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Jugend-Check zum ReferentenentwurfRegierungsentwurf
25. Juli 2025

Vaterschaftsanfechtung

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Vaterschaftsanfechtung (Stand 04.07.2025)

Ressort: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV)

Ziel des Gesetzentwurfs

Ziel des Gesetzentwurfs ist es, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09. April 2024 (1 BvR 2017/21) in Bezug auf die Anfechtungsmöglichkeiten zur rechtlichen Vaterschaft gesetzlich umzusetzen. Im Zentrum der geplanten gesetzlichen Maßnahmen steht die Neuregelung des Rechts zur Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft durch den leiblichen Vater, um hierdurch den Grundrechten aller Beteiligten in ausgewogener Weise Rechnung zu tragen. Auf diese Weise soll zudem einem sogenannten „Wettlauf um die Vaterschaft“ vorgebeugt werden bzw. dieser sachgerecht gelöst werden.Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Vaterschaftsanfechtung“, 4. Juli 2025, 1.

Zusammenfassung möglicher Auswirkungen

Das Kompetenzzentrum Jugend-Check hat folgende mögliche Auswirkungen identifiziert:

  • Die persönliche Zustimmung des Kindes soll auch dann zwingende Voraussetzung für die Anerkennung der Vaterschaft sein, wenn der Mutter die elterliche Sorge zusteht (§§ 1595 Abs. 2, 1596 Abs. 4 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 1 BGB). Dies kann die Perspektive Jugendlicher in Verfahren zur Vaterschaftsanerkennung stärken, da sie ab 14 Jahren grundsätzlich persönlich einer Vaterschaftsanerkennung zustimmen können sollen (§ 1596 Abs. 4 S. 3 BGB), wodurch ihre Selbst- und Mitbestimmungsmöglichkeiten gestärkt werden können. Jugendliche unter 14 Jahren erhalten diese Mitbestimmungsmöglichkeiten nur eingeschränkt, da ihre Zustimmung durch den gesetzlichen Vertreter abgegeben werden soll (§ 1596 Abs. 4 S. 2 BGB). Auch wenn die Perspektive betroffener Jugendlicher so in Zukunft ein höheres Gewicht in Verfahren zur Vaterschaftsanerkennung erhalten kann, soll die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erforderlich bleiben (§ 1596 Abs. 4 S. 3 Hs. 2 BGB).
  • Eine Vaterschaftsanfechtung soll durch ein Kind ab 14 Jahren künftig eigenständig erklärt werden können. Die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters soll hierzu nicht erforderlich sein (§ 1600a Abs. 4 S. 1-2 BGB). Dies kann die Mitbestimmung und Selbstwirksamkeit Jugendlicher stärken, da sie eine Vaterschaftsanfechtung selbst auf den Weg bringen können, etwa wenn sie eine sozial-familiäre Beziehung zu ihrem leiblichen Vater aufgebaut haben und diesen als rechtlichen Vater anerkennen lassen wollen.
  • Die Frist für eine Vaterschaftsanfechtung von zwei Jahren soll ab dem Zeitpunkt, ab dem der Anfechtungsberechtigte von dem Umstand erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen, grundsätzlich erst mit Eintritt der Volljährigkeit beginnen und nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres enden, unabhängig davon, ob die Umstände bereits vorher bekannt waren (§ 1600 b Abs. 1 S. 1-3 BGB). Anfechtungsberechtigte junge Väter erhalten durch die Neuregelung künftig mehr Zeit, um abzuwägen und zu entscheiden, auf welche Weise und in welchem Umfang sie in das Leben ihres leiblichen Kindes involviert sein möchten.

Betroffene Gruppen junger Menschen

Betroffen sind junge Menschen für die eine Vaterschaft anerkannt werden soll und die dieser Anerkennung zustimmen müssen. Spezifisch betroffen sind junge Menschen zwischen 14 und 17 Jahren, für die eine Vaterschaft anerkannt werden soll und die dieser Anerkennung zustimmen müssen. Weiterhin sind Jugendliche zwischen 12 und 13 Jahren betroffen, für die eine Vaterschaft anerkannt werden soll und für die ihre Zustimmung durch ihren gesetzlichen Vertreter abgegeben werden soll.

Betroffen sind auch Minderjährige zwischen 12 und 17 Jahren, bei denen die rechtliche Vaterschaft durch den leiblichen Vater nur unter bestimmten Voraussetzungen angefochten werden kann. Davon sind junge Menschen ab Vollendung des 14. Lebensjahres spezifisch betroffen, die selbstständig eine Vaterschaftsanfechtung erklären möchten. Als Volljährige sind sie insofern betroffen, als dass sie der Anfechtung der Vaterschaft aktiv widersprechen können.

Darüber hinaus können in diesem Kontext auch junge Männer bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs betroffen sein, die zwar die leiblichen Väter eines Kindes sind, allerdings nicht im rechtlichen Sinne als zweites Elternteil gelten. Im Jahr 2023 wurden 182 junge Männer unter 18 Jahre Vater, weitere 6.3427 waren zwischen 18 und einschließlich 21 Jahre alt. Die große Mehrheit war nicht verheiratetVgl. Statistisches Bundesamt, „Code: 12612-0006 Lebendgeborene: Deutschland, Jahre, Alter des Vaters, Familienstand des Vaters“, 18. Juli 2025, https://www-genesis.destatis.de/genesis/online?language=de&sequenz=tabelleErgebnis&selectionname=12612-0006#abreadcrumb, letzter Abruf: 21.07.2025. und damit nicht automatisch durch eine bestehende Ehe mit der Geburtsmutter rechtlicher Vater ihres Kindes.

Jugendrelevante Auswirkungen

Stärkung der Rechte des Kindes im Falle der Anfechtung sowie der Anerkennung der Vaterschaft

§§ 1594 Abs. 5 S. 1; 1595 Abs. 2; 1596 Abs. 4 S. 1 i.V.m Abs. 1 S. 1; 1600 Abs. 2 und 3; 1600a Abs. 3 und 4 BGB und §§ 175 Abs. 2, 176 Abs. 1 S. 1 FamFG

Mit dem Gesetz sollen grundlegende Neuregelungen der Anerkennung der Vaterschaft durch leibliche Väter geschaffen werden. Zudem soll auch die Rolle des Kindes innerhalb der Anfechtungsverfahren bzw. im Zusammenhang mit der Anerkennung der Vaterschaft gestärkt werden.

Künftig soll für die Anerkennung der Vaterschaft die persönliche Zustimmung des Kindes zwingende Voraussetzung sein, vgl. §§ 1595 Abs. 2, 1596 Abs. 4 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 1 BGB. Bisher kommt es auf die Zustimmung des Kindes nur dann an, wenn der Mutter die elterliche Sorge für diese Entscheidung nicht zusteht. Die Zustimmung der Mutter ist gegenwärtig, wie auch zukünftig weiterhin Voraussetzung für die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung.Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Vaterschaftsanfechtung“, 30. Mai 2025, 26. Ist das Kind, dessen Zustimmung es für die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung stets bedarf, noch jünger als 14 Jahre und damit beschränkt geschäftsfähig, kann die Zustimmung nicht selbst abgegeben werden, sondern lediglich durch den gesetzlichen Vertreter, vgl. § 1596 Abs. 4 S. 2 BGB. Kinder, die bereits 14 Jahre oder älter sind, sollen grundsätzlich nur persönlich der Vaterschaftsanerkennung zustimmen können, vgl. § 1596 Abs. 4 S. 3 BGB. Dafür soll jedoch auch künftig die (formale) Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters erforderlich sein, vgl. § 1596 Abs. 4 S. 3 Hs. 2 BGB.

Darüber hinaus soll grundsätzlich eine Anerkennung der Vaterschaft für den Zeitraum nicht wirksam sein, während dessen ein Verfahren zur Anerkennung der Vaterschaft eines anderen Mannes für dasselbe Kind anhängig ist, vgl. § 1594 Abs. 5 S. 1 BGB.

Auch für die Anfechtung der Vaterschaft sollen Neuregelungen geschaffen werden. Ist das Kind noch minderjährig, so soll die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft durch den mutmaßlich leiblichen Vater nach den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes ausgeschlossen sein, wenn zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater eine sozial-familiäre Beziehung besteht, vgl. § 1600 Abs. 3 S. 1 BGB. Abweichendes soll wiederum für den Fall gelten, in dem beispielsweise zwischen dem Kind und seinem mutmaßlichen leiblichen Vater ebenfalls eine sozial-familiäre Beziehung besteht, früher bestanden hat oder sich der mutmaßliche leibliche Vater hierum erfolglos bemüht hat, vgl. § 1600 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 – Nr. 3  BGB. Allerdings sollen auch diese Ausnahmen nicht gelten, wenn es im Interesse des Kindeswohls erforderlich ist, dass die bestehende Vaterschaft bestehen bleibt, vgl. § 1600 Abs. 3 S. 3 BGB.

Des Weiteren soll eine Vaterschaftsanfechtung durch das Kind künftig eigenständig erklärt werden können, sofern es das 14. Lebensjahr bereits vollendet hat, vgl. § 1600a Abs. 4 S. 1 BGB. Die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters soll hierzu nicht erforderlich sein, vgl. § 1600a Abs. 4 S. 2 BGB. Bisher war für die Erklärung der Vaterschaftsanfechtung eines minderjährigen Kindes stets die Erklärung durch den gesetzlichen Vertreter notwendig.Vgl. § 1600a Abs. 3. BGB, geltendes Recht. Für Kinder, die jünger als 14 Jahre alt sind, ändert sich hingegen nichts bezüglich der Möglichkeit einer Erklärung der Vaterschaftsanfechtung, vgl. § 1600a Abs. 3 BGB.

Unabhängig etwaiger Zustimmungen und dem Bestehen einer sozial-familiären Beziehung soll in Zukunft im Rahmen des Anfechtungsverfahrens in jedem Verfahren eine individuelle Kindeswohlprüfung durch das Familiengericht durchgeführt werden, vgl. § 1600 Abs. 3 S. 3 BGB. Um die Durchführung der Kindeswohlprüfung gewährleisten zu können, soll stets die persönliche Anhörung des Kindes durch das Familiengericht in Anfechtungsverfahren erfolgen, vgl. § 175 Abs. 2 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Darüber hinaus soll in Anfechtungsverfahren, die vom mutmaßlich leiblichen Vater oder durch das Kind mittels des gesetzlichen Vertreters eingeleitet werden, eine Vertreterin oder ein Vertreter des Jugendamts angehört werden, vgl. § 176 Abs. 1 S. 1 FamFG.

Eine Anfechtung der Vaterschaft durch den vermutlich leiblichen Vater eines Kindes, welches zum Zeitpunkt der Anfechtungserklärung bereits volljährig ist, soll nur möglich sein, wenn das volljährige Kind der Anfechtung nicht widerspricht, vgl. § 1600 Abs. 2 BGB.

In Zukunft soll die Zustimmung des Kindes zur Anerkennung einer rechtlichen Vaterschaft unabhängig des Alters selbst dann erforderlich sein, wenn die Mutter allein sorgeberechtigt ist. Diese Neuregelung kann für junge Menschen psychisch entlastend wirken und ihre Selbstbestimmung stärken, indem in diesen Fällen eine Mitbestimmung ermöglicht wird. Es ist davon auszugehen, dass Mütter in Fällen, in denen es keinen rechtlichen Vater gibt, in der Regel das alleinige Sorgerecht für ihr Kind haben. Die Perspektive betroffener Jugendlicher kann so in Zukunft ein höheres Gewicht in Verfahren zur Vaterschaftsanerkennung erhalten. Für Jugendliche ab 14 Jahren, die die Zustimmung zur Vaterschaft selbst erklären können, kann die Regelung zu einer Stärkung der Eigenverantwortung beitragenVgl. Christian Alt, Markus Teubner, und Ursula Winkelhofer, „Partizipation in Familie und Schule - Übungsfeld der Demokratie“, Aus Politik und Zeitgeschichte, Sozialisation von Kindern, 6. Oktober 2005, https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/28786/partizipation-in-familie-und-schule-uebungsfeld-der-demokratie/, letzter Abruf: 21.07.2025., indem eine aktive Auseinandersetzung mit der eigenen familiären Situation gefördert wird. In der Möglichkeit zur persönlichen Zustimmung spiegelt sich zudem das in Artikel 12 der UN-KinderrechtskonventionBundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, „Übereinkommen über die Rechte des Kindes. VN-Kinderrechtskonvention im Wortlaut mit Materialien“, 2022, https://www.bmfsfj.de/resource/blob/93140/78b9572c1bffdda3345d8d393acbbfe8/uebereinkommen-ueber-die-rechte-des-kindes-data.pdf, letzter Abruf: 21.07.2025. verankerte Prinzip der Berücksichtigung des Kindeswillens wider, demzufolge junge Menschen bei allen sie betreffenden Angelegenheiten ihre Meinung frei äußern und diese entsprechend dem Alter angemessen zu berücksichtigen ist. Zwar kann die Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung von Jugendlichen ab 14 Jahren selbstständig erklärt werden, jedoch muss der gesetzliche Vertreter, in der Regel die Mutter, weiterhin zustimmen. Damit wird die Mitbestimmung Jugendlicher ab 14 Jahren weiterhin durch die Zustimmungspflicht der Mutter bzw. des gesetzlichen Vertreters eingeschränkt und es bedarf einer Mitwirkung dieser. Bei Jugendlichen unter 14 Jahren, wird die Zustimmung durch den gesetzlichen Vertreter stellvertretend für das Kind erklärt, weshalb Jugendliche unter 14 Jahren im Vergleich zu Jugendlichen ab 14 Jahren eine deutlich geminderte Stärkung der Selbst- und Mitbestimmung erfahren. Sie können weiterhin nur über ihren gesetzlichen Vertreter (bzw. die sorgeberechtigte Mutter) ihre Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung erklären.

Darüber hinaus kann die Aussetzung eines Verfahrens zur rechtlichen Anerkennung einer Vaterschaft, solange ein anderes entsprechendes Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, Jugendlichen helfen, Identitäts- und Herkunftskonflikte zu abzumildern. Denn so kann verhindert werden, dass Jugendliche in hoch konfliktbeladenen Familienverhältnissen mit weiteren Verfahren konfrontiert werden, wenn die Vaterschaft unklar ist oder durch familiäre Konflikte infrage gestellt wird. Dies kann sie auch davor bewahren, durch ein weiteres Verfahren in eine noch stärker psychisch belastende Situation zu geraten.

Die Möglichkeit, dass der mutmaßlich leibliche Vater unter bestimmten Voraussetzungen die rechtliche Vaterschaft selbst dann anfechten kann, wenn bereits eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater besteht, kann für Jugendliche ambivalente Auswirkungen mit sich bringen. Einerseits eröffnet diese Ausnahme die Möglichkeit, ein bereits bestehendes Zugehörigkeitsgefühl zum biologischen Vater auch rechtlich abzusichern. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn zwischen dem Jugendlichen und dem mutmaßlich leiblichen Vater eine sozial-familiäre Beziehung besteht und es dem Wunsch des Jugendlichen entspricht, diese rechtlich geltend zu machen. Andererseits können sich aus der Möglichkeit der Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft auch Loyalitätskonflikte ergeben, insbesondere wenn enge sozial-familiäre Beziehungen zum rechtlichen als auch zum leiblichen Vater bestehen. Derartige Vaterschaftskonflikte könnten die Identitätsentwicklung junger Menschen beeinträchtigen. Auch wenn das Auflösen der rechtlichen Vaterschaft nicht zwangsläufig ein Ende der sozial-familiären Vater-Kind-Beziehung bedeutet, beeinträchtigen solche Verfahren womöglich das Gefühl von Sicherheit und Verlässlichkeit in familiären Beziehungen. Eine solche Verlässlichkeit ist für den Prozess der Identitätsentwicklung ein wichtiger Faktor.Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, „Facetten der Vaterschaft. Perspektiven einer innovativen Väterpolitik.“, 2006, https://www.bmfsfj.de/resource/blob/76350/71f7fd9dc8cafbe5ee2393cbe16b6e2c/facetten-vaterschaft-data.pdf, 160, letzter Abruf: 21.07.2025. Die Vorstellung, dass die Beziehung zu einem Vater die Rolle des anderen in Frage stellt, könnte bei Jugendlichen zu Verunsicherung und emotionalem Stress, wie etwa Schuldgefühlen, führen. Oftmals erleben Jugendliche in komplexeren Familienkonstellationen jedoch die Beziehung zu allen Vaterfiguren als harmonisch,Vgl. Lynn White und Joan G. Gilbreth, „When Children Have Two Fathers: Effects of Relationships With Stepfathers and Noncustodial Fathers on Adolescent Outcomes“, Journal of Marriage and Family 63, Nr. 1 (1. Februar 2001): 155–67, https://doi.org/10.1111/j.1741-3737.2001.00155.x, 164-165. weshalb nicht zwangsläufig von Loyalitätskonflikten ausgegangen werden muss.

Da Jugendliche ab 14 Jahren künftig eine Vaterschaftsanfechtung eigenständig erklären können sollen, kann dies ihre Mitbestimmung und Selbstwirksamkeit stärken. Denn bislang musste der gesetzliche Vertreter eine solche Anfechtung für das Minderjährige Kind erklären. In Zukunft soll diese Mitwirkung nicht mehr notwendig sein. Jugendliche können die Vaterschaftsanfechtung damit in Zukunft selbst auf den Weg bringen. Dies kann für sie wichtig sein, wenn sie beispielsweise eine sozial-familiäre Beziehung zu ihrem leiblichen Vater aufgebaut haben und diesen als rechtlichen Vater anerkennen lassen wollen.  Diese Möglichkeit kann der zunehmenden Autonomie junger Menschen Rechnung tragen und die Rechte der Jugendlichen in dieser Altersgruppe stärken. Dies gilt allerdings nur für Jugendliche ab 14 Jahren, da erst ab diesem Alter die Vaterschaftsanfechtung eigenständig erklärt werden können soll.

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Prüfung des Kindeswohls in Bezug auf eine Vaterschaftsanfechtung kann helfen, Unsicherheiten bei Jugendlichen hinsichtlich der Zuschreibung der rechtlichen Vaterrolle zu mindern. Dabei ist vorgesehen, dass das betroffene Kind persönlich angehört wird. Die Perspektive junger Menschen kann damit stärker in den Mittelpunkt rücken und eine Grundlage für differenzierte und kindgerechte Entscheidungen schaffen. In Verfahren, die vom mutmaßlichen leiblichen Vater oder durch das Kind mittels des gesetzlichen Vertreters eingeleitet werden, muss zukünftig außerdem eine Vertreterin oder ein Vertreter des Jugendamtes angehört werden. Durch die Einbeziehung externer fachkundiger Personen kann die Wahrung des KindeswohlesVgl. ServicePortal Berlin, „Familiengerichtliches Verfahren - Beratung und Unterstützung in familiengerichtlichen Verfahren erhalten“, 18. Juli 2025, https://service.berlin.de/dienstleistung/327865/, letzter Abruf: 21.07.2025. in Beziehungskonflikten zwischen Elternteilen mehr in den Mittelpunkt gerückt werden.

Volljährige sollen hingegen ein Widerspruchsrecht in Vaterschaftsanfechtungsverfahren haben. Dies stärkt das Recht auf Selbstbestimmung junger Erwachsener und reflektiert ihre bereits weit fortgeschrittene Persönlichkeits- und WillensentwicklungVgl. Martin Pinquart, „Persönlichkeit im Erwachsenenalter in entwicklungspsychologischer Perspektive. STABILITÄT UND VERÄNDERUNG“, DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung, Nr. 4 (2013): 37–40..

Möglichkeit einer Vaterschaftsanfechtung im jungen Erwachsenenalter

§ 1600b Abs. 1 S. 2, Abs. 2 und Abs. 4 S. 5 BGB

Künftig soll die Frist für eine Vaterschaftsanfechtung von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt, ab dem der Anfechtungsberechtigte von dem Umstand erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen, grundsätzlich erst mit Eintritt der Volljährigkeit beginnen, unabhängig davon, ob die Umstände bereits vorher bekannt waren, vgl. § 1600b Abs. 2 S. 2 BGB. Zudem soll die Frist nicht enden bevor der Anfechtungsberechtigte das 21. Lebensjahr vollendet hat, außer wenn bereits eine Vaterschaftsanfechtung durch einen gesetzlichen Vertreter vor Erreichen der Volljährigkeit erfolgt ist, vgl. § 1600b Abs. 2 S. 2 und S. 3 BGB. Bisher galt dies nur für die Konstellation, in der das Kind anfechtungsberechtigt ist.§ 1600b Abs. 3 S. 2 „Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)“. Die Neuregelung soll im Ergebnis dazu führen, dass alle Anfechtungsberechtigten – also auch vermeintlich leibliche Väter – künftig auch bis kurz vor ihrem 21. Geburtstag einen Anfechtungsantrag stellen können, ohne dass dieser verfristet ist. Die Möglichkeit einen Anfechtungsantrag auch noch vor Erreichen der Volljährigkeit zu stellen, soll davon unberührt bleiben.Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Vaterschaftsanfechtung“, 46. Ab Erreichen des 22. Lebensjahres, also ab dem 21. Geburtstag sollen die allgemeinen Fristen für einen Anfechtungsantrag gelten, der Beginn richtet sich sodann nach mit der Kenntnisnahme der gegen die Vaterschaft sprechenden Umstände und beträgt grundsätzlich zwei Jahre, vgl. § 1600b Abs. 1 S. 1 BGB.

Die geplante Hemmung der Anfechtungsfrist bis zum 21. Lebensjahr kann zunächst die individuellen Rechte von anfechtungsberechtigten Kindern, die die Elternschaft ihres zweiten Elternteils anfechten (möchten), stärken. Durch die geplante Neuregelung kann insbesondere berücksichtigt werden, dass Minderjährige – anders als ältere anfechtungsberechtigte Personen in derselben Situation – in der für die Identitätsfindung entscheidenden Entwicklungsphase des Heranwachsens durch den Zeitdruck einer Anfechtung überfordert sein können.Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Vaterschaftsanfechtung“, 46. Eine zweijährige Anfechtungsfrist, die unmittelbar mit dem Erreichen des 18. Lebensjahres beginnt, erscheint vor diesem Hintergrund als zu kurz bemessen. Daher sollen minderjährige Kinder künftig die Möglichkeit haben, die Anfechtung bis kurz vor dem Erreichen ihres 21. Lebensjahres hinauszuzögern, ohne dass das Risiko einer Verfristung droht.Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Vaterschaftsanfechtung“, 46. Minderjährige anfechtungsberechtigte junge Menschen können sich auf diese Weise ohne bzw. mit weniger (zeitlichem) Druck mit den möglichen Folgen einer Anfechtung der Elternschaft auseinandersetzen und so zu einer für sie individuell passenden Lösung gelangen. Die Entscheidung über eine Anfechtung der Elternschaft könnte mit Erreichen der Volljährigkeit so auch in einer Lebenssituation getroffen werden, in der die betroffenen jungen Menschen schon selbstständiger sind und ggf. die Reichweite der Entscheidung besser einschätzen können.

Auch anfechtungsberechtige Väter profitieren von der Fristhemmung bis zum 21. Lebensjahr. Sie hätten durch die geplante Neuregelung künftig mehr Zeit, um abzuwägen und zu entscheiden, auf welche Weise und in welchem Umfang sie in das Leben ihres leiblichen Kindes involviert sein möchten. Gerade junge Männer, die sich in Schule oder Ausbildung befinden, fühlen sich oft noch nicht bereit Vater zu seinVgl. Claudia Zerle und Isabelle Krok, Null Bock auf Familie? Der schwierige Weg junger Männer in die Vaterschaft. Kurzfassung (Gütersloh: DIJ/ Bertelsmann Stiftung, 2008), 8 f.. In Zukunft bestünde für sie die Möglichkeit, zunächst einen Schul- und/oder Ausbildungsabschluss zu erlangen und im Anschluss die Entscheidung über die Anfechtung der bestehenden (und damit verbunden: die Übernahme der eigenen) Vaterschaft zu treffen. In dieser Lebenssituation wären junge Männer dann ggf. schon selbstständiger und emotional gefestigter,Vgl. Pinquart, „Persönlichkeit im Erwachsenenalter in entwicklungspsychologischer Perspektive. STABILITÄT UND VERÄNDERUNG“, 38. was die Entscheidung für eine aktive Rolle als Vater erleichtern könnte. Ob junge Männer künftig diese Möglichkeit nutzen werden, hängt allerdings auch davon ab, inwieweit ihnen ihre Rechtsansprüche bekannt sind und ob sie ggf. im Anfechtungsprozess begleitet werden.

Quellen

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