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Jugend-Check zum ReferentenentwurfRegierungsentwurf
11. Dez. 2025

Psychosoziale Prozessbegleitung

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Verletzten insbesondere schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten auf psychosoziale Prozessbegleitung (Stand: 26.11.2025)

Ressort: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV)

Ziel des Gesetzentwurfs

Ziel des Gesetzentwurfs ist die Änderung der Strafprozessordnung (StPO) und weiterer Vorschriften, um sicherzustellen, dass minderjährige Opfer von Sexual- oder schweren Gewaltdelikten sowie Betroffene häuslicher Gewalt leichter Zugang zu einer psychosozialen Prozessbegleitung erhalten.Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Verletzten insbesondere schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten auf psychosoziale Prozessbegleitung (26.11.2025), 1. Zudem soll Opfern typischer Fälle häuslicher Gewalt in besonders schwerwiegenden Situationen ein Rechtsanspruch auf die Beiordnung eines kostenfreien Rechtsbeistands eingeräumt werden.Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Verletzten insbesondere schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten auf psychosoziale Prozessbegleitung, 2.

Zusammenfassung möglicher Auswirkungen

Das Kompetenzzentrum Jugend-Check hat folgende mögliche Auswirkungen identifiziert:

  • In Zukunft soll der Zugang zu psychosozialer Prozessbegleitung für Minderjährige und besonders schutzbedürftige junge Erwachsene, die durch eine Sexual- oder eine schwere Gewaltstraftat verletzt wurden, vereinfacht werden (§ 406g Abs. 3 i.V.m. § 397a StPO). Hürden zur Nutzung dieser nicht-rechtlichen Betreuung sollen u. a. dadurch abgebaut werden, dass künftig für minderjährige Verletzte der in § 397a Absatz 1 StPO genannten Straftaten keine Antragsstellung mehr erforderlich sein soll (§ 406g Abs. 3 S. 2 StPO). Dadurch könnte sich der Kreis derjenigen betroffenen jungen Menschen erweitern, die dieses Hilfsangebot in Anspruch nehmen. Folglich könnten mehr junge Menschen vor, während und nach einem Prozess professionelle Hilfe erhalten. Sie könnten das Strafverfahren besser verstehen und ihre Ängste und Sorgen besprechen.
  • Neben dieser emotionalen Stütze kann der vereinfachte Zugang zu psychosozialer Prozessbegleitung auch dazu führen, dass mehr junge Menschen besser über ihre Rechte aufgeklärt werden und sie folglich durch ein größeres Verständnis und mehr Selbstsicherheit auch ihre Teilhabe am Prozessgeschehen verstärken können.
  • Ferner sollen Opfer typischer Delikte häuslicher Gewalt, wie Körperverletzung oder Nachstellung, in gravierenden Fällen einen kostenfreien Rechtsbeistand bekommen (§ 397a Abs. 3a StPO). Dadurch können sich die Verletzten dieser Delikte in gravierenden Fällen auf Antrag eines anwaltlichen Beistands bedienen, ohne ihre wirtschaftlichen Verhältnisse offenlegen oder die Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe erfüllen zu müssen. Insbesondere für junge Menschen, die meist noch nicht über viele finanzielle Mittel verfügen, kann dies eine Hilfe bei der Bewältigung des Prozesses in einer ohnehin schon belastenden Situation sein.

Betroffene Gruppen junger Menschen

Betroffene sind in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe in erster Linie Minderjährige, die Opfer von Sexual- oder schweren Gewaltdelikten geworden sind, als Zeuginnen oder Zeugen vor Gericht aussagen müssen und in diesem Kontext künftig auf die Möglichkeit der psychosozialen Prozessbegleitung hingewiesen werden. Obschon die Datenlage hinsichtlich der Inanspruchnahme der psychosozialen Prozessbegleitung von Ungenauigkeiten bei der Erhebung geprägt ist,Vgl. BMJV, Bericht des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur psychosozialen Prozessbegleitung an den nationalen Normenkontrollrat, Az. 4103-14-R5 221/2020 (2021), 35, https://kripoz.de/wp-content/uploads/2021/02/Bericht_Psychosoziale_Prozessbegleitung.pdf (Zuletzt abgerufen am 02.12.2025). wurden für das Jahr 2024 bundesweit etwa 605 Anfragen in der Altersgruppe der unter 18-Jährigen zur psychosozialen Prozessbegleitung ausgewiesen.Vgl. Bundesverband Psychosoziale Prozessbegleitung BPP e.V., Bundesweite statistische Erhebung zur Psychosozialen Prozessbegleitung 2024 (2024), 34, https://bpp-bundesverband.de/site/assets/files/1139/bundesweite_statistische_erhebung_zur_psychosozialen_prozessbegleitung_2024.pdf (Zuletzt abgerufen am 02.12.2025). Betroffen sein können auch junge Erwachsene, wenn sie besonders schutzbedürftig sind und Opfer von Sexual- oder schweren Gewaltdelikten geworden sind.

Ebenso betroffen sind junge Menschen im Alter von 12 bis 27 Jahren, in deren Familien es (mutmaßlich) zu partnerschaftlicher Gewalt im Sinne der §§ 223, 224 und 238 Strafgesetzbuch (StGB) gekommen ist, oder die selbst Opfer dieser Gewalt waren, und vor Gericht als Zeuginnen oder Zeugen aussagen müssen.

Jugendrelevante Auswirkungen

Erleichterter Zugang zur psychosozialen Prozessbegleitung und kostenfreier Rechtsbeistand

§§  48a Abs. 1 S. 3; 373b;  395 Abs. 1 Nr. 3 und 5; 397a Abs. 3a; 406g Abs. 1 S. 3 sowie Abs. 3 und 4 S. 1 StPO; § 187 Abs. 4 S. 2 GVG; §§ 223, 224 und 238 StGB; § 4 S. 1 GewSchG

Mit dem Gesetzentwurf soll der seit 2017 bestehende Anspruch Minderjähriger sowie besonders schutzbedürftiger erwachsener Opfer von Sexual- oder schweren Gewaltdelikten auf eine psychosoziale Prozessbegleitung gestärkt und der Zugang zu dieser Unterstützung erleichtert werden, vgl. § 406g Abs. 3 i.V.m. § 397a StPO. Die psychosoziale Prozessbegleitung umfasst als besonders intensive Form der nicht-rechtlichen Unterstützung die qualifizierte Betreuung, Information und Begleitung der Betroffenen im gesamten Strafverfahren.Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Verletzten insbesondere schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten auf psychosoziale Prozessbegleitung, 1.

Bei Bestehen eines Anspruchs auf Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters sind die Betroffenen künftig auf diese Möglichkeit hinzuweisen, vgl. § 48a Abs. 1 S. 3 StPO i.V.m. § 373b StPO. Die Regelung stellt eine Folgebestimmung zu dem neu gefassten § 406g Abs. 3 S. 3 StPO dar, der die Beiordnung einer psychosozialen Prozessbegleitung für minderjährige Verletzte von Amts wegen sowie ein entsprechendes Initiativrecht der Staatsanwaltschaft vorsieht.Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Verletzten insbesondere schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten auf psychosoziale Prozessbegleitung, 16. D.h., dass künftig das Antragserfordernis für eine Beiordnung einer psychosozialen Prozessbegleitung für minderjährige Verletzte der in § 397a Absatz 1 StPO genannten Straftaten entfallen kann.

Darüber hinaus sieht die Neuregelung vor, dass der psychosoziale Prozessbegleiter bzw. die psychosoziale Prozessbegleiterin über den Termin der Hauptverhandlung sowie über den Ausgang des Verfahrens zu unterrichten ist, vgl. § 406g Abs. 1 S. 3 StPO. Zudem soll im Gerichtsverfassungsgesetz eine Klarstellung zur Inanspruchnahme von Verdolmetschungsleistungen im Rahmen der psychosozialen Prozessbegleitung erfolgen: Das Gericht hat einen Dolmetscher hinzuzuziehen, sofern sich die betroffene Person und der psychosoziale Prozessbegleiter nicht in einer für beide verständlichen Sprache verständigen können, vgl. § 187 Abs. 4 S. 2 GVG. Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Verletzten insbesondere schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten auf psychosoziale Prozessbegleitung, 9.

Zudem soll künftig auch Opfern von Straftaten aus dem Bereich häuslicher Gewalt, die einen erhöhten Bedarf an nichtrechtlicher Unterstützung aufweisen, in besonders schweren Fällen die Inanspruchnahme einer psychosozialen Prozessbegleitung ermöglicht werden, vgl. § 406g Abs. 3 S. 1 StPO. Ferner sollen Opfer typischer Delikte häuslicher Gewalt, wie Körperverletzung oder Nachstellung, in gravierenden Fällen einen Rechtsanspruch auf die Beiordnung eines für sie kostenfreien Rechtsbeistands nach § 397a Abs. 3a StPO erhalten.Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Verletzten insbesondere schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten auf psychosoziale Prozessbegleitung, 2. Somit wird der Katalog des § 397a Abs. 1 StPO um die Straftatbestände gravierender häuslicher Gewalt erweitert. Dazu zählen insbesondere rechtswidrige Taten nach den §§ 223, 224 und 238 StGB (Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, Nachstellung) sowie nach § 4 S. 1 GewSchG (Schutz vor Gewalt und Nachstellung), sofern sie einen bestimmten Schweregrad erreichen.

Die 2017 eingeführte Möglichkeit der psychosozialen Prozessbegleitung für Minderjährige und besonders schutzbedürftige Erwachsene hat verschiedenen Berichten zufolge Nachbesserungsbedarf.Vgl. BMJV, Bericht des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur psychosozialen Prozessbegleitung an den nationalen Normenkontrollrat, 1. Dieser besteht in erster Linie hinsichtlich der sog. Beiordnungszahlen, die hinter den prognostizierten Erwartungen zurückgeblieben sind. Vgl. BMJV, Bericht des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur psychosozialen Prozessbegleitung an den nationalen Normenkontrollrat, 35.

Um insbesondere mehr minderjährigen Opfern von Gewalttaten einen altersgerechten Schutz und Unterstützung anzubieten, soll in Zukunft der Zugang zu psychosozialer Prozessbegleitung für Minderjährige vereinfacht werden. Hürden zur Nutzung dieser nicht-rechtlichen Betreuung sollen u. a. dadurch abgebaut werden, dass künftig für minderjährige Verletzte der in § 397a Abs. 1 StPO genannten Straftaten, zum Beispiel sexuelle Nötigung oder Menschenhandel, keine Antragsstellung mehr erforderlich sein soll. Dadurch könnte sich der Kreis derjenigen betroffenen jungen Menschen erweitern, die dieses Hilfsangebot in Anspruch nehmen. Folglich könnten mehr Jugendliche vor, während und nach einem Prozess professionelle Hilfe erhalten. Da die psychosoziale Prozessbegleitung in erster Linie „dem Abbau von Belastungen und Ängsten des Verletzten im Zusammenhang mit dem Strafverfahren“ dient,Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Verletzten insbesondere schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten auf psychosoziale Prozessbegleitung, 8. könnte sich der vereinfachte Zugang zu diesem Angebot förderlich auf die psychische Gesundheit der betroffenen Jugendlichen auswirken. Indem die Jugendlichen eine professionelle Ansprechperson erhalten, die sie vor Gericht begleitet, ihnen Fragen beantwortet und ihnen als Gesprächspartner dient, können sie das Strafverfahren besser verstehen und ihre Ängste und Sorgen besprechen. Dies kann auch für besonders schutzbedürftige junge Erwachsene gelten, für die der Zugang zu psychosozialer Prozessbegleitung künftig vereinfacht werden soll, indem für Opfer besonders gravierender Delikte (z. B. schwerer Sexualverbrechen) das Erfordernis der Darlegung einer besonderen Schutzbedürftigkeit entfallen soll. „Opfer dieser Straftaten kämpfen oft mit dem Verlust ihres Selbstwertgefühls, leiden unter Kontakt- und Beziehungsstörungen, haben Scham- und Schuldgefühle und können in schweren Fällen Angststörungen und Depressionen entwickeln.“Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Verletzten insbesondere schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten auf psychosoziale Prozessbegleitung, 19. Daher kann ein vereinfachter Zugang zu psychosozialer Prozessbegleitung insbesondere für junge Erwachsene von großer Hilfe sein, die in dieser Lebensphase mit zahlreichen Entwicklungsaufgaben konfrontiert sind. Eine professionelle Begleitung kann sie dabei unterstützen, ihre Erlebnisse zu verarbeiten und Orientierung für die nächsten Schritte nach der Verhandlung zu finden.

Neben dieser emotionalen Stütze kann der vereinfachte Zugang zu psychosozialer Prozessbegleitung auch dazu führen, dass mehr junge Menschen besser über ihre Rechte aufgeklärt werden und sie folglich durch ein größeres Verständnis und mehr Selbstsicherheit auch ihre Teilhabe am Prozessgeschehen verstärken können. Insbesondere im Jugendalter möchten Minderjährige als gleichwertige Gesprächspartner behandelt werden. „Jugendliche haben ein Denkvermögen, das ihnen erlaubt, sich gut auch mit komplizierten Sachverhalten auseinanderzusetzen. […] Für den Kooperationswillen von Jugendlichen ist es wichtig, dass sie Sinn und Zweck einer Anhörung verstehen und eine eigene Motivation dafür entwickeln können“.Marie Meierhofer Institut für das Kind und UNICEF Schweiz, Hrsg., Die Kindesanhörung. Ein Leitfaden für die Praxis im Rechts-, Bildungs- und Gesundheitswesen (Zürich, 2014), 15, https://www.unicef.ch/sites/default/files/2018-08/brosch_kindesanhoerung_leitfaden_de.pdf (Zuletzt abgerufen am 02.12.2025). Vor diesem Hintergrund könnten die Maßnahmen zur Steigerung der Beiordnungszahlen mehr betroffene junge Menschen während eines Verfahrens unterstützen.

Die Qualität der Prozessbegleitung könnte zudem dadurch steigen, dass die psychosozialen Prozessbegleiter bzw. -begleiterinnen künftig über den Termin der Hauptverhandlung sowie über den Ausgang des Verfahrens zu unterrichten sind und, sofern nötig, eine Verdolmetschungsleistung im Rahmen der psychosozialen Prozessbegleitung erfolgen soll. Somit können die Minderjährigen entsprechend professionell unterstützt werden: Emotional sowie durch Informationen und altersgerechte Erklärungen – auch unabhängig von sprachlichen Barrieren.

Ferner soll es Opfern häuslicher Gewalt künftig möglich sein, in besonders schweren Fällen die Inanspruchnahme einer psychosozialen Prozessbegleitung wahrzunehmen. Insbesondere Verletzte im Kindesalter haben einen besonderen Unterstützungs- und Schutzbedarf und dies „gilt umso mehr, [weil] Straftaten gegen sie häufig im familiären Umfeld begangen werden oder durch Personen, von denen sie abhängig sind“.Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Verletzten insbesondere schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten auf psychosoziale Prozessbegleitung, 20. Durch die psychosoziale Prozessbegleitung können sie sich einer Person außerhalb der Familie anvertrauen, Sorgen und Ängste teilen und dadurch mit einer hierin geschulten Person gewaltsame Erlebnisse verarbeiten.

Zudem sollen Opfer typischer Delikte häuslicher Gewalt, wie Körperverletzung oder Nachstellung, in gravierenden Fällen einen kostenfreien Rechtsbeistand bekommen. Dadurch können sich die Verletzten dieser Delikte, die nach § 395 Abs. 1 Nr. 3 und 5 StPO zur Nebenklage berechtigt sind, in gravierenden Fällen auf Antrag eines anwaltlichen Beistands bedienen, ohne ihre wirtschaftlichen Verhältnisse offenlegen oder die Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe erfüllen zu müssen.Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Verletzten insbesondere schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten auf psychosoziale Prozessbegleitung, 17. Insbesondere für junge Menschen, die meist noch nicht über viele finanzielle Mittel verfügen, kann in dies eine Hilfe bei der Bewältigung des Prozesses in einer ohnehin schon belastenden Situation sein.

Quellen

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