dabei helfen, entsprechende Schutz- und Beratungsangebote eher in Anspruch zu nehmen.
  • Die geplanten Schutz- und Beratungsangebote sollen zudem die Bereitstellung von Präventionsmaßnahmen für Personen umfassen, die (potenziell) selbst geschlechtsspezifische oder häusliche Gewalt ausüben (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 GewHG). Insbesondere bei jungen Menschen könnten frühzeitige (Präventions-) Maßnahmen, wie u.a. die Sensibilisierung an Schulen, entscheidend sein, um das Entstehen von gewalttätigen Verhaltensweisen von vornherein zu verhüten oder weitere Gewalt zu verhindern.

Betroffene Gruppen junger Menschen

Betroffen sind in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe junge Menschen zwischen 12 und 27 Jahren, die von geschlechtsspezifischerBei geschlechtsspezifischer Gewalt i.S.d. GewHG handelt es sich um „jede körperliche, sexualisierte, psychische oder wirtschaftliche Gewalthandlung durch eine oder mehrere Personen, die sich gegen eine Person aufgrund ihres Geschlechtes oder ihrer Geschlechtsidentität richtet und zu Schäden oder Leiden führt oder führen kann. Geschlechtsspezifische Gewalt umfasst insbesondere Gewalt gegen Frauen und damit Gewalthandlungen nach Satz 1, die sich gegen eine Frau richten, weil sie eine Frau ist, oder die Frauen unverhältnismäßig stark betreffen und zu Schäden oder Leiden führen oder führen können.“, § 2 Abs. 1 GewHG. und/oder häuslicher GewaltBei häuslicher Gewalt i.S.d. GewHG handelt es sich um „jede körperliche, sexualisierte, psychische und wirtschaftliche Gewalthandlung gegen eine Person durch eine oder mehrere Personen des familiären Umfelds, innerhalb bestehender oder beendeter Ehen, bestehender oder beendeter eingetragener Lebenspartnerschaften, bestehender oder beendeter Partnerschaften oder durch sonstige im Haushalt der gewaltbetroffenen Person lebende Personen. Ein gemeinsamer Wohnsitz oder eine gemeinschaftliche Haushaltsführung sind nicht erforderlich.“, § 2 Abs. 2 GewHG. betroffen sind oder waren. Im Jahr 2023 waren ca. 100.000 Personen unter 30 Jahren Opfer häuslicher Gewalt, davon waren ca. 70 Prozent weiblich.Vgl. Bundeskriminalamt, „Bundeslagebild Häusliche Gewalt 2023“, 2024, 77 (eigene Berechnung). Von innerfamiliärer Gewalt, d. h. der Gewalt von und gegen Eltern, Kinder, Geschwister und sonstige Angehörige, waren mit 42,3 Prozent Opfer unter 21 Jahren am häufigsten betroffen.Vgl. Bundeskriminalamt, 45 (eigene Berechnung). Die vorliegenden Hellfeldzahlen bilden nur diejenigen Fälle ab, die der Polizei bekannt geworden sind. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass das Dunkelfeld deutlich größer ist. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt“, 1.

Spezifisch betroffen sind trans-, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen, die von geschlechtsspezifischer und/oder häuslicher Gewalt betroffen sind oder waren. LSBTIQ*Jugendliche können besonders gefährdet sein, Opfer häuslicher Gewalt zu werden, wobei genaue statistische Angaben fehlen.Vgl. Lesben- und Schwulenverband (LSVD) e.V., „Lagebild zu häuslicher Gewalt erneut ohne Daten zu LSBTIQ*“, 2023, https://www.lsvd.de/de/ct/9819-Lagebild-zu-haeuslicher-Gewalt-erneut-ohne-Daten-zu-LSBTIQ (zuletzt abgerufen am 12.12.2024). Weiterhin sind beispielsweise Menschen in homosexuellen Beziehungen im Vergleich zu Menschen in heterosexuellen Beziehungen genauso häufig oder sogar häufiger von häuslicher Gewalt betroffen.Vgl. Proud at work Foundation, „HÄUSLICHE GEWALT IN LGBT*IQ-BEZIEHUNGEN“, 2024, https://www.proutatwork.de/haeusliche-gewalt-in-lgbtiq-beziehungen/ (zuletzt abgerufen am 12.12.2024).

Betroffene sind darüber hinaus junge Menschen zwischen 12 und 17 Jahren, die geschlechtsspezifische und/oder häusliche Gewalt gegenüber nahestehenden Dritten miterlebt haben oder miterleben. In einer Studie gaben mehr als die Hälfte der befragten und von Partnerschaftsgewalt betroffenen Frauen hinsichtlich ihrer letzten gewaltbelasteten Paarbeziehung an, dass Kinder im selben Haushalt wohnten.Vgl. Frauenhauskoordinierung e.V., „Bundesweite Frauenhaus-Statistik 2022“, 2023, 17, https://www.frauenhauskoordinierung.de/fileadmin/redakteure/Publikationen/Statistik/2023-11-08__Frauenhausstatistik2022_Langfassung_final_FHK_02.pdf (zuletzt abgerufen am 12.12.2024).

Daneben sind auch junge Menschen bis 27 Jahren betroffen, die geschlechtsspezifische oder häusliche Gewalt selbst ausüben. Im Jahr 2023 waren ca. 17.038 Personen bis zum Alter von 25 Jahren Tatverdächtige bei Partnerschaftsgewalt.Vgl. Bundeskriminalamt, „Bundeslagebild Häusliche Gewalt 2023“, 28 (eigene Berechnung). Von den Tatverdächtigen bei innerfamiliärer Gewalt waren rund 21 Prozent der Personen zwischen 14 und 25 Jahre alt.Vgl. Bundeskriminalamt, 101 (eigene Berechnung).

Jugendrelevante Auswirkungen

Verbesserter Zugang zu bedarfsgerechten Schutz- und Beratungsangeboten für gewaltbetroffene junge Menschen

§§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 und 3; 2 Abs. 2 und Abs. 3; 3 Abs. 1 bis Abs. 4; 4 Abs. 5; 5 Abs. 1GewHG

Mit der geplanten Neueinführung des Gewalthilfegesetzes sollen gegenwärtig von Gewalt betroffene Personen einen Rechtsanspruch auf Schutz vor geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt sowie auf fachliche Beratung erhalten, vgl. § 3 Abs. 1 S. 1 GewHG. Es soll künftig ein bedarfsgerechtes Hilfesystem bereitgestellt werden, zu dem u. a. auch ein ausreichendes und bedarfsgerechtes Schutz-, Beratungs- und Unterstützungsangebot für gewaltbetroffene Personen gehören soll, vgl. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 GewHG. Dabei sollen als gewaltbetroffene Personen auch Kinder im Alter bis 18 Jahre gelten, wenn sie „geschlechtsspezifische oder häusliche Gewalt gegenüber nahestehenden Dritten miterlebt haben oder miterleben“Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt“, 6., vgl. § 2 Abs. 2 und Abs. 3 GewHG.

Der Anspruch auf Schutz und fachliche Beratung soll auch für gewaltbetroffene Minderjährige gelten, wenn sie selbst oder eine andere gewaltbetroffene Person, in deren Obhut sie sich befinden, einer gegenwärtigen Gewaltgefährdung ausgesetzt sind, vgl. § 3 Abs. 1 und Abs. 4 GewHG. Der Schutzanspruch soll insbesondere die Bereitstellung sicherer und geeigneter Unterkünfte sowie in dringenden Fällen sofortige Hilfeleistungen umfassen, vgl. § 3 Abs. 2 GewHG. Der Beratungsanspruch soll u. a. darauf abzielen, bei der Bewältigung der Gewaltsituation zu helfen und Unterstützung bei der Entwicklung einer gewaltfreien Lebensperspektive zu bieten, vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GewHG. Sowohl bei der Inanspruchnahme der Schutz- als auch der Beratungsangebote sollen den gewaltbetroffenen Personen keine Kosten entstehen, vgl. § 4 Abs. 5 GewHG.

Die Sicherstellung eines Netzes aus ausreichenden, niedrigschwelligen, fachlich fundierten und bedarfsgerechten Schutz- und Beratungsangeboten, um die Schutz- und Beratungsansprüche nach § 3 GewHG in einer angemessenen geografischen Verteilung zu gewährleisten, soll den Ländern verpflichtend obliegen, vgl. § 5 Abs. 1 GewHG. Die konkreten Schutz-, Beratungs- oder Unterstützungsleistungen sollen durch gesetzlich näher zu bestimmende Schutzeinrichtungen und Fachberatungsstellen erbracht werden, vgl. § 4 Abs. 1 i. V. m. § 6 GewHG,

Der Rechtanspruch auf ausreichende und bedarfsgerechte Bereitstellung von Schutz-, Beratungs- und Unterstützungsangeboten für junge Menschen, die geschlechtsspezifische und/oder häusliche Gewalt erfahren haben, kann dazu beitragen, dass ihre (physische) Sicherheit gefördert wird und sie dabei unterstützt werden, erlebte Gewalterfahrungen zu überwinden und zu verarbeiten.Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt“, 34. Gerade bei jungen Menschen kann das Erleben von jeglicher Gewalt „tiefgreifende und dauerhafte Schäden verursachen“Vereinte Nationen, „WHO-Erhebung: Ein Viertel junger Frauen in Beziehung erlebt Gewalt“, 2024, https://unric.org/de/who-erhebung-ein-viertel-junger-frauen-in-beziehung-erlebt-gewalt/ (zuletzt abgerufen am 12.12.2024). und z. B die Wahrscheinlichkeit von Depressionen und Angstzuständen erhöhen sowie negative Auswirkungen auf ihre schulischen oder beruflichen Leistungen nach sich ziehen. Sofern durch das Gesetzesvorhaben künftig ein ausreichendes Angebot an Schutzeinrichtungen, wie Frauenhäusern, Männerschutzeinrichtungen und Zufluchts- oder Schutzwohnungen etabliert wird, können auch diejenigen gewaltbetroffenen Personen eine sichere Zuflucht erhalten, denen dies zurzeit aufgrund fehlender räumlicher Kapazitäten verwehrt bleibt. So wurden z. B. im Jahr 2022 insgesamt 10.114 Frauen mit Kindern und 6.268 Frauen ohne Kinder in einem Frauenhaus abgelehnt.Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt“, 16. Auch gewaltbetroffene Männer wurden im Jahr 2022 aufgrund von Platzmangel in entsprechenden Schutzeinrichtungen trotz Unterbringungswunsch abgewiesen.Vgl. Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz, „Männerschutzeinrichtungen in Deutschland. Nutzungsstatistik 2022“, 2022, 12. Dabei waren im Jahr 2022 ca. 32 Prozent der Männer, die eine Schutzeinrichtung in Anspruch nahmen, zwischen 18 und 29 Jahre alt.Vgl. Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz, 18. Zudem fehlen bundesweit ausreichend spezialisierte und bedarfsgerechte Beratungsangebote für Männer, die von geschlechtsspezifischer oder häuslicher Gewalt betroffen sind.Vgl. Deutsches Ärzteblatt, „Häusliche Gewalt gegen Männer: Unbeachtet und tabuisiert“, 2017, 119, https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=186686 (zuletzt abgerufen am 12.12.2024). Besteht künftig ein ausreichendes und bedarfsgerechtes Angebot an Fachberatungsstellen hinsichtlich geschlechtsspezifischer und/ oder häuslicher Gewalt, könnten betroffene junge Frauen und Männer davon profitieren, insbesondere, wenn für ihr Anliegen oder in ihrer Region nur unzureichende Kapazitäten vorhanden sind.

Darüber hinaus werden die Bedürfnisse von trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Menschen im bestehenden Hilfesystem bisher ebenfalls nicht angemessen berücksichtigt.Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt“, 17. Dies kann unter anderem daran liegen, dass LSBTIQ* nicht als Betroffenengruppe in der Statistik zu häuslicher Gewalt aufgeführt werden. Insbesondere Jugendliche aus dieser Gruppe können jedoch gefährdet sein, Opfer häuslicher Gewalt zu werden, wenn ihre Familie ihre geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung nicht akzeptiert.Vgl. Lesben- und Schwulenverband (LSVD) e.V., „Lagebild zu häuslicher Gewalt erneut ohne Daten zu LSBTIQ*“.

Insofern könnten die Betroffenen als besonders vulnerable Gruppe ebenfalls von einer ausreichenden und bedarfsgerechten Bereitstellung spezieller Beratungs- und Schutzangebote profitieren und somit besser vor häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt geschützt werden.Vgl. Proud at work Foundation, „HÄUSLICHE GEWALT IN LGBT*IQ-BEZIEHUNGEN“ (zuletzt abgerufen am 12.12.2024).

Durch die Einführung eines Rechtsanspruches auf eine ausreichende und bedarfsgerechte Versorgung mit Schutz- und Beratungseinrichtungen könnte zudem Minderjährigen, die geschlechtsspezifische und/oder häusliche Gewalt miterlebt haben bzw. noch miterleben und gemeinsam mit einem Elternteil Schutz suchen, fortan ein besserer Zugang zu Zuflucht und Unterstützung gewährt werden und belastende Auswirkungen auf ihre psychische und physische Gesundheit abgemildert werden. Wenn Kinder Gewalt miterleben, kann dies psychische Traumata verursachen, die häufig langfristige Konsequenzen bis ins Erwachsenenalter nach sich ziehen.Vgl. Deutsche Kinderhilfe e.V., „Kinder im Fokus: Partnerschaftliche Gewalt und ihre Folgen“, 2022, 17. Betroffene weisen u. a. eine erhöhte Wahrscheinlichkeit auf, als junge Erwachsene selbst in gewaltbelastete Beziehungen zu gelangen.Vgl. Deutsche Kinderhilfe e.V., 17. Insgesamt könnte die Einführung eines Rechtsanspruches auf Schutz und Beratung sowie die Schaffung von entsprechend bedarfsgerechten Angeboten somit dazu beitragen, dass für gewaltbetroffene Minderjährige künftig mehr Schutz- und Beratungsangebote bestehen und ihre körperliche Unversehrtheit ebenso wie ihre mentale Gesundheit besser geschützt werden.

Die geplante Verpflichtung der Länder, ein Netz an ausreichenden, niedrigschwelligen, fachlich fundierten und bedarfsgerechten Schutz- und Beratungsangeboten in einer angemessenen geografischen Verteilung zu gewährleisten, kann ferner dazu beitragen, die Zugänglichkeit der jeweiligen Angebote zu verbessern. Bisher variierte die Versorgungsdichte der bestehenden Angebote über das Bundesgebiet hinwegVgl. „Entwurf eines Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt“, 17. und fiel insbesondere in ländlichen Gebieten häufig geringer aus.Vgl. Deutsches Institut für Menschenrechte, „Erneute Zunahme häuslicher Gewalt alarmierend – Gewalthilfegesetz muss rasch kommen“, 2024, https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/aktuelles/detail/erneute-zunahme-haeuslicher-gewalt-alarmierend-gewalthilfegesetz-muss-rasch-kommen (zuletzt abgerufen am 12.12.2024). Die Wege zu den Einrichtungen können auf dem Land zudem länger sein und es gibt oft weniger spezialisierte Angebote. Gerade in bevölkerungsschwachen Regionen dürfte es derzeit daher noch umständlicher sein, auf Schutz- und Beratungsangebote zurückzugreifen. Dies führt u. a. dazu, dass Frauen zurzeit weite Wege auf sich nehmen müssen, um ein Frauenhaus aufsuchen zu können.Vgl. Der Paritätische Gesamtverband, „Frauenhauskoordinierung: Veröffentlichung der Statistik 2022“, 2023, https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/frauenhauskoordinierung-veroeffentlichung-der-statistik-2022/ (zuletzt abgerufen am 12.12.2024). Für junge gewaltbetroffene Frauen könnten diese Wege eine Hinderung sein, diese Angebote wahrnehmen zu können, etwa wenn ihre finanziellen Mittel begrenzt sind und sie über kein eigenes Auto verfügen. Auch für Minderjährige, die in ländlichen Regionen wohnen, könnten die weiten Wege ein Hindernis bei der Inanspruchnahme sein. Die vorgesehene angemessene geografische VerteilungVgl. „Entwurf eines Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt“, 2. der Schutz- und Beratungsangebote könnte zukünftig zu einer regional breiteren Verfügbarkeit der jeweiligen Angebote führen, wodurch Betroffene Angebote fortan ggf. näher an ihrem Wohnort vorfinden und somit niedrigschwelliger in Anspruch nehmen können. Hiervon könnten auch Minderjährige profitieren, die geschlechtsspezifische und/oder häusliche Gewalt miterlebt haben und gemeinsam beispielsweise mit ihrer Mutter ein Frauenhaus aufsuchen. Denn insbesondere für Frauen mit mehreren Kindern verringert sich die Chance auf einen wohnortnahen Platz in einer Schutzeinrichtung, da Schulplätze fehlen.Vgl. Der Paritätische Gesamtverband, „Frauenhauskoordinierung: Veröffentlichung der Statistik 2022“. Oftmals entfällt mit der Flucht ins Frauenhaus für ihre minderjährigen Kinder daher auch die Anbindung an Schule, Kita und das soziale Netz.Vgl. Der Paritätische Gesamtverband (zuletzt abgerufen am 12.12.2024). Wenn künftig wohnortnähere Angebote bestehen, müssen sie ggf. nicht mehr aus ihrem sozialen Umfeld gerissen werden, wenn sie gemeinsam mit ihrer Mutter eine Schutzeinrichtung aufsuchen bzw. längerfristig in einer solchen untergebracht sind.

Schließlich spielt die vorgesehene Kostenfreiheit der Schutz- und Beratungsangebote eine zentrale Rolle, um den Zugang zu diesen Angeboten für gewaltbetroffene Personen möglichst niedrigschwellig zu gewährleisten. Mit der kostenlosen Bereitstellung von Schutz- und Beratungsangeboten kann insbesondere die bestehende finanzielle Hürde für deren Inanspruchnahme abgebaut werden. Aufgrund unterschiedlicher Finanzierungsmodelle in den Bundesländern müssen beispielsweise gewaltbetroffene Frauen etwaige Aufenthalte in Frauenhäusern bisher zum Teil selbst (mit-)finanzieren, sofern sie keine Leistungen aus dem Zweiten oder dem Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB II und SGB XII) oder dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beziehen. Wenn ansonsten keine Kostenübernahme durch einen Kostenträger der Herkunftskommune vorliegt, können sie bislang nicht in eine Schutzeinrichtung aufgenommen werden.Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt“, 17. Insbesondere junge gewaltbetroffene Frauen, die über wenig finanzielle Mittel verfügen, da sie sich etwa noch in Studium oder Ausbildung befinden, wird eine Inanspruchnahme daher bisher erschwert.Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt“, 17. Die vorgesehene Kostenfreiheit könnte dazu beitragen, dass betroffene junge Menschen fortan eher erwägen, entsprechende Schutz- und Beratungsangebote in Anspruch zu nehmen. Damit könnten sie sich in Zukunft schneller in Sicherheit vor gewaltgeprägten Situationen bringen.

Präventionsmaßnahmen für gewaltausübende und gewaltbetroffene Personen

§§ 1 Abs. 2 Nr. 3; 4 Abs. 5 GewHG

Im Rahmen des bedarfsgerechten Hilfesystems bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt sollen zur Aufgabenerfüllung unter anderem (Präventions-)Maßnahmen für Personen bereitgestellt werden, die (potenziell) selbst geschlechtsspezifische oder häusliche Gewalt ausüben, vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 GewHG. Die Inanspruchnahme soll kostenfrei erfolgen, vgl. § 4 Abs. 5 GewHG.

Mit der Bereitstellung von (Präventions-)Maßnahmen könnten für junge Menschen, die selbst geschlechtsspezifische und/oder häusliche Gewalt ausüben oder bei denen die Gefahr besteht, dass sie dies tun werden, solche Formen der Gewalt langfristig reduziert werden. Für junge Menschen könnten frühzeitige (Präventions-)Maßnahmen, wie z. B. die Sensibilisierung an Schulen, Öffentlichkeitsarbeit sowie die Arbeit mit Täterinnen und Tätern, beispielsweise durch standardisierte soziale Trainingskurse, Gewaltpräventionsberatung oder auch Anti-Gewalttrainings, entscheidend sein, um das Entstehen von gewalttätigen Verhaltensweisen von vornherein zu verhüten.Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt“, 29 f. Denn Kinder und Jugendliche, die selbst in gewaltgeprägten Familien bzw. gewaltgeprägten sozialen Umfeldern aufwachsen, neigen tendenziell häufiger dazu, selbst auch gewalttätig zu werden oder zumindest eine Akzeptanz für den Gebrauch von Gewalt als Konfliktlösung zu entwickeln und ihre eigene Gewalttätigkeit damit zu rechtfertigen.Vgl. Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, „Folgen von häuslicher Gewalt für die Kinder“, 2024, https://www.ms.niedersachsen.de/startseite/frauen_gleichstellung/wer_schlagt_muss_gehen/folgen-von-hauslicher-gewalt-fur-die-kinder-13682.html (zuletzt abgerufen am 12.12.2024). Angesichts dessen könnten frühzeitige Präventionsmaßnahmen junge potentielle Gewalttäterinnen und -täter dabei unterstützen, Warnzeichen von Gewalt rechtzeitig zu erkennen und diese zu verhindern.

Darüber hinaus könnten diese Präventionsangebote jungen Menschen helfen, die selbst von Gewalt betroffen sind. Aufklärungsarbeit an SchulenVgl. „Entwurf eines Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt“, 29. könnte sie beispielsweise dabei unterstützen, zu erkennen, ob sie selbst Opfer von Gewalt sind und ihnen Unterstützung dabei bieten, sich diesen Gewaltsituationen zu entziehen und Hilfe- und Beratungsangebote in Anspruch zu nehmen.

Insgesamt kann durch die Kostenfreiheit der Präventionsmaßnahmen ein niedrigschwelliger Zugang zu den Programmen und Angeboten für junge Menschen gewährleistet werden. Wichtig dabei wäre jedoch, dass diese Angebote und (Präventions-)Maßnahmen in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen.

Quellen

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