Wonach suchen Sie?

alle Jugend-Checks
Kurzfassung Bundestag
Kurzfassung Jugend-Seite
Jugend-Check zum ReferentenentwurfRegierungsentwurf
17. Jan. 2024 11. März 2024

29. BAföG-Änderungsgesetz

Entwurf eines neunundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (Stand 12.01.2024) Entwurf eines neunundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (Stand 06.03.2024)

Ressort: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Ziel des Gesetzesentwurfs

Das Gesetzvorhaben zielt darauf ab, die bislang im Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) vorgegebenen Strukturen „stärker an tatsächliche Studienverläufe anzupassen und den Auszubildenden mehr Flexibilität auf ihrem Weg zum Abschluss zu ermöglichen“. „Entwurf eines neunundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes“, 1. Dafür sollen unter anderem ein Flexibilitätssemester und eine sog. Studienstarthilfe eingeführt werden. Durch diese und weitere Maßnahmen soll Ausbildungsabbrüchen entgegengewirkt werden Vgl. „29. BAföGÄndG“, 1..

Zusammenfassung möglicher Auswirkungen

Das Kompetenzzentrum Jugend-Check hat folgende mögliche Auswirkungen identifiziert:

  • Mit der Einführung eines sog. Flexibilitätssemesters sollen Studierende in Zukunft auch nach Ablauf der Höchstdauer ihrer Ausbildungsförderung einmalig für ein weiteres Semester die Bundesausbildungsförderung beziehen können (§ 15 Abs. 4 BAföG). Dies kann den finanziellen Druck auf junge Menschen, ihre Ausbildung in Regelstudienzeit abzuschließen, ebenso wie die damit verbundene psychische Belastung verringern. Zudem kann die Einführung des Flexibilitätssemesters jungen Menschen erlauben, Praktika, Erwerbstätigkeiten sowie gesellschaftliches Engagement besser mit dem Studium zu vereinbaren.
  • Künftig soll die Möglichkeit eines Fachrichtungswechsels länger bestehen (§ 7 Abs. 3 S. 1 BAföG). Dies kann dazu beitragen, dass junge Menschen bei der Gestaltung ihrer Ausbildung flexibler sind und sich positiv auf ihre Studienzufriedenheit und -motivation auswirken.
  • Die geplante Einführung einer Studienstarthilfe in Höhe von 1000 Euro könnte jungen Menschen, insbesondere aus einkommensschwachen Haushalten, die Entscheidung für ein Studium erleichtern und sie zu Beginn ihres Studiums finanziell entlasten (§ 56 a BAföG). Die Entlastungswirkung ist jedoch auch vom Zeitpunkt der Auszahlung abhängig.

Betroffene Gruppen junger Menschen

Normadressatinnen und -adressaten sind in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe junge Menschen bis 27 Jahre, die aktuell Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem BAföG beziehen oder dies für die Zukunft planen. Zu den förderungsfähigen Ausbildungen gehört u.a. die Erstausbildung an einer Hochschule, Fachoberschule oder Berufsfachschule. Vgl. §§ 2-7 BAföG Im Jahr 2022 bezogen insgesamt 630.220 Personen Leistungen nach dem BAföG, davon waren rund 78 Prozent (489.347 Personen) Studierende, und 22 Prozent (140.873) Schülerinnen und Schüler. Vgl. Statistisches Bundesamt, „BAföG 2022: Durchschnittlicher Förderbetrag um gut 5 % gestiegen“, Pressemitteilung, 2023, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/08/PD23_307_214.html (zuletzt abgerufen am 15.01.2024). Der durchschnittliche Förderbetrag pro Person betrug 592 Euro. Rund 15 Prozent aller Studierenden erhielten 2021 eine BAföG-Förderung. Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, „Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021“, 2023, 108. Insbesondere sind BAföG-beziehende junge Menschen, die die Regelstudienzeit überschreiten oder ihr Studienfach wechseln bzw. erwägen dies zu tun, betroffen. Auch besonders betroffen sind Studierende, welche BAföG beziehen und neben dem Studium in einem Minijobverhältnis arbeiten sowie solche, die Leistungen des BAföGs als Vorausleistung erhalten.

Normadressatinnen und -adressaten sind zudem junge Menschen, die im Rahmen eines Familiennachzugs in Deutschland sind und als sog. „sonstige Familienmitglieder“ nach § 36 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) eingereist sind.

Betroffen sind zudem junge Menschen unter 25 Jahren aus einkommensschwachen Haushalten, die erwägen ein Studium aufzunehmen. Auch betroffen sind erwerbstätige minderjährige Geschwister von jungen Menschen, die Leistungen des BAföG beziehen (möchten).

Jugendrelevante Auswirkungen

Flexiblere Gestaltung des Studienverlaufs durch sog. Flexibilitätssemester und späteren Fachrichtungswechsel

§§ 15 Abs. 3, Abs. 4; 7 Abs. 3 S. 1 und 4 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG)

BAföG-Beziehende Häufig handelt es sich bei BAföG-Beziehenden um Studierende. Sie können durch die Bundesausbildungsförderung finanziell unterstützt werden, wenn sie ihre Ausbildung an Hochschulen sowie von Akademien, die Abschlüsse verleihen, die nach Landesrecht Hochschulabschlüssen gleichgestellt sind, absolvieren (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 6 BAföG). Daneben können auch noch andere Ausbildungen nach dem BAföG gefördert werden. Dabei kann es sich beispielsweise um die Ausbildung an einer weiterführenden allgemeinbildenden (Berufs-) Schule oder Berufsfachschulen, Abendhauptschulen, Berufsaufbauschulen, Abendrealschulen, Abendgymnasien und Kollegs, oder Höheren Fachschulen handeln, vgl. § 2 Abs. 1 BAföG. sollen künftig auch nach Ablauf der Förderungshöchstdauer ihre Ausbildungsförderung einmalig für ein weiteres Semester beziehen können (sog. Flexibilitätssemester), vgl. § 15 Abs. 4 BAföG. Bislang konnte die Ausbildungsförderung über die Dauer der Ausbildung hinaus lediglich dann geleistet werden, wenn besondere Umstände dies gerechtfertigt haben. Vgl. § 15 Abs. 3 BAföG (derzeit geltendes Recht). Diese Verlängerung der Förderdauer aufgrund besonderer Umstände soll zusätzlich zu dem Flexibilitätssemester weiter möglich sein. Vgl. „29. BAföGÄndG“, 22.

Weiterhin soll für BAföG-Beziehende die Möglichkeit eines Fachrichtungswechsels Es handelt sich nach § 7 Abs. 3 S. 3 BAföG um einen Fachrichtungswechsel, wenn der förderungsfähige Auszubildende „einen anderen berufsqualifizierenden Abschluss oder ein anderes bestimmtes Ausbildungsziel eines rechtlich geregelten Ausbildungsganges an einer Ausbildungsstätte derselben Ausbildungsstättenart anstrebt“. bis zum Beginn des fünften – anstatt wie bislang bis zu Beginn des vierten – Semesters bestehen, wenn sie ihre Ausbildung an einer höheren Fachschule, Akademie oder Hochschule absolvieren, vgl. § 7 Abs. 3 S. 1 BAföG. Nach bisher geltendem Recht wurde die Ausbildungsförderung durch einen Fachrichtungswechsel nur dann nicht unterbrochen oder eingestellt, wenn dieser aus einem wichtigen oder unabweisbaren Grund erfolgt ist. Vgl. § 7 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BAföG (derzeit geltendes Recht). Das Vorliegen eines wichtigen oder unabweisbaren Grundes soll in Zukunft bis zum Beginn des vierten Semesters vermutet werden, wenn die Ausbildung an einer höheren Fachschule, Akademie oder Hochschule durchgeführt wird, vgl. § 7 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 BAföG. Bisher galt die Vermutung eines wichtigen oder unabweisbaren Grundes für den Fachrichtungswechsel nur bis zum Beginn des dritten Semesters. Vgl. § 7 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 BAföG (derzeit geltendes Recht).

Durch die Einführung des Flexibilitätssemesters kann die Bundesausbildungsförderung an die aktuelle Lern- und Lebensrealität von BAföG-Beziehenden angepasst werden. Zwischen 2010 und 2020  schlossen weniger als ein Drittel der Absolventinnen und Absolventen ihr Studium innerhalb der Regelstudienzeit ab. Vgl. Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, „Bildung in Deutschland 2022. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zum Bildungspersonal“, 2022, 211. Allerdings war bislang die Ausbildungsförderung über die Dauer der Ausbildung hinaus lediglich unter besonderen Umständen, wie beispielsweise der Pflege eines nahen Angehörigen, oder die Mitwirkung in einem Hochschulgremium, möglich. Vgl. § 15 Abs. 3 BAföG (derzeit geltendes Recht). Die geplante Möglichkeit zur Verlängerung der Förderdauer kann den finanziellen Druck auf junge Menschen, ihre Ausbildung in Regelstudienzeit abzuschließen verringern, auch wenn bei ihnen keine besonderen Umstände vorliegen. In der Folge könnte dies zur Minderung ihrer psychischen Belastung Vgl. Annkathrin Born, „Leistungsdruck im Studium – Versagensangst statt Sorgenfreiheit“, Sonder-Pader-Gogik (Universität Paderborn, 2020), https://blogs.uni-paderborn.de/sonderpaedagogik/2020/07/10/leistungsdruck-im-studium-versagensangst-statt-sorgenfreiheit/ (zuletzt abgerufen am 10.01.2024). und so zur Verbesserung ihrer mentalen Gesundheit beitragen. Ferner könnten junge Menschen durch die Einführung eines Flexibilitätssemesters davor bewahrt werden, aus finanziellen Gründen ihre Ausbildung abbrechen zu müssen, wenn ihre BAföG-Berechtigung aufgrund der Überschreitung der Regelstudienzeit endet. Finanzielle Sicherheit führt nachgewiesenermaßen dazu, dass Studierende eine geringere Intention haben ihre Ausbildung abzubrechen. Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, „Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021“, 71.

Die Einführung eines Flexibilitätssemesters kann jungen Menschen ferner erlauben, ihre Ausbildung flexibel und nach ihren eigenen Interessen zu gestalten, ohne dadurch die Förderung zu verlieren. So ließen sich berufsorientierende Praktika besser mit dem Studium vereinbaren, ohne dass dies den BAföG-Bezug durch die Überschreitung der Regelstudienzeit gefährden würde. Dies gilt gleichermaßen für Erwerbstätigkeiten, denen 54 Prozent der BAföG-Beziehenden nachgehen. Vgl. Statistisches Bundesamt, „BAföG 2022: Durchschnittlicher Förderbetrag um gut 5 % gestiegen“ (zuletzt abgerufen am 10.01.2024). Die Möglichkeit, durch das Flexibilitätssemester mehr Praxiserfahrung zu sammeln, kann die beruflichen Chancen betroffener junger Menschen erhöhen. Zum anderen könnten die Erwerbstätigkeit in Form eines Nebenjobs aber auch zur Sicherung ihres Lebensunterhalts notwendig sein, da 44 Prozent der BAföG-Beziehenden nur einen anteiligen BAföG-Satz erhalten. Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, „Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021“, 87. Darüber hinaus können Studierende das Flexibilitätssemester zum Zweck einer umfassenden Allgemeinbildung nutzen, um beispielsweise Lehrveranstaltungen zu besuchen, die für den eigenen Abschluss nicht anrechenbar sind. Dies wird von vielen Studierenden als Grund für die Überschreitung der Regelstudienzeit angegeben. Vgl. Marcus Penthin, Eva S. Fritzsche, und Stephan Kröner, „Gründe für die Überschreitung der Regelstudienzeit aus Studierendensicht“, Beiträge zur Hochschulforschung, 2017, 25. Zudem könnte die Einführung des Flexibilitätssemesters jungen Menschen erlauben, sich neben dem Studium gesellschaftlich (auch jenseits der Mitwirkung in Hochschulgremien) zu engagieren, was ihrem Kompetenzerwerb dienen und sie in ihrer persönlichen wie beruflichen Entwicklung stärken könnte.

Daneben kann die Möglichkeit des Fachrichtungswechsels, die in Zukunft länger als bisher bestehen soll, zusätzlich dazu beitragen, dass junge Menschen eine höhere Flexibilität in der Gestaltung ihrer Ausbildung erhalten. Durch die geplante Gesetzesänderung kann die Bundesausbildungsförderung an die tatsächlichen Bildungsverläufe vieler BAföG-Beziehender in der heutigen stark differenzierten Ausbildungslandschaft angepasst werden. Vgl. „29. BAföGÄndG“, 20. Das Studienangebot in Deutschland wächst immer weiter, zwischen den Jahren 2007 und 2023 hat es sich von etwas mehr als 11.000 auf knapp 22.000 Studiengänge fast verdoppelt. Vgl. Hochschulrektorenkonferenz, „Statistische Daten zu Studienangeboten an Hochschulen in Deutschland: Studiengänge, Studierende, Absolventinnen und Absolventen“, Statistiken zur Hochschulpolitik, 2023, 6. Diese Bandbreite von Studiengängen kann es für Studierende erschweren, bereits zu einem frühen Zeitpunkt die für sie passende Ausbildung zu finden. Vgl. „29. BAföGÄndG“, 20. Dies führt dazu, dass über ein Viertel der Studierenden gemäß Studierendenbefragungen ihr Studienfach mindestens einmal, zumeist aufgrund nicht erfüllter Erwartungen an das bisherige Studium sowie Interesse an einem anderen Fach, wechseln. Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, „Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021“, 66. Dabei ändern 35 Prozent dieser Studierenden ihr Studienfach bereits im ersten oder zweiten Fachsemester, weitere 20 Prozent im dritten oder vierten Fachsemester. Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, 195. Somit profitieren von der Gewährung der längeren Orientierungsfrist zum einen insbesondere Studierende, die sich zwischen dem vierten Semester und dem Beginn des fünften Semesters für einen Fachrichtungswechsel entscheiden. Zudem soll zum anderen für Studierende, die sich während des dritten Semesters bis zum Beginn des vierten Semesters für einen Fachrichtungswechsel entscheiden, der weitere BAföG-Bezug erleichtert werden, da sie keinen wichtigen oder ausweichbaren Grund für ihren Fachrichtungswechsel nachweisen müssen. Dies kann verhindern, dass sie aufgrund befürchteter Nachweisschwierigkeiten weiterhin einer Ausbildung nachgehen, die ihren Interessen oder ihrer persönlichen Eignung nicht entspricht. Vgl. „29. BAföGÄndG“, 20. Da sich ein Fachrichtungswechsel positiv auf die Studienzufriedenheit und -motivation auswirken kann, Vgl. Franz Kolland u. a., „Studienwechsel an Universitäten“ (Universität Wien, 2009), 76ff., https://door.donau-uni.ac.at/open/o:764 (zuletzt abgerufen am 15.01.2024). kann die verlängerte Möglichkeit ohne Verlust der BAföG-Berechtigung ebenfalls dazu beitragen, dass junge Menschen ihre Ausbildung bis zu deren Abschluss absolvieren. Jedoch wechseln fast 45 Prozent der Studierenden erst nach Beginn des fünften Semesters Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, „Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021“, 195. und liegen damit auch weiterhin außerhalb der gewährten Orientierungsfrist des Bundesausbildungs-förderungsgesetzes. Ein relevanter Teil der Studierenden können somit weiterhin ihre etwaige BAföG-Berechtigung verlieren, sofern sie keine unabweisbaren Gründe für ihren Fachrichtungswechsel nachweisen können.

Vereinfachter Zugang zu Ausbildungsförderung sowie finanzielle Entlastung Betroffener

§§ 8; 18 a Abs. 1 S. 3; 23; 25 Abs. 3 S. 2; 36 Abs. 3; 56 bis 56 c BAföG

Es soll eine sog. Studienstarthilfe eingeführt werden, die einmalig in Höhe von 1.000 Euro, zu Beginn der Ausbildung in Form eines Zuschusses geleistet werden soll, vgl. § 56a BAföG. Mit der Studienstarthilfe sollen Studierende finanziell unterstützt werden können, wenn sie nicht älter als 25 Jahre sind und im Monat vor dem Ausbildungsbeginn entweder Bürgergeld, Sozialhilfe, Leistungen für Asylbewerbende oder den Kinderzuschlag bezogen haben, vgl. § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 4 BAföG. Mit der Studienstarthilfe soll lediglich eine Hochschulausbildung oder die Ausbildung an einer Akademie bezuschusst werden können, die Hochschulabschlüssen gleichgestellte Abschlüsse verleiht, vgl. § 15 Abs. 1 S. 1 BAföG. Es sollen mit der Studienstarthilfe lediglich Erstausbildungen finanziell unterstützt werden können, vgl. § 56 Abs. 1 S. 1 BAföG. Die Studienstarthilfe soll unabhängig von weiteren finanziellen Unterstützungsmaßnahmen wie beispielsweise Unterhaltszahlungen, Arbeitslosen- oder Bürgergeld bei beruflichen Weiterbildungen oder Stipendien geleistet werden können, vgl. § 56 Abs. 2 BAföG. Für den Umfang der Studienstarthilfe sollen zudem das Einkommen und Vermögen der Studierenden, ebenso wie das Einkommen ihrer Ehe- oder Lebenspartner und ihrer Eltern außer Betracht gelassen werden, vgl. § 56 Abs. 2 BAföG. Umgekehrt soll die Studienstarthilfe auch nicht als Einkommen auf bestimmte Leistungen, wie beispielsweise Sozialleistungen oder Stipendienleistungen aus öffentlichen Mitteln, angerechnet werden, vgl. § 56 c Abs. 1 und Abs. 2 BAföG.

Mit der geplanten Gesetzesänderung soll auch der Kreis förderungsfähiger Studierender erweitert werden. In Zukunft sollen auch ausländische Studierende, die ihren ständigen Wohnsitz in Deutschland haben und über eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug gemäß § 36 Abs. 2 AufenthG verfügen, Bundesausbildungsförderung beziehen können, vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG.

Weiterhin sollen die Einkommensfreibeträge der BAföG-Beziehenden angehoben werden, vgl. § 23 BAföG. Für die geförderte Person selber sollen von ihrem Einkommen beispielsweise 353 Euro – anstatt wie bislang 330 Euro – anrechnungsfrei bleiben, vgl. § 23 Abs. 1 Nr. 1 BAföG.

Auf die Höhe einer vorausgeleisteten Ausbildungsförderung soll ferner das Kindergeld nicht mehr angerechnet werden, vgl. § 36 Abs. 3 BAföG. Gleiches soll auch für überobligatorische Leistungen eines Elternteils auf den angerechneten Unterhaltsbetrag des anderen Elternteils gelten. Eine Ausbildungsförderung soll in dem Fall vorausgeleistet werden, in dem die Eltern eines förderungsfähigen Auszubildenden ihren nach dem BAföG angerechneten Unterhaltsbeitrag nicht leisten und die Ausbildung dadurch gefährdet wird. In der Folge soll die Ausbildungsförderung dann ohne Anrechnung des (ausgebliebenen) Unterhalts berechnet werden, vgl. § 36 Abs. 1 BAföG.

Die Einkommen minderjähriger Geschwister von BAföG-Beziehenden, die selbst keine förderfähige Ausbildung absolvieren, soll auf die Bemessung der Einkommensfreibeträge der Eltern nicht mehr angerechnet und so für die Beantragung der BAföG-Leistungen nicht mehr vorgelegt werden müssen, vgl. §§ 18 a Abs. 1 S. 3, 25 Abs. 3 S. 2 BAföG.

Die geplante Einführung einer Studienstarthilfe könnte jungen Menschen aus einkommensschwachen Haushalten, die ein Studium an einer Hochschule oder Akademie beginnen möchten und unter 25 Jahre alt sind, die Entscheidung für ein Studium vereinfachen und sie zu Beginn ihres Studiums finanziell entlasten. Hierzu sollen z.B. Studierende gehören, die selbst oder deren Eltern Leistungen des Zweiten oder Zwölften Sozialgesetzbuchs (SGB II & XII), z.B. aufgrund von Arbeitslosigkeit, beziehen. So zeigen Studien, dass eine Arbeitslosigkeit der Eltern die Wahrscheinlichkeit der Aufnahme eines Studiums reduziert. Vgl. Kristina Lindemann und Markus Gangl, „The intergenerational effects of unemployment: How parental unemployment affects educational transitions in Germany“, SOEPpapers on Multidisciplinary Panel Data Research, Nr. 971 (Berlin: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), 2018), 26f. Für junge Menschen aus einkommensschwachen Haushalten sind die Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung von großer Bedeutung bei der Entscheidung für ein Studium. Vgl. Mari Luna De La Rosa und William Tierney, „Breaking through the Barriers to College. Empowering Low-Income Communities, Schools, and Families for College Opportunity and Student Financial Aid“, USD Center for Higher Education Policy Analysis (Los Angeles, 2006), https://pullias.usc.edu/wp-content/uploads/2023/11/Breaking-Through-the-Barriers-to-College.pdf (zuletzt abgerufen am 15.01.2024); vgl. Katja Urbatsch, „Stellungnahme zum siebenundzwanzigsten Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (27.BaföGÄndG)“, 2022, https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/downloads/files/27-bafoegaendg-stellungnahme-arbeiterkind.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt abgerufen am 15.01.2024). Die Studienstarthilfe könnte daher die Entscheidung für eine tertiäre Ausbildung an einer Hochschule oder Akademie für diese junge Menschen erleichtern. Hierzu könnte besonders beitragen, dass die Studienstarthilfe nicht auf bestehende Leistungsansprüche wie Bürgergeld oder Unterhalt angerechnet werden soll. Durch die geplante Auszahlung als Pauschale wird der bürokratische Aufwand für Antragsstellende zudem gering gehalten, was die Inanspruchnahme erhöhen könnte. Denn sie müssten keine Belege über die Verwendung der Studienstarthilfe einreichen.

Unklar bleibt jedoch, zu welchem Zeitpunkt dieser Betrag ausgezahlt wird. Da die BAföG-Zahlungen häufig erst mit mehreren Monaten Verzögerung nach Studienbeginn ausgezahlt werden, Vgl. Katja Urbatsch, „Stellungnahme zum siebenundzwanzigsten Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (27.BaföGÄndG)“, 4. würde eine Auszahlung mit der ersten BAföG-Rate bedeuten, dass junge Menschen diese nicht zu Beginn ihres Studiums nutzen können. Gerade dann fallen jedoch Kosten wie für eine Mietkaution oder die Anschaffung von Möbeln an. Nur ca. 30 Prozent der Bachelorstudierenden leben noch bei den Eltern, der Großteil lebt außerhalb des Elternhauses und ist daher meist auf die Zahlung einer Mietkaution angewiesen. Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, „Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021“, 125. Auch die Anschaffung von „IT-Ausstattung, Lehr- und Lernmaterialien“ Vgl. „29. BAföGÄndG“, 28. könnte für junge Menschen bei einer verzögerten Auszahlung erst verspätet erfolgen und dazu führen, dass sich diese zur Überbrückung verschulden müssen.

Studierende über 25 Jahren, welche Leistungen des SGB II, XII oder des AsylbLG bekommen, sollen für die Studienstarthilfe nicht berechtigt sein. Besonders junge Geflüchtete können ihre Ausbildung in Deutschland aufgrund von Flucht, Asylverfahren und Spracherwerb allerdings oftmals erst zeitverzögert beginnen oder fortsetzen. Vgl. Tom Urig, „Bildung und Teilhabe für alle jungen Menschen sichern – Stellungnahme zur 27. BAföG-Novelle“ (Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendarbeit, Bildungsberatung Garantiefonds Hochschule, 2022), https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/downloads/files/27-bafoegaendg-stellungnahme-bag-kjs.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt abgerufen am 15.01.2024). Sind sie bei Studienbeginn über 25 Jahre alt, müssen sie ihre Mehrausgaben zum Studienbeginn weiterhin selbst stemmen.

Junge Erwachsene, welche wegen ihrer Schutzbedürftigkeit mit den Eltern zum als Flüchtling anerkannten minderjährigen Geschwisterteil einreisen, können durch die geplante Ausweitung des Kreises der Leistungsberechtigten nun erstmals Bundesausbildungsförderung erhalten. Dadurch könnten sich ihre Bildungsmöglichkeiten erweitern. Denn sie könnten nun Bildungswege wie ein Studium oder den Besuch einer Fachschule in Erwägung ziehen, auch wenn sie keine persönlichen oder familiären finanziellen Rücklagen haben.

Durch die geplante Anpassung des Einkommensfreibetrags an die Erhöhung der Minijobgrenze können Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen der Bundesausbildungsförderung auch künftig in ihrem Minijob bis zur Minijobgrenze verdienen. Im Jahr 2021 gaben ca. 59 Prozent der Studierenden an, neben dem Studium zu arbeiten, im Median erwirtschafteten sie hierbei monatlich 500 Euro. Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, „Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021“, 100. Die Anpassung könnte damit die finanzielle Situation sowie die Planungssicherheit für junge Menschen, welche Leistungen der Bundesausbildungsförderung beziehen, verbessern. Dies könnte insbesondere für junge Menschen, welche nicht den BAföG-Höchstsatz und von ihren Eltern nur einen geringen Unterhalt erhalten, wichtig sein, um ihren Lebensunterhalt mit einer Nebenerwerbstätigkeit auch in Zeiten gestiegener Lebenshaltungskosten decken zu können.

Ebenfalls finanziell entlastet werden könnten BAföG-Beziehende, welche Leistungen des BAföGs als Vorausleistung erhalten. Denn wird das Kindergeld wie geplant im Falle einer vorausgeleisteten Ausbildungsförderung nicht mehr angerechnet, hätten sie nun einen Beitrag in Höhe des Kindergeldes, aktuell 250 Euro, mehr für ihren Lebensunterhalt. Auch wenn ein Elternteil mehr Unterhalt zahlt, z.B. als Ausgleich für den fehlenden Unterhalt des anderen Elternteils, und damit sog. „überobligatorische Leistungen“ Vgl. „29. BAföGÄndG“, 26. erbringt, soll dies nicht mehr auf die Vorausleistung angerechnet werden. Der Betrag der Vorausleistung könnte dann auch in diesem Fall steigen und so eine finanzielle Entlastung für betroffene junge Menschen eintreten. BAföG-Beziehende, welche eine Vorausleistung erhalten, befinden sich oft in schwierigen familiären Situationen. Vgl. „29. BAföGÄndG“, 27. Mit den geplanten Änderungen würden sie nun gegenüber anderen Empfängerinnen und Empfängern von Leistungen der Bundesausbildungsförderung gleichgestellt.

Der Wegfall der Anrechnung des Einkommens minderjähriger Geschwister, die nicht in einer förderfähigen Ausbildung stehen, auf die Einkommensfreibeiträge der Eltern kann die Beantragung der Bundesausbildungsförderung für junge Menschen vereinfachen, da diese Angaben fortan nicht mehr getätigt und nachgewiesen werden müssten. Die Änderung könnte so zu einer bürokratischen Entlastung der Antragstellenden führen. Obwohl davon ausgegangen werden kann, dass nicht volljährige Geschwister in aller Regel kein so hohes Einkommen erzielen, dass der Wegfall der Anrechnung die Höhe der BAföG-Bezüge maßgeblich steigert, Vgl. „29. BAföGÄndG“, 2. kann die Gesetzänderung dennoch zu einer (leichten) finanziellen Entlastung der BAföG-Beziehenden führen. Zudem könnte es für Minderjährige, deren Geschwister BAföG beziehen, attraktiver werden, (erste) berufliche Erfahrungen zu sammeln und sich durch einen Nebenjob etwas hinzuzuverdienen, ohne dass es sich mindernd auf die BAföG-Bezüge ihrer Geschwister auswirkt.

Anmerkungen und Hinweise

Die Gewährung von lediglich einem Flexibilitätssemester könnte nicht ausreichend sein, um die Mehrzahl der Studierenden bis zu ihrem Abschluss zu fördern. Beispielsweise liegt die mittlere Gesamtstudienzeit an Universitäten bis zu einem Masterabschluss bei 13,3 Semestern, Vgl. Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, „Bildung in Deutschland 2022. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zum Bildungspersonal“, 211. was die übliche Regelstudienzeit von sechs Semestern für den Bachelorabschluss sowie vier Semestern für den Masterabschluss um mehr als drei Semester überschreitet. Das im Gesetzentwurf formulierte Ziel, Ausbildungsabbrüchen entgegenzuwirken, Vgl. „29. BAföGÄndG“, 1. könnte durch die geplante Einführung eines Flexibilitätssemesters daher nur eingeschränkt erreicht werden.

Quellen

Ziel des Gesetzesentwurfs

Das Gesetzvorhaben zielt darauf ab, die bislang im Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) vorgegebenen Strukturen „stärker an tatsächliche Studienverläufe anzupassen und den Auszubildenden mehr Flexibilität auf ihrem Weg zum Abschluss zu ermöglichen“. „Entwurf eines neunundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes“, 1. Dafür sollen unter anderem ein Flexibilitätssemester und eine sog. Studienstarthilfe eingeführt werden. Durch diese und weitere Maßnahmen soll Ausbildungsabbrüchen entgegengewirkt werden Vgl. „29. BAföGÄndG“, 1..

Zusammenfassung möglicher Auswirkungen

Das Kompetenzzentrum Jugend-Check hat folgende mögliche Auswirkungen identifiziert:

  • Mit der Einführung eines sog. Flexibilitätssemesters sollen Studierende in Zukunft auch unmittelbar nach Ablauf der Höchstdauer ihrer Ausbildungsförderung einmalig für ein weiteres Semester die Bundesausbildungsförderung beziehen können (§ 15 Abs. 4 BAföG). Dies kann den finanziellen Druck auf junge Menschen, ihre Ausbildung in Regelstudienzeit abzuschließen, ebenso wie die damit verbundene psychische Belastung verringern. Zudem kann die Einführung des Flexibilitätssemesters jungen Menschen erlauben, Praktika, Erwerbstätigkeiten sowie gesellschaftliches Engagement besser mit dem Studium zu vereinbaren.
  • Künftig soll die Möglichkeit eines Fachrichtungswechsels länger bestehen (§ 7 Abs. 3 S. 1 BAföG). Dies kann dazu beitragen, dass junge Menschen bei der Gestaltung ihrer Ausbildung flexibler sind und sich positiv auf ihre Studienzufriedenheit und -motivation auswirken.
  • Die geplante Einführung einer Studienstarthilfe in Höhe von 1000 Euro könnte jungen Menschen, insbesondere aus einkommensschwachen Haushalten, die Entscheidung für ein Studium erleichtern und sie zu Beginn ihres Studiums finanziell entlasten (§ 56 a BAföG). Die Entlastungswirkung ist jedoch auch vom Zeitpunkt der Auszahlung abhängig.

 

Betroffene Gruppen junger Menschen

Normadressatinnen und -adressaten sind in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe junge Menschen bis 27 Jahre, die aktuell Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem BAföG beziehen oder dies für die Zukunft planen. Zu den förderungsfähigen Ausbildungen gehört u.a. die Erstausbildung an einer Hochschule, Fachoberschule oder Berufsfachschule. Vgl. §§ 2-7 BAföG Im Jahr 2022 bezogen insgesamt 630.220 Personen Leistungen nach dem BAföG, davon waren rund 78 Prozent (489.347 Personen) Studierende, und 22 Prozent (140.873) Schülerinnen und Schüler. Vgl. Statistisches Bundesamt, „BAföG 2022: Durchschnittlicher Förderbetrag um gut 5 % gestiegen“, Pressemitteilung, 2023, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/08/PD23_307_214.html (zuletzt abgerufen am 15.01.2024). Der durchschnittliche Förderbetrag pro Person betrug 592 Euro. Rund 15 Prozent aller Studierenden erhielten 2021 eine BAföG-Förderung. Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, „Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021“, 2023, 108. Insbesondere sind BAföG-beziehende junge Menschen, die die Regelstudienzeit überschreiten oder ihr Studienfach wechseln bzw. erwägen dies zu tun, betroffen. Auch besonders betroffen sind Studierende, welche BAföG beziehen und neben dem Studium in einem Minijobverhältnis arbeiten sowie solche, die Leistungen des BAföGs als Vorausleistung erhalten.

Normadressatinnen und -adressaten sind zudem junge Menschen, die im Rahmen eines Familiennachzugs in Deutschland sind und als sog. „sonstige Familienmitglieder“ nach § 36 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) eingereist sind.

Weitere Normadressatinnen und -adressaten sind junge Menschen, welche Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld erhalten. Berufsausbildungsbeihilfe können junge Menschen z.B. erhalten, wenn sie während ihrer Berufsausbildung nicht mehr zuhause wohnen und den Weg zu ihrer Ausbildungsstätte auch von der Wohnung ihrer Eltern bzw. eines Elternteils aus nicht mehr innerhalb einer angemessenen Zeit zurücklegen können. Vgl. § 60 SGB III Ausbildungsgeld können junge Menschen mit Behinderung erhalten, wenn sie bspw. eine Berufsausbildung absolvieren. Vgl. § 122 SGB III

Betroffen sind zudem junge Menschen unter 25 Jahren aus einkommensschwachen Haushalten sowie junge Menschen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe leben und erwägen ein Studium aufzunehmen. Auch betroffen sind erwerbstätige minderjährige Geschwister von jungen Menschen, die Leistungen des BAföG beziehen (möchten).

Jugendrelevante Auswirkungen

Flexiblere Gestaltung des Studienverlaufs durch sog. Flexibilitätssemester und späteren Fachrichtungswechsel

§§ 15 Abs. 3, Abs. 4; 7 Abs. 3 S. 1 und 4 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG)

BAföG-Beziehende Häufig handelt es sich bei BAföG-Beziehenden um Studierende. Sie können durch die Bundesausbildungsförderung finanziell unterstützt werden, wenn sie ihre Ausbildung an Hochschulen sowie von Akademien, die Abschlüsse verleihen, die nach Landesrecht Hochschulabschlüssen gleichgestellt sind, absolvieren (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 6 BAföG). Daneben können auch noch andere Ausbildungen nach dem BAföG gefördert werden. Dabei kann es sich beispielsweise um die Ausbildung an einer weiterführenden allgemeinbildenden (Berufs-) Schule oder Berufsfachschulen, Abendhauptschulen, Berufsaufbauschulen, Abendrealschulen, Abendgymnasien und Kollegs, oder Höheren Fachschulen handeln, vgl. § 2 Abs. 1 BAföG. sollen künftig unmittelbar nach Ablauf der Förderungshöchstdauer ihre Ausbildungsförderung einmalig für ein weiteres Semester beziehen können (sog. Flexibilitätssemester), vgl. § 15 Abs. 4 BAföG. Bislang konnte die Ausbildungsförderung über die Dauer der Ausbildung hinaus lediglich dann geleistet werden, wenn besondere Umstände dies gerechtfertigt haben. Vgl. § 15 Abs. 3 BAföG (derzeit geltendes Recht). Diese Verlängerung der Förderdauer aufgrund besonderer Umstände soll zusätzlich zu dem Flexibilitätssemester weiter möglich sein. Vgl. „29. BAföGÄndG“, 32.

Weiterhin soll für BAföG-Beziehende die Möglichkeit eines Fachrichtungswechsels Es handelt sich nach § 7 Abs. 3 S. 3 BAföG um einen Fachrichtungswechsel, wenn der förderungsfähige Auszubildende „einen anderen berufsqualifizierenden Abschluss oder ein anderes bestimmtes Ausbildungsziel eines rechtlich geregelten Ausbildungsganges an einer Ausbildungsstätte derselben Ausbildungsstättenart anstrebt“. bis zum Beginn des fünften – anstatt wie bislang bis zu Beginn des vierten – Semesters bestehen, wenn sie ihre Ausbildung an einer höheren Fachschule, Akademie oder Hochschule absolvieren, vgl. § 7 Abs. 3 S. 1 BAföG. Nach bisher geltendem Recht wurde die Ausbildungsförderung durch einen Fachrichtungswechsel nur dann nicht unterbrochen oder eingestellt, wenn dieser aus einem wichtigen oder unabweisbaren Grund erfolgt ist. Vgl. § 7 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BAföG (derzeit geltendes Recht). Das Vorliegen eines wichtigen oder unabweisbaren Grundes soll in Zukunft bis zum Beginn des vierten Semesters vermutet werden, wenn die Ausbildung an einer höheren Fachschule, Akademie oder Hochschule durchgeführt wird, vgl. § 7 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 BAföG. Bisher galt die Vermutung eines wichtigen oder unabweisbaren Grundes für den Fachrichtungswechsel nur bis zum Beginn des dritten Semesters. Vgl. § 7 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 BAföG (derzeit geltendes Recht).

Durch die Einführung des Flexibilitätssemesters kann die Bundesausbildungsförderung an die aktuelle Lern- und Lebensrealität von BAföG-Beziehenden angepasst werden. Zwischen 2010 und 2020  schlossen weniger als ein Drittel der Absolventinnen und Absolventen ihr Studium innerhalb der Regelstudienzeit ab. Vgl. Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, „Bildung in Deutschland 2022. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zum Bildungspersonal“, 2022, 211. Allerdings war bislang die Ausbildungsförderung über die Dauer der Ausbildung hinaus lediglich unter besonderen Umständen, wie beispielsweise der Pflege eines nahen Angehörigen, oder die Mitwirkung in einem Hochschulgremium, möglich. Vgl. § 15 Abs. 3 BAföG (derzeit geltendes Recht). Die geplante Möglichkeit zur Verlängerung der Förderdauer kann den finanziellen Druck auf junge Menschen, ihre Ausbildung in Regelstudienzeit abzuschließen verringern, auch wenn bei ihnen keine besonderen Umstände vorliegen. In der Folge könnte dies zur Minderung ihrer psychischen Belastung Vgl. Annkathrin Born, „Leistungsdruck im Studium – Versagensangst statt Sorgenfreiheit“, Sonder-Pader-Gogik (Universität Paderborn, 2020), https://blogs.uni-paderborn.de/sonderpaedagogik/2020/07/10/leistungsdruck-im-studium-versagensangst-statt-sorgenfreiheit/ (zuletzt abgerufen am 10.01.2024). und so zur Verbesserung ihrer mentalen Gesundheit beitragen. Ferner könnten junge Menschen durch die Einführung eines Flexibilitätssemesters davor bewahrt werden, aus finanziellen Gründen ihre Ausbildung abbrechen zu müssen, wenn ihre BAföG-Berechtigung aufgrund der Überschreitung der Regelstudienzeit endet. Finanzielle Sicherheit führt nachgewiesenermaßen dazu, dass Studierende eine geringere Intention haben ihre Ausbildung abzubrechen. Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, „Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021“, 71.

Die Einführung eines Flexibilitätssemesters kann jungen Menschen ferner erlauben, ihre Ausbildung flexibel und nach ihren eigenen Interessen zu gestalten, ohne dadurch die Förderung zu verlieren. So ließen sich berufsorientierende Praktika besser mit dem Studium vereinbaren, ohne dass dies den BAföG-Bezug durch die Überschreitung der Regelstudienzeit gefährden würde. Dies gilt gleichermaßen für Erwerbstätigkeiten, denen 54 Prozent der BAföG-Beziehenden nachgehen. Vgl. Statistisches Bundesamt, „BAföG 2022: Durchschnittlicher Förderbetrag um gut 5 % gestiegen“ (zuletzt abgerufen am 10.01.2024). Die Möglichkeit, durch das Flexibilitätssemester mehr Praxiserfahrung zu sammeln, kann die beruflichen Chancen betroffener junger Menschen erhöhen. Zum anderen könnten die Erwerbstätigkeit in Form eines Nebenjobs aber auch zur Sicherung ihres Lebensunterhalts notwendig sein, da 44 Prozent der BAföG-Beziehenden nur einen anteiligen BAföG-Satz erhalten. Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, „Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021“, 87. Darüber hinaus können Studierende das Flexibilitätssemester zum Zweck einer umfassenden Allgemeinbildung nutzen, um beispielsweise Lehrveranstaltungen zu besuchen, die für den eigenen Abschluss nicht anrechenbar sind. Dies wird von vielen Studierenden als Grund für die Überschreitung der Regelstudienzeit angegeben. Vgl. Marcus Penthin, Eva S. Fritzsche, und Stephan Kröner, „Gründe für die Überschreitung der Regelstudienzeit aus Studierendensicht“, Beiträge zur Hochschulforschung, 2017, 25. Zudem könnte die Einführung des Flexibilitätssemesters jungen Menschen erlauben, sich neben dem Studium gesellschaftlich (auch jenseits der Mitwirkung in Hochschulgremien) zu engagieren, was ihrem Kompetenzerwerb dienen und sie in ihrer persönlichen wie beruflichen Entwicklung stärken könnte.

Daneben kann die Möglichkeit des Fachrichtungswechsels, die in Zukunft länger als bisher bestehen soll, zusätzlich dazu beitragen, dass junge Menschen eine höhere Flexibilität in der Gestaltung ihrer Ausbildung erhalten. Durch die geplante Gesetzesänderung kann die Bundesausbildungsförderung an die tatsächlichen Bildungsverläufe vieler BAföG-Beziehender in der heutigen stark differenzierten Ausbildungslandschaft angepasst werden. Vgl. „29. BAföGÄndG“, 30. Das Studienangebot in Deutschland wächst immer weiter, zwischen den Jahren 2007 und 2023 hat es sich von etwas mehr als 11.000 auf knapp 22.000 Studiengänge fast verdoppelt. Vgl. Hochschulrektorenkonferenz, „Statistische Daten zu Studienangeboten an Hochschulen in Deutschland: Studiengänge, Studierende, Absolventinnen und Absolventen“, Statistiken zur Hochschulpolitik, 2023, 6. Diese Bandbreite von Studiengängen kann es für Studierende erschweren, bereits zu einem frühen Zeitpunkt die für sie passende Ausbildung zu finden. Vgl. „29. BAföGÄndG“, 30. Dies führt dazu, dass über ein Viertel der Studierenden gemäß Studierendenbefragungen ihr Studienfach mindestens einmal, zumeist aufgrund nicht erfüllter Erwartungen an das bisherige Studium sowie Interesse an einem anderen Fach, wechseln. Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, „Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021“, 66. Dabei ändern 35 Prozent dieser Studierenden ihr Studienfach bereits im ersten oder zweiten Fachsemester, weitere 20 Prozent im dritten oder vierten Fachsemester. Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, 195. Somit profitieren von der Gewährung der längeren Orientierungsfrist zum einen insbesondere Studierende, die sich zwischen dem vierten Semester und dem Beginn des fünften Semesters für einen Fachrichtungswechsel entscheiden. Zudem soll zum anderen für Studierende, die sich während des dritten Semesters bis zum Beginn des vierten Semesters für einen Fachrichtungswechsel entscheiden, der weitere BAföG-Bezug erleichtert werden, da sie keinen wichtigen oder ausweichbaren Grund für ihren Fachrichtungswechsel nachweisen müssen. Dies kann verhindern, dass sie aufgrund befürchteter Nachweisschwierigkeiten weiterhin einer Ausbildung nachgehen, die ihren Interessen oder ihrer persönlichen Eignung nicht entspricht. Vgl. „29. BAföGÄndG“, 30. Da sich ein Fachrichtungswechsel positiv auf die Studienzufriedenheit und -motivation auswirken kann, Vgl. Franz Kolland u. a., „Studienwechsel an Universitäten“ (Universität Wien, 2009), 76ff., https://door.donau-uni.ac.at/open/o:764 (zuletzt abgerufen am 15.01.2024). kann die verlängerte Möglichkeit ohne Verlust der BAföG-Berechtigung ebenfalls dazu beitragen, dass junge Menschen ihre Ausbildung bis zu deren Abschluss absolvieren. Jedoch wechseln fast 45 Prozent der Studierenden erst nach Beginn des fünften Semesters Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, „Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021“, 195. und liegen damit auch weiterhin außerhalb der gewährten Orientierungsfrist des Bundesausbildungs-förderungsgesetzes. Ein relevanter Teil der Studierenden können somit weiterhin ihre etwaige BAföG-Berechtigung verlieren, sofern sie keine unabweisbaren Gründe für ihren Fachrichtungswechsel nachweisen können.

Vereinfachter Zugang zu Ausbildungsförderung sowie finanzielle Entlastung Betroffener

§§ 8; 18 a Abs. 1 S. 3; 23; 25 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 3 S. 2; 36 Abs. 3; 56 bis 56 b BAföG

Es soll eine sog. Studienstarthilfe eingeführt werden, die einmalig in Höhe von 1.000 Euro zu Beginn der Ausbildung in Form eines Zuschusses geleistet werden soll, vgl. § 56a BAföG. Mit der Studienstarthilfe sollen Studierende finanziell unterstützt werden können, wenn sie nicht älter als 25 Jahre sind und im Monat vor dem Ausbildungsbeginn beispielsweise Bürgergeld, Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt, Leistungen für Asylbewerbende, den Kinderzuschlag oder Wohngeld bezogen haben, vgl. § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 8 BAföG. Dasselbe soll auch für Studierende gelten, die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe erhalten, vgl. § 56 Abs. 1 S. 2 BAföG. Mit der Studienstarthilfe soll lediglich eine Hochschulausbildung oder die Ausbildung an einer Akademie bezuschusst werden können, die Hochschulabschlüssen gleichgestellte Abschlüsse verleiht, unabhängig davon, ob es sich um eine staatliche oder private Hochschule bzw. Akademie handelt, vgl. § 56 Abs. 1 S. 1 BAföG. Es sollen mit der Studienstarthilfe lediglich Erstausbildungen finanziell unterstützt werden können, vgl. § 56 Abs. 1 S. 1 BAföG. Die Studienstarthilfe soll unabhängig von weiteren finanziellen Unterstützungsmaßnahmen wie beispielsweise Unterhaltszahlungen, Arbeitslosen- oder Bürgergeld bei beruflichen Weiterbildungen oder Stipendien geleistet werden können, vgl. § 56 Abs. 2 BAföG. Für den Umfang der Studienstarthilfe sollen zudem das Einkommen und Vermögen der Studierenden, ebenso wie das Einkommen ihrer Ehe- oder Lebenspartner und ihrer Eltern außer Betracht gelassen werden, vgl. § 56 Abs. 2 BAföG. Umgekehrt soll die Studienstarthilfe auch nicht als Einkommen auf bestimmte Leistungen, wie beispielsweise einkommensabhängige Sozialleistungen, Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe oder Stipendienleistungen aus öffentlichen Mitteln, angerechnet werden, vgl. § 56 b Abs. 1 und Abs. 2 BAföG.

Mit der geplanten Gesetzesänderung soll auch der Kreis förderungsfähiger Studierender erweitert werden. In Zukunft sollen auch ausländische Studierende, die ihren ständigen Wohnsitz in Deutschland haben und über eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug gemäß § 36 Abs. 2 AufenthG verfügen, Bundesausbildungsförderung beziehen können, vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG.  Eine Erweiterung des Kreises förderfähiger Studierender soll darüber hinaus durch eine Anhebung der Einkommensfreibeträge der Eltern erfolgen. So sollen künftig je nach Lebenslage 2535 bzw. 1685 Euro ihres Einkommens anrechnungsfrei bleiben, vgl. § 25 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BAföG. Weiterhin sollen die Einkommensfreibeträge der BAföG-Beziehenden selbst angehoben werden, vgl. § 23 BAföG. Für die geförderte Person selber sollen von ihrem Einkommen beispielsweise 353 Euro – anstatt wie bislang 330 Euro – anrechnungsfrei bleiben, vgl. § 23 Abs. 1 Nr. 1 BAföG.

Daneben sollen auch die Einkommensfreibeträge für die Berufsausbildungsbeihilfe und das Ausbildungsgeld angehoben werden. So sollen künftig 84 Euro der Ausbildungsvergütung – anstatt wie bisher 80 Euro – und 899 Euro des elterlichen Einkommens – anstatt wie bisher 856 Euro – neben den elterlichen Grundfreibeträgen anrechnungsfrei bleiben, vgl. § 458 SGB III. Dies soll nach wie vor nur gelten, sofern es nicht möglich ist, die Ausbildungsstätte von dem Wohnort der Eltern bzw. eines Elternteils in angemessener Zeit zu erreichen. § 67 Abs. 2 Nr. 3 SGB III.

Auf die Höhe einer vorausgeleisteten Ausbildungsförderung soll ferner das Kindergeld nicht mehr angerechnet werden, vgl. § 36 Abs. 3 BAföG. Gleiches soll auch für überobligatorische Leistungen eines Elternteils auf den angerechneten Unterhaltsbetrag des anderen Elternteils gelten. Eine Ausbildungsförderung soll in dem Fall vorausgeleistet werden, in dem die Eltern eines förderungsfähigen Auszubildenden ihren nach dem BAföG angerechneten Unterhaltsbeitrag nicht leisten und die Ausbildung dadurch gefährdet wird. In der Folge soll die Ausbildungsförderung dann ohne Anrechnung des (ausgebliebenen) Unterhalts berechnet werden, vgl. § 36 Abs. 1 BAföG.

Die Einkommen minderjähriger Geschwister von BAföG-Beziehenden, die selbst keine förderfähige Ausbildung absolvieren, soll auf die Bemessung der Einkommensfreibeträge der Eltern nicht mehr angerechnet und so für die Beantragung der BAföG-Leistungen nicht mehr vorgelegt werden müssen, vgl. §§ 18 a Abs. 1 S. 3, 25 Abs. 3 S. 2 BAföG.

Die geplante Einführung einer Studienstarthilfe könnte jungen Menschen aus einkommensschwachen Haushalten, die ein Studium an einer Hochschule oder Akademie beginnen möchten und unter 25 Jahre alt sind, die Entscheidung für ein Studium vereinfachen und sie zu Beginn ihres Studiums finanziell entlasten. Hierzu sollen z.B. Studierende gehören, die selbst oder deren Eltern Leistungen des Zweiten oder Zwölften Sozialgesetzbuchs (SGB II & XII), z.B. aufgrund von Arbeitslosigkeit, beziehen. So zeigen Studien, dass eine Arbeitslosigkeit der Eltern die Wahrscheinlichkeit der Aufnahme eines Studiums reduziert. Vgl. Kristina Lindemann und Markus Gangl, „The intergenerational effects of unemployment: How parental unemployment affects educational transitions in Germany“, SOEPpapers on Multidisciplinary Panel Data Research, Nr. 971 (Berlin: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), 2018), 26f. Für junge Menschen aus einkommensschwachen Haushalten sind die Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung von großer Bedeutung bei der Entscheidung für ein Studium. Vgl. Mari Luna De La Rosa und William Tierney, „Breaking through the Barriers to College. Empowering Low-Income Communities, Schools, and Families for College Opportunity and Student Financial Aid“, USD Center for Higher Education Policy Analysis (Los Angeles, 2006), https://pullias.usc.edu/wp-content/uploads/2023/11/Breaking-Through-the-Barriers-to-College.pdf (zuletzt abgerufen am 15.01.2024); vgl. Katja Urbatsch, „Stellungnahme zum siebenundzwanzigsten Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (27.BaföGÄndG)“, 2022, https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/downloads/files/27-bafoegaendg-stellungnahme-arbeiterkind.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt abgerufen am 15.01.2024). Die Studienstarthilfe könnte daher die Entscheidung für eine tertiäre Ausbildung an einer Hochschule oder Akademie für diese junge Menschen erleichtern. Hierzu könnte besonders beitragen, dass die Studienstarthilfe nicht auf bestehende Leistungsansprüche wie Bürgergeld oder Unterhalt angerechnet werden soll. Durch die geplante Auszahlung als Pauschale wird der bürokratische Aufwand für Antragsstellende zudem geringgehalten, was die Inanspruchnahme erhöhen könnte. Denn sie müssten keine Belege über die Verwendung der Studienstarthilfe einreichen. Gleiches gilt für junge Menschen, welche Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe beziehen. Sogenannten „Careleavern“ fehlt meist ein familiäres Netzwerk, welches Geld für den Studienstart beisteuern könnte. Vgl. Susanne Achterfeld, Friederike Knörzer, und David Seltmann, „Kurzexpertise Careleaver“ (Fachstelle Leaving Care, 2021), https://igfh.de/sites/default/files/2021-09/Achterfeld_Careleaver%20%28002%29.pdf (zuletzt abgerufen am: 02.02.2024). Sie könnten daher besonders von der Studienstarthilfe profitieren.

Unklar bleibt jedoch, zu welchem Zeitpunkt dieser Betrag ausgezahlt wird. Da die BAföG-Zahlungen häufig erst mit mehreren Monaten Verzögerung nach Studienbeginn ausgezahlt werden, Vgl. Katja Urbatsch, „Stellungnahme zum siebenundzwanzigsten Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (27.BaföGÄndG)“, 4. würde eine Auszahlung mit der ersten BAföG-Rate bedeuten, dass junge Menschen diese nicht zu Beginn ihres Studiums nutzen können. Gerade dann fallen jedoch Kosten wie für eine Mietkaution oder die Anschaffung von Möbeln an. Nur ca. 30 Prozent der Bachelorstudierenden leben noch bei den Eltern, der Großteil lebt außerhalb des Elternhauses und ist daher meist auf die Zahlung einer Mietkaution angewiesen. Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, „Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021“, 125. Auch die Anschaffung von „IT-Ausstattung, Lehr- und Lernmaterialien“ Vgl. „29. BAföGÄndG“, 37. könnte für junge Menschen bei einer verzögerten Auszahlung erst verspätet erfolgen und dazu führen, dass sich diese zur Überbrückung verschulden müssen.

Studierende über 25 Jahren, welche Leistungen nach dem SGB II, XII, XIV oder dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen, sollen für die Studienstarthilfe nicht berechtigt sein. Besonders junge Geflüchtete können ihre Ausbildung in Deutschland aufgrund von Flucht, Asylverfahren und Spracherwerb allerdings oftmals erst zeitverzögert beginnen oder fortsetzen. Vgl. Tom Urig, „Bildung und Teilhabe für alle jungen Menschen sichern – Stellungnahme zur 27. BAföG-Novelle“ (Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendarbeit, Bildungsberatung Garantiefonds Hochschule, 2022), https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/downloads/files/27-bafoegaendg-stellungnahme-bag-kjs.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt abgerufen am 15.01.2024). Sind sie bei Studienbeginn über 25 Jahre alt, müssen sie ihre Mehrausgaben zum Studienbeginn weiterhin selbst stemmen.

Junge Erwachsene, welche wegen ihrer Schutzbedürftigkeit mit den Eltern zum als Flüchtling anerkannten minderjährigen Geschwisterteil einreisen, können durch die geplante Ausweitung des Kreises der Leistungsberechtigten nun erstmals Bundesausbildungsförderung erhalten. Dadurch könnten sich ihre Bildungsmöglichkeiten erweitern. Denn sie könnten nun Bildungswege wie ein Studium oder den Besuch einer Fachschule in Erwägung ziehen, auch wenn sie keine persönlichen oder familiären finanziellen Rücklagen haben.

Durch die geplante Anpassung des Einkommensfreibetrags an die Erhöhung der Minijobgrenze können Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen der Bundesausbildungsförderung auch künftig in ihrem Minijob bis zur Minijobgrenze verdienen. Im Jahr 2021 gaben ca. 59 Prozent der Studierenden an, neben dem Studium zu arbeiten, im Median erwirtschafteten sie hierbei monatlich 500 Euro. Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, „Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021“, 100. Die Anpassung könnte damit die finanzielle Situation sowie die Planungssicherheit für junge Menschen, welche Leistungen der Bundesausbildungsförderung beziehen, verbessern. Dies könnte insbesondere für junge Menschen, welche nicht den BAföG-Höchstsatz und von ihren Eltern nur einen geringen Unterhalt erhalten, wichtig sein, um ihren Lebensunterhalt mit einer Nebenerwerbstätigkeit auch in Zeiten gestiegener Lebenshaltungskosten decken zu können.

Die geplante Anhebung der Elternfreibeträge könnte den Kreis der möglichen BAföG-Beziehenden nach den Änderungen von 2022 nochmal erweitern. Vgl. hierzu den Jugend-Check zum 27. BaföGÄndG: https://www.jugend-check.de/alle-jugend-checks/27-bafoeg-aenderungsgesetz-aktualisiert/ Dadurch könnten für mehr junge Menschen der Zugang zu Bildungsangeboten ermöglicht werden. Mit dem Gesetzentwurf sollen zudem die Freibeträge für die Berufsausbildungsbeihilfe und das Ausbildungsgeld erhöht werden. Dadurch könnten auch mehr junge Menschen, die einer (geförderten) Berufsausbildung nachgehen, eine finanzielle Unterstützung erhalten.

Zudem könnten sich durch die geplanten Erhöhungen der Freibeträge auch die Bildungsbedingungen während der Ausbildung für jene jungen Menschen verbessern, die bislang keinen Anspruch auf BAföG hatten, sich jedoch durch Nebentätigkeiten oder finanzielle Einschränkungen trotzdem das Studium ermöglicht haben. Wenn diese jungen Menschen künftig BAföG erhalten, können sie ihrem Studium mehr Aufmerksamkeit schenken und können ihre Nebentätigkeit ggf. reduzieren.

Ebenfalls finanziell entlastet werden könnten BAföG-Beziehende, welche Leistungen des BAföGs als Vorausleistung erhalten. Denn wird das Kindergeld wie geplant im Falle einer vorausgeleisteten Ausbildungsförderung nicht mehr angerechnet, hätten sie nun einen Beitrag in Höhe des Kindergeldes, aktuell 250 Euro, mehr für ihren Lebensunterhalt. Auch wenn ein Elternteil mehr Unterhalt zahlt, z.B. als Ausgleich für den fehlenden Unterhalt des anderen Elternteils, und damit sog. „überobligatorische Leistungen“ Vgl. „29. BAföGÄndG“, 36. erbringt, soll dies nicht mehr auf die Vorausleistung angerechnet werden. Der Betrag der Vorausleistung könnte dann auch in diesem Fall steigen und so eine finanzielle Entlastung für betroffene junge Menschen eintreten. BAföG-Beziehende, welche eine Vorausleistung erhalten, befinden sich oft in schwierigen familiären Situationen. Vgl. „29. BAföGÄndG“, 36. Mit den geplanten Änderungen würden sie nun gegenüber anderen Empfängerinnen und Empfängern von Leistungen der Bundesausbildungsförderung gleichgestellt.

Der Wegfall der Anrechnung des Einkommens minderjähriger Geschwister, die nicht in einer förderfähigen Ausbildung stehen, auf die Einkommensfreibeiträge der Eltern kann die Beantragung der Bundesausbildungsförderung für junge Menschen vereinfachen, da diese Angaben fortan nicht mehr getätigt und nachgewiesen werden müssten. Die Änderung könnte so zu einer bürokratischen Entlastung der Antragstellenden führen. Obwohl davon ausgegangen werden kann, dass nicht volljährige Geschwister in aller Regel kein so hohes Einkommen erzielen, dass der Wegfall der Anrechnung die Höhe der BAföG-Bezüge maßgeblich steigert, Vgl. „29. BAföGÄndG“, 2. kann die Gesetzänderung dennoch zu einer (leichten) finanziellen Entlastung der BAföG-Beziehenden führen. Zudem könnte es für Minderjährige, deren Geschwister BAföG beziehen, attraktiver werden, (erste) berufliche Erfahrungen zu sammeln und sich durch einen Nebenjob etwas hinzuzuverdienen, ohne dass es sich mindernd auf die BAföG-Bezüge ihrer Geschwister auswirkt.

Anmerkungen und Hinweise

Die Gewährung von lediglich einem Flexibilitätssemester könnte nicht ausreichend sein, um die Mehrzahl der Studierenden bis zu ihrem Abschluss zu fördern. Beispielsweise liegt die mittlere Gesamtstudienzeit an Universitäten bis zu einem Masterabschluss bei 13,3 Semestern, Vgl. Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, „Bildung in Deutschland 2022. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zum Bildungspersonal“, 211. was die übliche Regelstudienzeit von sechs Semestern für den Bachelorabschluss sowie vier Semestern für den Masterabschluss um mehr als drei Semester überschreitet. Das im Gesetzentwurf formulierte Ziel, Ausbildungsabbrüchen entgegenzuwirken, Vgl. „29. BAföGÄndG“, 1. könnte durch die geplante Einführung eines Flexibilitätssemesters daher nur eingeschränkt erreicht werden.

Quellen

nach oben