Quellen
Ziel des Gesetzesentwurfs
Der Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt verfolgt das Ziel, die Gründung und die Wahl von Betriebsräten zu fördern und zu erleichtern. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt (Betriebsrätemodernisierungsgesetz)“, 31. März 2021, 1. Hierfür soll z.B. der Anwendungsbereich vereinfachter Wahlverfahren sowohl für die Wahl des Betriebsrats als auch für die Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) ausgeweitet werden. Vgl. „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“, 2. Zudem soll die Digitalisierung der Betriebsratsarbeit sowie die Ausgestaltung mobiler Arbeit ausgebaut werden. Vgl. „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“, 2.
Zusammenfassung möglicher Auswirkungen
Das Kompetenzzentrum Jugend-Check hat folgende mögliche Auswirkungen identifiziert:
- Durch die Aufhebung der Altersgrenze für Auszubildende bei der Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung (§§ 60 Abs. 1, 61 Abs. 2 S. 1 BetrVG) können sich nunmehr auch über 25-Jährige in der JAV engagieren. Dies kann sich auf deren Beteiligungsmöglichkeiten und die Sichtbarkeit ihrer Belange und Interessen innerhalb des Arbeitsumfeldes auswirken.
- Ein eigenes Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte hinsichtlich der Ausgestaltung mobiler Arbeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG) kann letztlich zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf junger Auszubildender und Beschäftigter in Betrieben beitragen, wenn spezifische innerbetriebliche Regelungen zur mobilen Arbeit getroffen werden.
- Die künftige Ausweitung der Möglichkeit der Teilnahme an Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz (§ 30 Abs. 2 BetrVG) kann sich durch u.a. mehr Flexibilität förderlich auf die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf junger Menschen mit Betreuungs- oder Pflegeverpflichtungen auswirken und deren Engagement im Betriebsrat vereinfachen.
Betroffene Gruppen junger Menschen
Normadressatinnen und -adressaten sowie Betroffene in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe sind junge Menschen bis 27 Jahre, die in Betrieben ausgebildet werden oder arbeiten und in denen die Auszubildenden und Beschäftigten durch eine Jugend- und Auszubildendenvertretung vertreten werden. Insbesondere sind von dem Gesetzentwurf die über 25-Jährigen Auszubildenden betroffen: In den letzten Jahren stieg die Zahl der Auszubildenden, die 24 Jahre und älter sind, kontinuierlich an – waren es im Jahr 2007 noch 6,1 Prozent der Auszubildenden, hat sich diese Zahl bis einschließlich des Jahres 2017 auf 12,3 Prozent verdoppelt. Vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung, „Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2019. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung“, 2019, 181. Weiterhin sind junge Arbeitnehmende bis 27 Jahre betroffen, die in Betrieben mit einem Betriebsrat arbeiten.
Jugendrelevante Auswirkungen
Aufhebung der Altersgrenze für Auszubildende bei der Wahl bzw. bezüglich der Mitgliedschaft der JAV
§§ 60 Abs. 1, 61 Abs. 2 S. 1, 64 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
Künftig soll die Altersgrenze von 25 Jahren für Auszubildende bei der Wahl der JAV gestrichen werden, vgl. § 60 Abs. 1 BetrVG. Auszubildende, die älter als 25 Jahre alt sind, sollen unabhängig von ihrem Alter passiv wahlberechtigt sein und ihnen soll dadurch die Möglichkeit geboten werden, sich in der JAV zu engagieren, vgl. § 61 Abs. 2 S. 1 BetrVG. Vgl. „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“, 22. Darüber hinaus soll ein Mitglied der JAV, welches im Laufe der Amtszeit das 25. Lebensjahr vollendet oder sein Berufsausbildungsverhältnis beendet hat, bis zum Ende der Amtszeit Mitglied der JAV bleiben, vgl. § 64 Abs. 3 BetrVG.
Die Aufhebung der Altersgrenze für Auszubildende bei der Wahl der JAV kann sich auf die Beteiligung und Mitbestimmungsmöglichkeiten von jungen Auszubildenden, die älter als 25 Jahre sind, auswirken. Sie können künftig nicht mehr von einer Beteiligung im Rahmen der Interessenvertretung durch die JAV ausgeschlossen werden. Vgl. „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“, 22. Dadurch können auch ihre Belange und Interessen gegenüber Arbeitgebern und dem Betriebsrat berücksichtigt werden. Vgl. „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“, 13. Diese Belange resultieren zumeist eher aus dem Auszubildenden-Status als aus dem Alter; es können sich z.B. Fragen hinsichtlich der Ausbildungspläne, -methoden oder zu den Möglichkeiten einer Übernahme nach der Ausbildung ergeben. Vgl. „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“, 13. Darüber hinaus kann ein Einbezug älterer Auszubildender ein breiteres Spektrum junger Erwachsener abbilden, die sich zum Teil in verschiedenen Lebenslagen (z.B. hinsichtlich des Familienstandes) befinden. Somit könnte die Aufhebung der Altersgrenze sowohl die gemeinsamen Belange Auszubildender sichtbarer machen als auch die Vielfalt von Bedürfnissen in verschiedenen Lebenslagen von Auszubildenden abbilden.
Eine Aufhebung der Altersgrenze bei der Wahl der JAV für Auszubildende, die älter als 25 Jahre alt sind, kann zudem auch allgemein ein stärkeres Interesse an den Entscheidungsprozessen ihrer Arbeitgeberinstitution hervorrufen. Vgl. „Professor Klaus Hurrelmann zu #wahlaltersenken“, 27. März 1019, https://www.dbjr.de/artikel/professor-klaus-hurrelmann-zu-wahlaltersenken/ (zuletzt aufgerufen am: 09.04.2021); Jürgen Kalb, „Wahlalter 16? ‚Nichts ist aktivierender als die Aktivität selbst‘. D&E-Interview mit Prof. Dr. Klaus Hurrelmann zum Wahlalter mit 16“, D&E, Bürgerbeteiligung in Deutschland und Europa, Nr. 65 (2013). Eine Berücksichtigung ihrer Interessen in der JAV kann somit bedeutsam für eine bessere Integration und Sichtbarkeit dieser Interessen der Auszubildenden sein und ihre individuellen Rechte stärken. Zudem können Auszubildende über 25 Jahre durch die Möglichkeit des passiven Wahlrechts und des Verbleib in der JAV als gewählte Vertreterin oder Vertreter bis zum Ende der Amtszeit unabhängig vom Ausbildungsende zum einen ihre individuellen und altersspezifischen Belange, welche sie ggf. gegenüber jüngeren Personen differenzieren, (weiterhin) einbringen. Zum anderen kann es ihnen dadurch ermöglicht werden, persönliche Erfahrungen in einer solchen Interessenvertretung im Betrieb sammeln, welche für ihren späteren beruflichen Werdegang bedeutsam sein können. Vgl. „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“, 13 f.
Rechte zur Ausgestaltung mobiler Arbeit und Digitalisierung der Betriebsratsarbeit
§§ 30 Abs. 1 S. 5 und Abs. 2, 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG
Eine weitere Novellierung soll die Ausgestaltung von mobiler Arbeit betreffen. So soll der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Ausgestaltung mobiler Arbeit, die mithilfe Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird, erhalten, vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG. Zudem sollen die Möglichkeiten der Teilnahme an Betriebsratssitzungen ausgeweitet werden. Zwar sollen Betriebsratssitzungen grundsätzlich als Präsenzsitzung stattfinden, vgl. § 30 Abs. 1 S. 5 BetrVG. Jedoch soll künftig unter bestimmten Voraussetzungen eine Teilnahme an Betriebsratssitzungen mittels Video- oder Telefonkonferenzen möglich sein, vgl. § 30 Abs. 2 BetrVG. Bisher ist eine Teilnahme an Betriebsratssitzungen mittels Video- oder Telefonkonferenz nur nach Maßgabe des § 129 BetrVG geltendes Recht (Sonderregelung aus Anlass der Covid-19-Pandemie) möglich und bis zum 30.Juni 2021 befristet, vgl. „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“, 2. So sollen u.a. die Voraussetzungen für eine solche Teilnahme durch den Betriebsrat in seiner Geschäftsordnung geregelt werden, wobei Präsenzsitzungen weiterhin vorrangig sein sollen, vgl. § 30 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BetrVG. Die Neuregelung zur Teilnahme an Betriebsratssitzungen mittels Telefon- und Videokonferenz gilt auch für die JAV, vgl. § 65 Abs. 1 BetrVG geltendes Recht i. V. m. § 30 BetrVG.
Die Einführung des Mitbestimmungsrechts der Betriebsräte hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird, kann sich auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf junger Auszubildender und Beschäftigter in Betrieben auswirken. Zwar verbleibt die Entscheidungsbefugnis über die Einführung mobiler Arbeit beim Arbeitgeber. Vgl. „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“, 24. Sofern sich aber für die Einführung mobiler Arbeit entschieden wurde, können die Betriebsräte durch das Mitbestimmungsrecht jedoch nunmehr innerbetriebliche Regelungen bezüglich des mobilen Arbeitens schaffen: beispielsweise in welchem Zeitfenster diese von den Beschäftigten zu erfolgen hat und wann sie mobil oder im Homeoffice erreichbar sein müssen. Dadurch können sie z.B. die familiären oder individuellen Bedürfnisse ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer berücksichtigen. Insbesondere die Gruppe der „Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger bevorzugen häufig eine flexiblere Gestaltung ihrer Arbeitszeiten, um Zeit für ihr Privatleben zu haben“ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Hrsg., Die neue Vereinbarkeit. Beruf und Familie in einer modernen Arbeitswelt vereinbaren – eine Praxishandreichung für Unternehmen., Erfolgsfaktor Familie, 2015, 13.. Sofern es keine starren Arbeitszeiten gibt, kann dies mit mobiler Arbeit erreicht werden, z.B. wenn Wegzeiten zum Büro wegfallen und die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer dadurch etwa früher beginnen kann zu arbeiten. Da sich junge Erwachsene oftmals in einer Lebensphase befinden, in der viele Bereiche, vor allem Kinderbetreuung und Beruf, miteinander in Einklang gebracht werden müssen, Vgl. Martin Bujard und Ralina Panova, „Rushhour des Lebens“, Dossier Familienpolitik (Bundeszentrale für politische Bildung, 15. Dezember 2014), 15, https://www.bpb.de/politik/innenpolitik/familienpolitik/197927/rushhour-des-lebens (zuletzt aufgerufen am: 09.04.2021). könnten Möglichkeiten mobilen Arbeitens zur Vereinbarkeit verschiedener Aspekte beitragen. So könnten beispielsweise Pendelzeiten reduziert werden, was wiederum mehr Zeit für sich selbst oder mit der Familie ermöglichen würde. Dies kann auch die Arbeitszufriedenheit junger Auszubildender und Beschäftigter innerhalb des Betriebes steigern. Vgl. Holger Bonin u. a., „Verbreitung und Auswirkungen von mobiler Arbeit und Homeoffice“ (im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, 2020), 11 (zuletzt aufgerufen am: 09.04.2021).
Auch die Möglichkeit der Teilnahme an Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz kann sich förderlich auf die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf junger Menschen mit Betreuungs- oder Pflegeverpflichtungen auswirken. Denn die verstärkte Nutzung von Video- und Telefonkonferenzen könnte ihnen die Anwesenheit an den Sitzungen erleichtern, da sie diese einfacher und flexibler von Zuhause aktiv mitverfolgen können und somit unnötige Anfahrtswege oder Reisetätigkeiten reduziert werden. Vgl. „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“, 15. Zudem könnte der vermehrte Einsatz dieser digitalen Optionen zur Folge haben, dass sich z.B. mehr junge Menschen mit Betreuungspflichten und Teilzeitbeschäftigte für eine Tätigkeit im Betriebsrat entscheiden, was ihnen ggf. aus zeitlichen und familiären Gründen bisher nicht möglich war. Vgl. „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“, 15.