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Jugend-Check zum ReferentenentwurfRegierungsentwurf
30. Okt. 2025

Verfolgung Menschenhandel

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der strafrechtlichen Verfolgung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung sowie zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1712 (Stand: 20.10.2025)

Ressort: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV)

Ziel des Gesetzentwurfs

Der Gesetzentwurf zielt u.a. darauf ab, die Struktur von diversen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie gegen die persönliche Freiheit zu novellieren und insbesondere deren (Freiheits‑) Strafmaß zu erhöhen. Damit sollen die unionsrechtlichen Vorgaben der sog. Änderungsrichtlinie Menschenhandel in nationales Recht umgesetzt werden.Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der strafrechtlichen Verfolgung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung sowie zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1712 (20.10.2025), 1.

Zusammenfassung möglicher Auswirkungen

Das Kompetenzzentrum Jugend-Check hat folgende mögliche Auswirkungen identifiziert:

  • Durch die geplante Neufassung des § 179a StGB soll künftig das Veranlassen minderjähriger Personen zur entgeltlichen Vornahme sonstiger sexueller Handlungen unter Strafe gestellt werden. Nicht erfasst werden sollen Situationen, in denen bereits andere, schwerwiegendere Straftatbestände wie Zwangsprostitution oder Menschenhandel greifen (§ 179a Abs. 1 StGB). Dadurch könnten Minderjährige davor geschützt werden, sexuelle Handlungen, die keinen Geschlechtsverkehr im engeren Sinne darstellen, gegen Entgelt zu erbringen. Eine ausbeuterische Situation soll hierfür ebenfalls nicht erforderlich sein. Sind die Opfer jünger als 14 Jahre, soll jedoch ein höheres Strafmaß zwischen einem und bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe gelten (§ 179a Abs. 3 StGB). Dies könnte eine abschreckende Wirkung entfalten und zum Schutz dieser besonders vulnerablen Personengruppe beitragen.
  • Künftig soll auch die Inanspruchnahme sexueller Dienste Minderjähriger gegen Entgelt strafbar sein – unabhängig vom Alter der Tatperson und davon, ob es sich um Handlungen mit (§ 181a Abs. 1 StGB) oder ohne (§ 181a Abs. 2 StGB) Körperkontakt Hierdurch können bestehende Strafbarkeitslücken geschlossen und der Schutz Minderjähriger vor sexueller Gewalt verbessert werden. Zudem könnten auch Straftaten im digitalen Raum – etwa sogenannte „Taschengeld-Treffen“, bei denen zum Beispiel Bilder mit sexuellem Bezug gegen Entgelt verschickt werden – von der Strafnorm erfasst werden. Dies kann zum Schutz Minderjähriger beitragen, da insbesondere junge Menschen sich der mit solchen Treffen verbundenen Risiken häufig nicht bewusst sind.
  • Mit der geplanten Neufassung des § 232 StGB sollen künftig die verschiedenen, für den Straftatbestand des Menschenhandels erforderlichen Ausbeutungsformen konkretisiert und erweitert werden. Dabei soll u.a. auch die Zwangsheirat explizit als ausbeuterische Situation gesetzlich erfasst werden (§ 232 Abs. 1 Nr. 7 StGB). Dies kann zum Schutz junger Menschen vor Menschenhandel beitragen und den Opferschutz insgesamt stärken.

Betroffene Gruppen junger Menschen

Betroffen sind in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe Minderjährige, die sonstige sexuelle Handlungen gegen Entgelt an oder vor einem Dritten vornehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen lassen, ohne dass dies zum Zwecke der Ausbeutung geschieht.Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der strafrechtlichen Verfolgung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung sowie zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1712, 28. Spezifisch betroffen sind darunter junge Menschen im Alter unter 14 Jahren, für deren Veranlassung zu sexuellen Handlungen ein erhöhtes Strafmaß verhängt werden können soll.

Betroffen sind zudem junge Menschen im Alter zwischen 12 und 15 Jahren, die einvernehmlich sexuelle Handlungen mit einer anderen Person, die ebenfalls unter 16 Jahre alt ist, vornehmen möchten.

Betroffen sind fernerhin Minderjährige, die sexuelle Handlungen gegen ein Entgelt an oder vor einer anderen Person vornehmen oder von einer anderen Person an sich vornehmen lassen und dadurch bei der Prostitution ausgebeutet werden. Darunter spezifisch betroffen sind junge Menschen im Alter unter 14 Jahre, für deren Ausbeutung bei der Prostitution ein erhöhtes Strafmaß verhängt werden können soll. Im Jahr 2024 wurden 195 ErmittlungsverfahrenDie Daten beziehen sich auf die in den abgeschlossenen Verfahren wegen des Verdachts der sexuellen Ausbeutung von Minderjährigen verfahrensrelevanten Strafnormen zu denen § 182 Abs 2 StGB Sexueller Missbrauch von Jugendlichen, § 180 StGB Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger, § 232a StGB Zwangsprostitution, § 176a Abs. 1 und Abs. 2 StGB, Sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind, § 181a StGB Zuhälterei, § 176 Abs. 1 Nr. 3 StGB, Sexueller Missbrauch von Kindern sowie § 232 StGB Menschenhandel (jeweils geltendes Recht) zählen: Siehe dazu: Bundeskriminalamt, Menschenhandel und Ausbeutung - Bundeslagebild 2024, 23. im Zusammenhang mit der kommerziellen sexuellen Ausbeutung von Minderjährigen abgeschlossen, was einer Zunahme um 7,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr 2023 entspricht.Vgl. Bundeskriminalamt, Menschenhandel und Ausbeutung - Bundeslagebild 2024 (2025), 22, https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Menschenhandel/menschenhandelBundeslagebild2024.html?nn=27956, letzter Abruf: 24.10.2025. Dabei wurden 232 Opfer festgestellt. Die Opfer, deren Alter bekannt war, waren durchschnittlich 15 Jahre alt. 159 der festgestellten Opfer gehörten der Altersgruppe der 14- bis 17-jährigen an und hatten die deutsche Staatsbürgerschaft, wobei 59 der festgestellten deutschen Opfer jünger als 14 Jahre alt waren.Vgl. Bundeskriminalamt, Menschenhandel und Ausbeutung - Bundeslagebild 2024, 23 f.

Spezifisch betroffen sind darüber hinaus Minderjährige, die gegen Entgelt sexuelle Handlungen mit oder ohne Körperkontakt vornehmen, ohne dass sie dabei zwangsprostituiert oder bei der Prostitution ausgebeutet werden. Dazu könnte zum Beispiel das Versenden von Bildern mit sexuellem Bezug zählen, etwa im Rahmen sogenannter „Taschengeld-Treffen“.

Betroffen sind schließlich junge Menschen im Alter bis 27 Jahre, die Opfer von Menschenhandel werden. Unter den Straftatbestand des Menschenhandels sollen verschiedene Tathandlungen fallen, zum Beispiel die Ausbeutung bei der Ausübung von Prostitution oder die Ausbeutung durch eine Beschäftigung.Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der strafrechtlichen Verfolgung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung sowie zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1712, 9, siehe dazu § 232 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2. In Deutschland wurden im Jahr 2024 insgesamt 364 Ermittlungsverfahren aufgrund des Verdachts der sexuellen Ausbeutung abgeschlossen, wobei in 117 Fällen die Strafnorm § 232 StGB – Menschenhandel und in 215 Fällen die Strafnorm § 232a StGB – Zwangsprostitution (jeweils geltendes Recht) verfahrensrelevant waren. In den abgeschlossenen Verfahren können dabei jedoch mehrere Strafnormen relevant gewesen sein.Vgl. Bundeskriminalamt, Menschenhandel und Ausbeutung - Bundeslagebild 2024, 6. Im Jahr 2024 wurden insgesamt 465 Opfer des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung ermitteltDie Daten beziehen sich auf die in den abgeschlossenen Verfahren wegen des Verdachts der sexuellen Ausbeutung verfahrensrelevanten Strafnormen zu denen neben § 232a StGB Zwangsprostitution, § 232 StGB Menschenhandel, § 233a StGB Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung auch § 181a StGB Zuhälterei und § 180a StGB Ausbeutung von Prostituierten (jeweils geltendes Recht) zählen. Siehe dazu: Bundeskriminalamt, Menschenhandel und Ausbeutung - Bundeslagebild 2024, 6., wobei das durchschnittliche Alter der Opfer bei 29 Jahren lag. 126 Opfer waren unter 21 Jahren.Vgl. Bundeskriminalamt, Menschenhandel und Ausbeutung - Bundeslagebild 2024, 8 f.

Im Rahmen des Menschenhandels sind junge Menschen bis 27 Jahre spezifisch betroffen, wenn sie durch eine Zwangsheirat ausgebeutet werden. Als Opfer von Zwangsheirat wurden im Jahr 2024 insgesamt 17 Opfer in abgeschlossenen Ermittlungsverfahren ermittelt, wovon 16 Personen weiblich waren. Der Altersdurchschnitt lag bei 21 Jahren, wobei er im Jahr 2023 noch bei 17 Jahren lag.Vgl. Bundeskriminalamt, Menschenhandel und Ausbeutung - Bundeslagebild 2024, 20.

Jugendrelevante Auswirkungen

Besserer Schutz junger Menschen durch das Schließen von Strafbarkeitslücken im Kontext der Vornahme sexueller Handlungen

§§ 179a Abs. 1, Abs. 3; Streichung des § 180 Abs. 1 (geltendes Recht); 180a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1; 181a StGB

Durch die geplante Neufassung des § 179a Strafgesetzbuch (StGB) soll künftig das Veranlassen minderjähriger Personen zur entgeltlichen Vornahme sonstiger sexueller Handlungen unter Strafe gestellt werden, vgl. § 179a Abs. 1 StGB. Erfasst werden sollen dabei sowohl Fälle, in denen minderjährige Personen selbst an oder vor einem Dritten sexuelle Handlungen vornehmen, als auch solche, in denen sie entsprechende Handlungen von einem Dritten an sich vornehmen lassen.Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der strafrechtlichen Verfolgung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung sowie zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1712, 6, 28 f. Nicht erfasst werden sollen hingegen Fälle, in denen minderjährige Personen dadurch ausgebeutet werden. Voraussetzung der Strafbarkeit soll stattdessen sein, dass kein anderer Straftatbestand, der eine schwerere Sanktion vorsieht – wie etwa der Zwangsprostitution oder des Menschenhandels – eingreift, vgl. § 179a Abs. 1 StGB. Sofern es sich bei dem Opfer um eine minderjährige Person unter 14 Jahre handelt, soll ein erhöhtes Strafmaß von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verhängt werden können, vgl. § 179a Abs. 3 StGB.

Zudem soll § 180 StGB in seiner bislang geltenden Form gestrichen werden.Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der strafrechtlichen Verfolgung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung sowie zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1712, 29. Gemäß § 180 Abs. 1 StGB (geltendes Recht) wurde bislang das Vorschub leisten sexueller Handlungen von Personen im Alter unter 16 Jahren unter Strafe gestellt und mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe sanktioniert.

Darüber hinaus soll sich künftig auch strafbar machen, wer sich selbst oder einem Dritten einen finanziellen Vorteil versprechen oder gewähren lässt, der in Zusammenhang mit sexuellen Handlungen steht, welche eine minderjährige Person gegen Entgelt vornimmt oder an sich vornehmen lässt, vgl. § 180a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Ebenso soll derjenige bestraft werden, der die Durchführung von solchen sexuellen Handlungen gegen Entgelt durch eine minderjährige Person fördert, erleichtert oder unterstützt und ihnen damit Vorschub leistet, vgl. § 180a Abs. 1 Nr. 2 StGB. Nach bislang geltender Rechtslage war lediglich die Ausbeutung von Prostituierten unter Strafe gestellt, ohne dabei jedoch altersspezifisch die Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen bei der Prostitution zu sanktionieren.Vgl. § 180a Abs. 1 StGB (geltendes Recht) Sofern es sich bei dem Opfer um eine minderjährige Person unter 14 Jahre handelt, soll ein erhöhtes Strafmaß von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verhängt werden, vgl. § 180a Abs. 2 Nr. 1 StGB.

Ferner soll durch die geplante Änderung des § 181a StGB künftig auch derjenige bestraft werden, der sexuelle Dienste von Minderjährigen gegen Entgelt in Anspruch nimmt, vgl. § 181a StGB. Erfasst werden sollen dabei sowohl sexuelle Handlungen mit Körperkontakt, vgl. § 181a Abs. 1 StGB, als auch sexuelle Handlungen ohne Körperkontakt, vgl. § 181a Abs. 2 StGB.Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der strafrechtlichen Verfolgung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung sowie zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1712, 32. In beiden Fällen soll jedoch die Voraussetzung gelten, dass kein anderer, schwerer wiegender Straftatbestand eingreift, vgl. § 181a Abs. 1 u. Abs. 2 StGB.

Zukünftig soll das Veranlassen Minderjähriger zu sexuellen Handlungen auch in solchen Fallkonstellationen unter Strafe gestellt werden, in denen keine Ausbeutungssituation, kein Menschenhandel oder keine Zwangsprostitution vorliegen. Durch diese geplante Erweiterung können bestehende Strafbarkeitslücken geschlossen und Straftaten gegen Minderjährige im Bereich der sexuellen Gewalt ggf. wirksamer verfolgt werden. Darüber hinaus sollen auch Strafbarkeitslücken im Bereich der sexuellen Ausbeutung geschlossen werden, wodurch eine konsequentere Strafverfolgung ermöglicht werden könnte. Insgesamt kann die geplante Reform dazu beitragen, den Schutz junger Menschen vor sexueller Gewalt zu stärken und sie zugleich umfassender vor Formen sexueller Kommerzialisierung zu bewahren.

Im Rahmen der geplanten gesetzlichen Neustrukturierung soll § 179a StGB künftig als AuffangtatbestandVgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der strafrechtlichen Verfolgung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung sowie zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1712, 28. gefasst werden, der insbesondere dann zur Anwendung kommen soll, wenn Minderjährige dazu veranlasst werden, gegen Entgelt sexuelle Handlungen vorzunehmen oder an sich vornehmen zu lassen. Auch wenn der Gesetzentwurf insoweit von Einzelfällen ausgeht,Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der strafrechtlichen Verfolgung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung sowie zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1712, 28. kann die Einbeziehung sonstiger sexueller Handlungen insgesamt zu einer Stärkung des Schutzes Minderjähriger beitragen. Erfasst werden können dabei insbesondere auch Handlungen, die zwar keinen Geschlechtsverkehr im engeren Sinne darstellen, jedoch einen sexuellen Bezug aufweisen. Für die Strafbarkeit soll es zudem nicht erforderlich sein, dass die betroffenen Minderjährigen zwangsprostituiert oder in anderer Weise ausgebeutet werden. Ein erhöhter Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe für Taten gegen junge Menschen unter 14 JahrenVgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der strafrechtlichen Verfolgung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung sowie zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1712, 28 f. signalisiert die besondere Schutzwürdigkeit dieser Gruppe. Ein höherer Strafrahmen kann zudem abschreckende Wirkung entfalten und zum Schutz dieser besonders vulnerablen Gruppe beitragen.

Die geplante Streichung des § 180 Abs. 1 StGB in seiner derzeit geltenden Fassung folgt den Anregungen der Reformkommission zum Sexualstrafrecht, mit der das sogenannte „Kuppeleiverbot“ aufgehoben werden soll, welches bislang außereheliche Kontakte junger Menschen unter 16 Jahren, die als unsittlich empfunden wurden, verhindern sollte.Vgl. Reformkommission zum Sexualstrafrecht, Abschlussbericht (2017), 337, https://krimpub.krimz.de/frontdoor/deliver/index/docId/181/file/Abschlussbericht_Reformkommission_Sexualstrafrecht.pdf, letzter Abruf: 24.10.2025; Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der strafrechtlichen Verfolgung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung sowie zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1712, 29. Es ist jedoch Ausdruck der sexuellen Selbstbestimmung von Jugendlichen, sich altersentsprechend sexuell auszuprobieren und einvernehmliche sexuelle Erfahrungen zu sammeln. Die geplante Streichung bewirkt daher, dass es künftig nicht mehr strafbar sein soll, wenn andere Personen beispielsweise eine Wohnung oder sonstige Räumlichkeiten zum Zwecke sexueller Handlungen für unter 16-Jährige zur Verfügung stellen.Vgl. § 180 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB (geltendes Recht) Indem die Strafbarkeit solcher Handlungen aufgehoben werden soll, kann die sexuelle Selbstbestimmung Jugendlicher mittelbar gestärkt werden. Zugleich kann damit dem Grundsatz Rechnung getragen werden, dass Handlungen nur dann unter Strafe gestellt werden sollen, „wenn es zum Schutz von Rechtsgütern vor Verletzung oder Gefährdung unerlässlich ist“Reformkommission zum Sexualstrafrecht, Abschlussbericht, 337., also in diesem Zusammenhang dem Schutz junger Menschen vor sexueller Gewalt Rechnung trägt.

Darüber hinaus kann der Schutz Minderjähriger vor sexueller Ausbeutung auch durch die vorgesehene Neufassung des § 180a StGB weiter gestärkt werden. Während die derzeit geltenden Regelungen lediglich die allgemeine Ausbeutung von Prostituierten erfassen, soll künftig explizit und altersspezifisch die Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen bei der Prostitution erfasst werden.Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der strafrechtlichen Verfolgung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung sowie zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1712, 31. Hierdurch können bestehende Strafbarkeitslücken geschlossen und Minderjährige wirksamer vor Formen sexueller Ausbeutung und Prostitution bewahrt werden. Der erhöhte Strafrahmen von sechs Monaten auf bis zu zehn Jahren FreiheitsstrafeVgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der strafrechtlichen Verfolgung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung sowie zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1712, 31. kann zum Schutz junger Menschen im Alter unter 14 Jahren beitragen, da er eine abschreckende Wirkung entfalten kann.

Künftig soll auch die Inanspruchnahme sexueller Dienste von Minderjährigen gegen Entgelt explizit strafrechtlich erfasst werden. Mit der vorgesehenen Änderung des § 181a StGB, der bislang lediglich generell die Zuhälterei in allgemeiner Form erfasste, ohne eine altersdifferenzierte oder -verschärfte Regelung vorzusehen,Vgl. § 181a Abs. 1 (geltendes Recht).– können weitere Strafbarkeitslücken geschlossen und zum Schutz Minderjähriger vor sexueller Gewalt beigetragen werden. Allerdings ist davon auszugehen, dass § 181a Abs 1. StGB in der Praxis als Auffangtatbestand dienen wird, da laut Gesetzentwurf insbesondere Täter erfasst werden, die selbst noch minderjährig sind. Nach derzeit geltender Rechtslage unterfallen entgeltliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen nach § 182 Absatz 2 StGB nur dann der Strafbarkeit, wenn die handelnde Person bereits volljährig ist.Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der strafrechtlichen Verfolgung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung sowie zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1712, 32. Demgegenüber sollen künftig auch solche Fälle erfasst werden, in denen Minderjährige selbst sexuelle Dienste anderer Minderjähriger in Anspruch nehmen. Hierdurch kann der Opferschutz unabhängig vom Alter der tatbeteiligten Personen gestärkt werden. Gleichwohl ist bislang statistisch nicht erfasst, wie signifikant die Gruppe der Tatpersonen im Alter bis 18 Jahre tatsächlich ist.

Von § 181a StGB könnten auch sogenannte Taschengeld-Treffen umfasst sein, bei denen sexuelle Handlungen digital oder analog gegen kleinere Geldbeträge oder geldwerte Leistungen angeboten oder in Anspruch genommen werden.Vgl. Eva Fuhr und Thomas Müller, Taschengeld-Treffen: Sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen und die Rolle von Online- Anzeigenportalen (ECPAT Deutschland e. V., 2025), 6 f., https://ecpat.de/wp-content/uploads/2025/08/25_ECPAT_Studie_TG-Treffen_digital.pdf, letzter Abruf: 24.10.2025. Da in Zukunft mit § 181a Abs. 2 StGB auch sexuelle Handlungen ohne physischen Körperkontakt ausdrücklich unter Strafe gestellt werden sollen, könnten insbesondere Fallkonstellationen des Taschengeld-Treffens ohne direkten Körperkontakt strafrechtlich erfasst werden, darunter etwa das Versenden von Fotos oder Videos oder das Anbieten von Livestreams.Vgl. Eva Fuhr und Thomas Müller, Taschengeld-Treffen: Sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen und die Rolle von Online- Anzeigenportalen, 6 f. Taschengeld-Treffen können sich über Anzeigenportale anbahnen und sind auch als Inserate von Minderjährigen selbst zu finden. Dabei handelt es sich jedoch stets um eine Form der sexuellen Ausbeutung Minderjähriger, der sie unter keinen Umständen selbst zustimmen können.Vgl. Eva Fuhr und Thomas Müller, Taschengeld-Treffen: Sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen und die Rolle von Online- Anzeigenportalen, 7. Gleichwohl sollen die Strafbarkeitsvoraussetzungen des § 181a Abs. 2 StGB nur dann erfüllt sein, sofern für die konkrete Handlung kein anderer, schwerer Straftatbestand greift. Künftig könnten daher insbesondere die im digitalen Raum stattfindenden Handlungen ohne Körperkontakt von § 181a Abs. 2 StGB erfasst werden. Minderjährige können sich der mit diesen Treffen verbundenen Risiken, insbesondere im digitalen Raum, häufig nicht bewusst sein und deren Tragweite kaum einschätzen. Folglich könnten Minderjährige mit den geplanten Gesetzesänderungen insgesamt umfassender vor sexueller Ausbeutung und vor Formen ökonomisch motivierter Instrumentalisierung geschützt werden.

Die Aufnahme der sexuellen Handlungen ohne Körperkontakt in § 181a Abs. 2 StGB erfolgt dabei auf Anregung der Reformkommission zum Sexualstrafrecht, in der ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass jede Vornahme sexueller Handlungen gegen Entgelt ein Abgleiten Minderjähriger in die Prostitution befördern kann.Vgl. Reformkommission zum Sexualstrafrecht, Abschlussbericht, 343. Damit kann die Regelung zum Schutz Minderjähriger vor Prostitution beitragen und ggf. eine frühzeitige Schutzfunktion erfüllen.

Besserer Schutz junger Menschen vor Ausbeutung durch höhere Freiheitsstrafen bei Menschenhandel

§ 232 Abs. 1 Nr. 7 StGB

Für den Straftatbestand des Menschenhandels soll ein einheitlicher Grundtatbestand geschaffen werden, für den künftig auch ein einheitliches Strafmaß von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe gelten soll, vgl. § 232 Abs. 1 StGB. Straftaten, für die nach bislang geltender Rechtslage als sog. einfacher Menschenhandel eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf vorgesehen war, sollen künftig somit schwerer bestraft werden können.Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der strafrechtlichen Verfolgung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung sowie zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1712, 34. Zudem sollen die Fälle der Ausbeutung, zu deren Zweck andere Personen angeworben, befördert, weitergegeben oder beherbergt werden, künftig gesetzlich konkretisiert und ergänzt werden, vgl. § 232 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 StGB. So soll beispielsweise eine Zwangsheirat eine ausbeuterische Situation darstellen, vgl. § 232 Abs. 1 Nr. 7 StGB.

Die geplante Verdopplung der Strafandrohung für sog. einfachen Menschenhandel auf bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe kann zum Schutz Jugendlicher und junger Erwachsener, die Opfer von Menschenhandel sind oder werden, beitragen. Wer junge Menschen in Abhängigkeits- oder Ausbeutungssituationen bringt, muss künftig mit deutlich härteren Konsequenzen rechnen, was wiederum eine abschreckende Wirkung haben kann. Eine rechtliche Konkretisierung sowie Ausweitung der Ausbeutungsformen für den Straftatbestand des Menschenhandels in § 232 Abs. 1 StGB kann zum Schutz junger Menschen beitragen und den Opferschutz insgesamt stärken. Insbesondere im Hinblick auf minderjährige Opfer ist jedoch von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, da diese sich seltener bei den Behörden selbst melden und darüber hinaus Straftaten der sexuellen Ausbeutung nicht leicht von anderen Straftaten der sexualisierten Gewalt zu unterscheiden sind.Vgl. Deutsches Institut für Menschenrechte, Verborgene Realität – Handel mit und Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland, Interview mit Naile Taniş (2025), https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/im-fokus/verborgene-realitaet-handel-mit-und-ausbeutung-von-kindern-und-jugendlichen-in-deutschland, letzter Abruf: 27.10.2025. Eine Konkretisierung der Strafnormen allein kann daher ggf. nicht ausreichend sein, um eine bessere Strafverfolgung zu erreichen.

Durch die Aufnahme der Zwangsheirat als ausbeuterische Situation i.S.d. § 232 Abs. 1 Nr. 7 StGB können bestehende Schutzlücken geschlossen werden. Weiterhin kann hierdurch auch zum Ausdruck gebracht werden, dass derartige Handlungen explizit strafrechtlich erfasst sind. Da Opfer von Zwangsheirat in fast allen Fällen weiblich und im Durchschnitt 21 Jahre (2024) bzw. 17 Jahre (2023) alt waren,Vgl. Bundeskriminalamt, Menschenhandel und Ausbeutung - Bundeslagebild 2024, 20. ist von einer spezifischen Betroffenheit junger Frauen auszugehen. Eine rechtliche Konkretisierung der ausbeuterischen Situationen könnte ihnen als Betroffenen erleichtern, ggf. schnelleren Schutz, Unterstützung und/oder psychosoziale Hilfen zu erhalten. Die geplanten gesetzlichen Änderungen im Rahmen des Menschenhandels und insbesondere im Hinblick auf die Zwangsheirat könnten somit die körperliche, sexuelle und soziale Selbstbestimmung junger Menschen insgesamt stärken.

Quellen

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