Ziel des Gesetzentwurfs
Ziel des Gesetzes zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ist es, den Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit für die in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten zu vereinfachen und zu beschleunigen. Ihnen soll dadurch eine umfassende gleichberechtigte Teilhabe und eine aktive Mitwirkung am gesellschaftlichen Zusammenleben in Deutschland ermöglicht werden.Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts“, 19. Mai 2023, 1, 15. Zudem sollen Anreize für eine schnelle Integration geschaffen werden.Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts“, 15. Der Gesetzentwurf sieht dafür u.a. eine Änderung des Staatsangehörigkeitsrecht (StAG) vor, welches an die Erfordernisse eines Einwanderungslandes angepasst werden soll.Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts“, 1, 15.
Zusammenfassung möglicher Auswirkungen
Das Kompetenzzentrum Jugend-Check hat folgende mögliche Auswirkungen identifiziert:
- Junge Menschen aus Drittstaaten, die seit mindestens fünf Jahren in Deutschland leben, sollen künftig für eine Einbürgerung nicht mehr ihre bisherige, d.h. ihre nicht-deutsche Staatsbürgerschaft aufgeben müssen (Streichung § 10 Abs. 1 Nr. 4 StAG). Zudem sollen auch diejenigen, die zwar nicht im Inland aufgewachsen sind, aber die deutsche Staatsbürgerschaft durch Geburt erworben haben und zusätzlich noch eine andere ausländische Staatsbürgerschaft als die eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzen, nicht mehr optionspflichtig sein (Streichung § 29 StAG).
- Mit dem Erwerb der deutschen und damit der doppelten Staatsbürgerschaft können junge Menschen das Recht zur vollen politischen Teilhabe erlangen, ohne dass sie die Staatsbürgerschaft ihres Herkunftslandes aufgeben müssen. So stünde ihnen beispielsweise das aktive und passive Wahlrecht auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sowie bei Europawahlen zu.
- Durch die generelle Zulässigkeit der doppelten Staatsbürgerschaft kann die persönliche Identitätsfindung der jungen betroffenen Menschen gestärkt und gefestigt werden, da sie sich nicht mehr zwischen zwei Staatsbürgerschaften entscheiden müssen. Damit wird ein möglicher Konflikt in der Identitätsfindung vermieden.
- Zudem kann der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu einer erhöhten Rechtssicherheit für die jungen Betroffenen beitragen. Denn mit der deutschen Staatsbürgerschaft können sie sich permanent und unbefristet in Deutschland aufhalten. Dies kann jungen Menschen Anreize bieten, dauerhaft in Deutschland zu leben, hier langfristig zu arbeiten und sich zu integrieren.
Betroffene Gruppen junger Menschen
Betroffen sind in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe ausländische junge Menschen von 16 bis 27 Jahren, die Staatsbürger eines DrittstaatesDrittstaaten sind solche Staaten, die nicht Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind. Die Schweiz gilt ebenfalls nicht als Drittstaat. sind, seit fünf Jahren in Deutschland leben und die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben wollen ohne, dass sie dafür die Staatsangehörigkeit ihres Herkunftsstaates aufgeben wollen.
Daneben sind auch junge Menschen im Alter von 21 bis 27 Jahren betroffen, die nicht in Deutschland aufgewachsen sindPersonen, die sowohl die deutsche, als auch eine ausländische Staatsbürgerschaft besitzen und in Deutschland aufgewachsen sind, sind bereits seit Dezember 2014 nicht mehr optionspflichtig, d.h. sie müssen sich nach der Vollendung des 18. Lebensjahres nicht mehr entscheiden, ob sie entweder die deutsche, oder stattdessen eine ausländische Staatsbürgerschaft innehaben. Eine Person gilt als in Deutschland aufgewachsen, wenn sie sich bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres entweder für acht Jahre gewöhnlich in Deutschland aufgehalten hätte, sechs Jahre in Deutschland eine Schule besucht hätte oder über einen in Deutschland erworbenen Schulabschluss bzw. eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen würde., die deutsche Staatsbürgerschaft allerdings durch Geburt im Inland erworben haben und zusätzlich eine andere ausländische Staatsangehörigkeit als die eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder der Schweiz innehaben (in der Regel die Staatsbürgerschaft, die auch ihre Eltern besitzen).
Jugendrelevante Auswirkungen
Generelle Zulässigkeit der doppelten Staatsbürgerschaft
Streichung von § 10 Abs. 1 Nr. 4, § 17 Abs. 1 Nr. 4, § 29 StAG
Für eine Einbürgerung in Deutschland soll von Menschen aus Drittstaaten, die seit mindestens fünf Jahren in Deutschland leben, künftig nicht mehr die Aufgabe oder der Verlust der bisherigen, d.h. der nicht-deutschen Staatsbürgerschaft vorausgesetzt werden. Die bisherige Regelung soll nun ersatzlos entfallen, weshalb § 10 Abs. 1 Nr. 4 Staatsangehörigkeitsrecht (StAG) gestrichen werden soll.
Darüber hinaus sollen auch diejenigen, die zwar nicht im Inland aufgewachsen sind, aber die deutsche Staatsbürgerschaft durch Geburt erworben haben und zusätzlich noch eine andere ausländische Staatsbürgerschaft als die eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzen (in der Regel die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern), nicht mehr optionspflichtig sein. Dazu soll § 29 StAG ersatzlos gestrichen werden, nach dem Betroffene derzeit mit Vollendung des 21. Lebensjahres erklären müssen, ob sie die deutsche oder stattdessen die ausländische Staatsangehörigkeit behalten wollen. Somit wäre es für diese Gruppe in Zukunft möglich, neben der deutschen gleichzeitig auch noch die Staatsangehörigkeit eines Drittstaates innezuhaben (doppelte Staatsbürgerschaft). Daran anknüpfend soll der geltende § 17 Abs. 1 Nr. 4 StAG gestrichen werden, der als Voraussetzung für den Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft den Erwerb einer ausländischen Staatsbürgerschaft anführte.
Durch die generelle Zulässigkeit der doppelten Staatbürgerschaft können sich für die betroffenen jungen Menschen verschiedene Auswirkungen ergeben. In erster Linie kann der Erwerb der deutschen und damit auch einer doppelten Staatsbürgerschaft jungen Nicht-EU-Ausländerinnen und Ausländern eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Zusammenleben in Deutschland ermöglichen. Denn erst durch den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft können junge Menschen, die zum Beispiel aus der Türkei oder Südkorea zum Studium nach Deutschland gekommen sind und schon seit mindestens fünf Jahren ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, an zentralen Bereichen des politischen Lebens umfassend und gleichberechtigt mitwirken. Gerade bei jungen Menschen besteht ein großes Bedürfnis, sich regelmäßig über politische Geschehnisse zu informierenVgl. Tobias Spöri u. a., „Jung. Digital. Engagiert? Eine Studie zum politischen Informationsverhalten und Engagement junger Menschen in Deutschland“, 2022, 13. und Einfluss auf die Politik zu nehmenVgl. Vodafone Stiftung, „Jugend will bewegen. Politische Beteiligung junger Menschen in Deutschland.“, 2020, 4.. Mit dem Erlangen der deutschen Staatsbürgerschaft wäre dies möglich, da ihnen damit das aktive und passive Wahlrecht auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, sowie bei Europawahlen zusteht und sie so das Recht zur vollen politischen Teilhabe haben, ohne dass sie die Staatsbürgerschaft ihres Herkunftslandes aufgeben müssen. Gleiches gilt für junge Drittstaatsangehörige, die durch Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft erlangt haben und nun nicht mehr zwischen der deutschen und der ausländischen Staatsangehörigkeit wählen müssen. Indem sie auch nach Vollendung ihres 23. Lebensjahres deutsche Staatsangehörige bleiben können, bleiben ihnen die entsprechenden politischen Teilhaberechte dauerhaft erhalten.
Zudem kann eine doppelte Staatsbürgerschaft dazu führen, dass die persönliche Identitätsfindung der jungen betroffenen Menschen gestärkt und gefestigt wird. So fühlen sich gerade junge Menschen mit Migrationshintergrund oftmals nicht nur der deutschen Gesellschaft und Kultur zugehörig, sondern daneben auch der ihres Herkunftslands bzw. des Herkunftslands ihrer Eltern. Auch bestehen oftmals enge soziale und familiäre Beziehungen, die die Verbundenheit zum Herkunftsland stärken können.Vgl. Naika Foroutan und Isabel Schäfer, „Hybride Identitäten – muslimische Migrantinnen und Migranten in Deutschland und Europa“, Aus Politik und Zeitgeschehen, 2009, https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/32223/hybride-identitaeten-muslimische-migrantinnen-und-migranten-in-deutschland-und-europa/ zuletzt aufgerufen am: 24.01.2023. Aus diesen Gründen ist es möglich, dass junge Betroffene den Bezug zu ihrem Herkunftsland bzw. dem ihrer Eltern nicht völlig aufgeben wollen. Eine Entscheidungspflicht für die eine und gegen die andere Staatsangehörigkeit – wie nach bisher geltendem Recht vorgesehen – kann bei jungen Menschen eine Identitätsfrage und damit einhergehende psychische Belastungen hervorrufen. Durch die generelle Zulässigkeit von Mehrstaatigkeit kann jedoch den Bedürfnissen der betroffenen Personen entsprochen werden, deren persönliche Identität durch mehr als nur einen kulturellen und nationalen Hintergrund geprägt wird.
Des Weiteren kann der Erwerb der deutschen und damit der doppelten Staatsangehörigkeit jungen Betroffenen in vielerlei Hinsicht eine höhere Rechtsicherheit bieten. Zum einen erhalten sie mit der deutschen Staatsbürgerschaft die Sicherheit, sich permanent und unbefristet in Deutschland aufhalten zu können. Dies kann gerade jungen Menschen, die bislang einen lediglich befristeten Aufenthaltsstatus hatten, Anreize bieten, dauerhaft in Deutschland zu leben, hier langfristig zu arbeiten und sich zu integrieren. Zum anderen sind junge Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft sozial abgesichert, denn eine Aufgabe bzw. der Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft kann dazu führen, dass der Anspruch auf Sozialhilfe erlischt. Das kann insbesondere in der Übergangszweit zwischen einer abgeschlossenen Ausbildung und dem Berufseinstieg für junge Menschen von (finanzieller) Relevanz sein.
Ferner können sich die Bildungschancen junger Drittstaatsangehöriger mit dem Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft verbessern. Denn bislang müssen junge Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die z.B. eine Ausbildung oder ein Studium in Deutschland absolvieren wollen, ein Ausbildungs-, Studien- oder Arbeitsvisum beantragen bzw. nach Ablauf verlängern. Dieses Verfahren kann mitunter lange Zeit in Anspruch nehmen und gewisse Kosten nach sich ziehen. Deutsche Staatsangehörige benötigen dagegen keine Aufenthaltserlaubnis, um in Deutschland eine Ausbildung oder ein Studium zu beginnen, sodass der bürokratische Aufwand insgesamt deutlich reduziert werden kann. Dies wiederum kann den Zugang zum deutschen Bildungssystem erleichtern. Hinzu kommt, dass für junge Auszubildende und Studierende unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus zukünftig die Möglichkeit bestünde, bedarfsabhängig Leistungen zur Unterstützung in der Ausbildung (z.B. BAföGAusländische Studierende konnten bislang nur dann BAFöG beziehen, wenn sie eine Bleibeperspektive in Deutschland hatten und gesellschaftlichen integriert waren. Das war beispielsweise mit einem Daueraufenthaltsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU, einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG oder einer Niederlassungserlaubnis der Fall.) zu empfangen und sie dadurch finanziell auf ihrem Bildungsweg zu entlasten. Zudem können die Betroffenen durch die deutsche Staatsbürgerschaft auch solche Berufe ergreifen und Aufgaben erfüllen, die bislang deutschen Staatsangehörigen vorbehalten waren, wie z.B. das Richteramt oder die Tätigkeit als Berufssoldat.Vgl. § 9 Nr. 1 DRiG, § 37 Abs. 1 Nr. 1 SG, vgl. auch § 7 Abs. 2 BeamtStG Damit kann ihnen eine größere Auswahl an Berufen auf dem Arbeitsmarkt offenstehen.
Auch kann die Mobilität junger Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft gestärkt werden. Denn durch den Erwerb der Mehrstaatigkeit wird nicht nur das Ein- und Ausreisen nach Deutschland oder in das Herkunftsland erleichtert, sondern sie können sich weiterhin bestimmte Mobilitätsrechte in andere Staaten bewahren bzw. erhalten diese durch den Erwerb. Insbesondere für junge Menschen kann es aufgrund familiärer Beziehungen wichtig sein, in ihr bzw. das Herkunftsland ihrer Familie regelmäßig und unkompliziert einreisen zu können. Gegebenenfalls haben sie auch noch keine endgültige Entscheidung über ihren langfristigen Aufenthalt in Deutschland oder eine Rückkehr in das Herkunftsland getroffen und haben daher möglicherweise ein verstärktes Bedürfnis nach einer erhöhten und unkomplizierten Mobilität.
Gültigkeitsdauer eines Passes über die Vollendung des 23. Lebensjahres hinaus
§ 5 PassG, § 6 PAuswG
Die Gültigkeitsdauer eines Passes für bislang nach § 29 StAG optionspflichte Personen soll künftig an keine besonderen Voraussetzungen mehr geknüpft werden, sodass er in der Regel seine Gültigkeit erst nach zehn Jahren verliertVgl. dazu § 5 Abs. 1 PassG und § 6 Abs. 1 PAuswG. Bislang verlor der Pass einer optionspflichtigen Person bei Vollendung des 23. Lebensjahres automatisch seine Gültigkeit und konnte nicht verlängert werden, bevor die zuständige Behörde das Fortbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit der passinhabenden Person erneut festgestellt hatte. Mit dem Wegfall der Optionspflicht sollen die bisherigen Vorgaben zur Gültigkeitsdauer eines Passes von optionspflichtigen Personen nun auch entfallen, weshalb § 5 Abs. 5 PassG und § 6 Abs. 6 Passausweisgesetz (PAuswG) ersatzlos gestrichen werden sollen.
Durch den Wegfall der Optionspflicht ist die Gültigkeitsdauer des Passes von betroffenen jungen Menschen nicht mehr bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres befristet und abhängig von einer Feststellung der deutschen Staatsbürgerschaft. Damit bemisst sich die Gültigkeitsdauer des Passes in Zukunft nach denselben Vorgaben, die auch für die Pässe der Personen gelten, die ihrerseits ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft innehaben. Für die betroffenen jungen Menschen kann sich damit zukünftig der bürokratische Aufwand reduzieren, da sie keinen Antrag auf Verlängerung des Passes und Feststellung der deutschen Staatsbürgerschaft mehr stellen müssen. Junge Menschen, die ggf. noch wenig Erfahrung mit bürokratischen Verfahren haben und nicht wissen, dass die Gültigkeit des Passes abläuft, könnten so davor geschützt werden, keinen gültigen Pass mehr zu haben. Da die Ausstellung eines Passes ebenfalls mit Kosten verbunden ist, können betroffene junge Menschen durch die längere Gültigkeit finanziell entlastet werden.